Morgan Plus 8 und Roadster V6 im Fahrbericht
Klassischer als klassisch oder Extra-Klasse?

Der Morgan Plus 8 wirkt wie ein hochdosierter Koffeinschub auf den Kreislauf eines jeden Morgan-Fans. Nach acht Jahren legen die Briten dieses Modell wieder auf. Ist deshalb vielleicht der klassische Roadster V6 der wahre Plus 8? Der Fahrbericht wird es zeigen.

Morgan Roadster V6, Morgan Plus 8, Seitenansicht
Foto: Craig Pusey

Während bei zahlreichen Kleinserienherstellern aktuell das Wehklagen über neue Sicherheits- und Abgasnormen sowie dubiose Investoren – gerne auch alles zusammen – den Arbeitstakt vorgeben, läuft bei Morgan in der Pickersleigh Road in Malvern Link eigentlich alles so wie immer. In brüllend lauter Geräuschkulisse wird gesägt, gehämmert, genäht, gedengelt – und am Ende rollen einigermaßen skurrile Fahrzeuge aus den niedrigen Bauten, zuweilen in recht skurrilen Farbkombinationen, die sich neumodischem Teufelszeug verfallene Kunden selbst im Internet-Konfigurator zusammenmischen können. Für alle übrigen stehen für die Morgan Lackmuster aller Fahrzeughersteller in kleinen blauen Kästchen zur Verfügung, darunter auch die fröhliche Farbpalette von Lada.

Da sich jedoch Morgan ebenfalls überarbeiteten Homologationsvorschriften beugen muss, flog 2004 der Morgan Plus 8 aus dem Programm, worauf seinen Fans vor Schreck das Karomuster aus dem Tweed-Sakko fiel. Der 3,9-Liter-V8 war durch, kurz darauf auch sein Hersteller Rover. Stattdessen fand zunächst ein Dreiliter-V6 von Ford seinen Weg in das altehrwürdige Chassis, zu Jahresbeginn zog ein Sechszylinder-Triebwerk aus gleichem Haus mit 3,7 Liter Hubraum unter die gewölbte Haube – nicht schlecht für einen gerade einmal 1.100 Kilogramm schweren Zweisitzer.

Nach dem fünften Pint geht BMW fast als britisch durch

Was soll dem der neue Morgan Plus 8 entgegensetzen? Zunächst einmal seinen mächtigen V8 von BMW. Shocking, doch aufgrund der erfolgreichen Wiederbelebung von Mini gehen die Bayern als einigermaßen britischer Hersteller durch – zumindest nach dem fünften Pint. Mit seinem Vorgänger eint den Roadster eigentlich nur noch das, nun ja, Design.

Darunter steckt das Alu-Chassis der Aero-Modelle, Sie wissen schon, die mit dem Silberblick. Das bedeutet: elf Zentimeter länger, 22 Zentimeter breiter, jedoch vernachlässigbare 1.220 Kilogramm schwer – laut Datenblatt. Und dann steht da auch noch etwas von „plenty of space for the tallest of drivers“. Beim Einsteigen wird allerdings schnell klar, dass „plenty“ bei 1,92 Meter Körpergröße in etwa mit „passt-gerade-noch-so-ohne-erhebliches-Verletzungsrisiko“ zu übersetzen ist. Derartige Nörgeleien schiebt der N62-B48-Sauger bereits mit der ersten Abgaswolke nach dem Anlassen zu den vier Endrohren hinaus. Mit monströsem Klang, der sich wie eine donnernde Flutwelle ausbreitet, und leicht unruhigem Leerlauf verfängt sich der Morgan Plus 8 zwischen den Kulturen: Die britische Idee des Roadsters mischt sich mit germanischem Antrieb und amerikanischer Akustik – na bitte, Globalisierung kann durchaus Freude bereiten.

Morgan Plus 8 stürzt sich zornig auf die nächstbeste Landstraße

Dass nun ein Automatik-Wählhebel auf D gerückt werden muss, soll unkommentiert bleiben. Unter Berücksichtigung des Leistungsgewichts verkümmert die Getriebefrage bald zu völliger Bedeutungslosigkeit, denn selbst bei ehrfürchtigem Gasfuß stürzt sich der Morgan Plus 8 ziemlich zornig auf die nächstbeste Landstraße. Bereits nach 4,2 Sekunden wäre das dort erlaubte Tempo erreicht, die Leistungsgrenze des 367 PS starken Triebwerks noch längst nicht. Es scheint nach jedem Gangwechsel erneut zu explodieren, reißt alles um sich herum rebellisch-brüllend mit sich. Traktion? Geht so. Wenigstens sitzt der Fahrer unmittelbar vor der Antriebsachse, spürt schnell, wenn irgendetwas zu verrutschen droht. Seinen Handlungsspielraum begrenzt jedoch die mit der Präzision eines Pendels gesegnete Servolenkung spürbar. Das schränkt den Fahrspaß auf engen Landstraßen umso mehr ein, da der Morgan Plus 8 trotz vergleichsweise kompakter Abmessungen ein ziemlich unübersichtliches Vehikel ist.

Will deshalb der Morgan Roadster V6 einfach nicht aus dem Rückspiegel verschwinden? Er lässt seine 284 PS von einem Sechsgang-Schaltgetriebe verwalten – und seinen Piloten auch sonst ganz schön hart arbeiten. Servolenkung? Nein. Platz für den Kupplungsfuß? Nein. Platz in irgendeiner Form? Bestenfalls bei geöffnetem Verdeck. Dafür kommt der Morgan Roadster V6 mit einer Blaue-Flecke-Garantie für Ungeübte, denn Knie oder Ellenbogen oder beides bleiben ganz sicher beim Einsteigen irgendwo hängen.

Armaturenbrett nach bester Schreiner-Tradition im Roadster V6

Trotzdem: Hinter dem entairbagten Lenkrad (der Morgan Plus 8 verfügt tatsächlich über ein derartiges Sicherheitssystem) keimt selbst in Morgan-Neulingen niemals auch die Idee eines Verdachts auf, in einem Automobil eines anderen Herstellers zu sitzen. Stammen nun die Lenkstockhebel aus einem Ford, oder bedient sich Ford derer von Morgan? Egal. Klare Indizien: Smith-Rundinstrumente, eingebettet in ein Armaturenbrett nach bester Schreiner-Tradition, Sitznischen so schmal wie die Lippen der Royals, ein seltsam verstecktes Zündschloss und Handbremshebel sowie – auch im Morgan Plus 8 – diese drei putzigen Wischerchen, die Mercedes damals bei der S-Klasse-Baureihe W 116 allein für die Scheinwerfer gebraucht hätte.

Überhaupt nicht niedlich dagegen: der Feuereifer, mit dem der von Ford USA zugekaufte Sechszylinder aus der Cyclone-Familie die Arbeit in der Zündfolge 1-4-2-5-3-6 aufnimmt. Durch die beiden Endrohre sprotzend, schüttelt er sich kurz frei und dient sich über das Gaspedal unmittelbar als des Fahrers bester Freund an. Selbst der Morgan Plus V8 wirkt weniger gierig, schiebt stattdessen einen wohlgenährten Drehmoment-Bauch vor sich her. Im Morgan Roadster V6 muss der Fahrer zunächst die Kupplung, seltsam lätschig wie ein Einweck-Gummi, auf seine Zehenspitzen abstimmen.

Morgan Plus 8 freundlicher, Roadster V6 ist Haudegen

Die nächste Übung gelingt jedoch deutlich leichter: hemmungsloses Ausdrehen bis kurz vor 7.000/min und – zack – den nächsten Gang auf kurzem Weg einrasten. Unter den rauschenden Fahrtwind und die knarzende Holzkonstruktion mischt sich gieriges Ansaugschnorcheln von vorne sowie enthusiastisches Trompeten aus dem Heck. Natürlich traut Morgan dem Sechszylinder weit weniger übermütige Fahrleistungen als dem Morgan Plus 8 zu, doch wer über 5,5 Sekunden für den Sprint von null auf 100 km/h mault, beschwert sich vermutlich auch, dass er nur von Rihanna und nicht von Beyoncé aufs Hotelzimmer mitgenommen wurde.

Der Ritt im Morgan Roadster V6 bedeutet jedenfalls etwas mehr Anstrengung als im Morgan Plus 8, da speziell die Kombination aus servofreier Lenkung und 16-Zoll-Rädern noch etwas mehr Konzentration erfordert als ungenaue Servolenkung und 19-Zoll-Räder. Beim Federungskomfort orientieren sich übrigens beide am Material der Werkhallen, in denen sie entstanden – Backsteinen.

Und obwohl sich der Morgan Plus 8 gegenüber seinen Insassen etwas freundlicher benimmt und zugleich Achtzylinder-Freunden diesseits des Atlantiks den Glauben an klassischen Motorenbau aufrechterhält, gelingt es dem Morgan Roadster V6 überzeugender, den morganeigenen Nimbus des charmanten Haudegens in die Gegenwart zu transportieren. Mögen künftige Abgas- und Sicherheitsnormen nichts daran ändern.

Technische Daten
Morgan MP8 Morgan Roadster V6
Grundpreis102.000 €68.000 €
Außenmaße4010 x 1715 x 1220 mm4010 x 1720 x 1220 mm
Hubraum / Motor4799 cm³ / 8-Zylinder3721 cm³ / 6-Zylinder
Leistung270 kW / 367 PS bei 6300 U/min209 kW / 284 PS bei 6000 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h225 km/h
Verbrauch12,1 l/100 km9,8 l/100 km
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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten