Porsche 911 GT3 Touring-Paket
Weniger Flügel, mehr Elfer

Wie schon beim Vorgänger, ach was, wie einst schon beim Carrera 2.7 RS, gibt es auch den neuen Porsche 911 GT3 nun mit einem Touring-Paket und sozusagen mit ohne Heckflügel. Das kann doch keinen großen Unterschied machen? Stimmt, der Unterschied ist nicht groß. Er ist enorm. Fahrbericht.

Porsche 911 GT3 Touring-Paket
Foto: Porsche

Womöglich bietet es sich an, mit der für manche unerwartetsten Information zu beginnen: Für das Touring-Paket des GT3 verlangt Porsche keinen Aufpreis. Und auch, wer statt des serienmäßigen Sechsgang-Schaltgetriebes lieber das Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe will, bekommt es kostenlos. Nur, warum sollte man das wollen bei diesem Elfer, der sich doch schon so erfolgreich des großen Heckflügels entledigt hat.

Nein, man kann nicht behaupten, mit dem Touring-Paket fehle dem Porsche 911 GT3 nichts Wesentlichen. Denn die kleinen Änderungen, vor allem eben der Verzicht auf diesen getösigen Schwanenhals-Heckflügel, ändern sein Wesen ganz erheblich. Weg vom Eigentlich-schon-ein-Rennwagen hin zu etwas, was man sehr gut als den derzeit, vielleicht aber auch absolut besten Elfer verstehen kann. Und das kommt so:

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Es beginnt, wie eigentlich alle großen Geschichten, mit dem größten Held der Geschichte. Im Fall des Porsche 911 ist das der Carrera 2.7 RS von 1972. Der ist 20 PS stärker als der normale 911 S, damit die Mehrleistung besser zum Tragen kommt, bekommt sie weniger zu tragen. Die Techniker rupfen alles raus, was der Wagen an Unnötigem mit sich herumträgt: Hintere Notsitze, Teppichboden, dick gepolsterte Sitze, Ablagekästen, Armlehnen, ja sogar die Zeituhr, die rechte Sonnenblende und den Innentürgriff. Den ersetzt eine Lederriemen, dazu gibt es dünneres Glas für die Fenster, dünneres Blech für die Karosserie. So kommen 100 Kilo Gewichtsersparnis zusammen. Und ein ziemlicher Berg an Teilen. Was Porsche mit denen macht? Na, wieder einbauen, aber gegen Aufpreis. Für 2.500 Euro gibt es unter der Bezeichnung M274 das Touring-Paket. Mit dem plüscht sich der RS fast wieder auf die kuschelige Innenraummöblierung des S empor. 1.306 der 1.580 RS-Kunden wählen den Touring, sie können auch die seitlichen Carrera-Schriftzüge abwählen, nicht aber den Bürzelspoiler, der muss dranbleiben.

1999 übernimmt die GT3 die Thronfolge der bis zum 993 fortgesetzten RD-Dynastie. Schon den 991.2, also den direkten Vorgänger des aktuellen Elfers, gibt es als Touring. Damals rollt noch eine kleine Welle der Empörung über Porsche hinweg, weil der GT3 Touring im Prinzip identisch, aber eben günstiger ist als der limitierte 911 . Der war ja schon ausverkauft, bevor man überhaupt Zeit hatte, sein Erscheinen gebührend zu bestaunen.

Abspecken durch viele Detailoptimierungen

Nun jedenfalls kommt auch der 992 GT3 als Touring, ebenfalls ohne den großen Heckflügel, wohl aber mit all der anderen Antriebs- und Fahrwerksfinesse des Sportmodells. Also boxert auch hier im Heck der grandiose Vierliter-Sechszylinder-Sauger seine 510 PS zusammen. Er ist nun über das Kurbelgehäuse fix mit der Karosserie verbunden, das spart die 3,5 Kilo für die aktiven Motorlager. Was zusammen mit der Leichtbau-Sportauspuffanlage (minus 10 kg) und vielen Detailoptimierungen (127 Gramm etwa durch andere Kolben) das Mehrgewicht für die Einzeldrosselklappen (fünf Kilo) und die Partikelfilter ausgleicht. Die übernehmen zudem die Aufgabe der Schalldämmung – wobei sie diesem Nebenjob nicht gerade mit übertriebenen Ambitionen betreiben. Serienmäßig verkuppelt Porsche den Motor mit dem knapp ganggestaffelten, überragend präzisen, manuellen Sechsergetriebe.

Porsche 911 GT3 (992), Exterieur
Hans-Dieter Seufert
Zum Vergleich: Beim GT3 ohne Touring-Paket drückt dieser Heckflügel das Heck in den Asphalt.

Beim Fahrwerk dagegen belassen es die Techniker nicht bei Detailoptimierung, das gibt es gleich einen Komplettumbau. Wie beim normalen GT3 bekommt nämlich auch der Touring eine neue Vorderachse. Statt der beim Elfer sonst seit immer schon verwendeten MacPherson-Federbeinen kümmert sich nun ein Doppelquerlenker-Layout um die Radführung. Neben der höheren Steifigkeit bringt das eben auch eine Trennung von Radführung und Federung/Dämpfung. Und weil sich die Doppelquerlenker-Konstruktion viel weniger verwindet, lässt sie sich exakter abstimmen, was noch mehr Präzision schafft. Und, ja tatsächlich, eine schnelle Lenkung ermöglicht. Die spricht nun so fix an, dass die Techniker auch die Ansprechkurve der Hinterachslenkung beschleunigen musste, damit sie bei vergrößertem maximalem Lenkwinkel (zwei statt 1,5 Grad) den Richtungsänderungen der Vorderräder noch rechtzeitig hinterherkommt.

Fünf Kilo übrigens bringt die neue Vorderachse an Zusatzgewicht. Jemand meint, deswegen ein paar Tränchen abdrücken zu müssen? Nee, dann besser zehn Tausender (10.007,90 Euro, um exakt zu sein), denn mit der Keramikbremsanlage spart man allein pro Rad rund sieben Kilo wieder ein an ungefederten Masse. Denn die gibt es wie praktische alle GT3-Extras auch für den Touring.

Unauffällig, aber nicht ohne Spektakel

Drunter und dazu also alles wie beim normalen 911 GT3, drüber die Silhouette des herkömmlichen Carrera – mit ein paar Änderungen: Schattierungen bei Leisten draußen oder Polstern drinnen, die gerade so auffällig sind, um jenen aufzufallen, denen sie eben auffallen sollen. Insgesamt zählt der Touring wohl zu den unauffälligeren Möglichkeiten, einen 510-PS-Sportwagen zu fahren.

Porsche 911 GT3 Touring-Paket
Porsche
Mit Touring-Paket tritt der GT3 optisch deutlich zurückhaltender auf.

Unauffällig, nicht unspektakulär, wohlgemerkt. Ein kleiner Schnipp am Zündungszipferl links vom Lenkrad, und der Vierliter faucht sich in einen heißeren Leerlauf. Beim Anfahren braucht er wegen des leichten Schwungrades einen kräftigeren Tapser Gas, doch dann öddelt er gemächlich durch die Stadt, wärmt derweil seine Trockensumpfschmierung durch. Dann auf die Autobahn, und solange du mit weniger als 4.000 Touren richtgeschwindigkeitest, fühlt sich der ganze Antrieb alert und kräftig, aber nicht so wirklich aufbrausend an. Na warte. Oder krümme nur deinen kleinen rechten Zeh, und wenn der Motor dann über die Viertausendermarke dreht, packt er dermaßen zu und dreht so entfesselt hoch. Die Software-Abteilung hat dem GT3 deswegen extra einen speziellen Schaltblitz ins Digitalinstrument einprogrammiert: In den unteren Gängen blendet er sich etwas früher ein, damit überhaupt genügend Reaktionszeit bleibt, um in den nächsten Gang zu schalten, bevor der Boxer bei 9.000/min sägekreischen in den Begrenzer einschlägt.

Mit dem Touring Paket kommt ein intensiveres Fahrgefühl

Klar, sowas passiert mit dem PDK natürlich nicht, zudem ist der Porsche 911 GT3 damit schneller, weil er noch eiliger schaltet und einen Gang mehr hat. Doch dieses ganze Noch-schneller-Unterwegssein, das überlässt der Touring dem flügelaufgetakelten GT3. Er ist fürs Noch-intensiver-Unterwegssein da.

Dabei war das Handling des Elfers noch nie so intensiv wie jetzt. Es ist ja nicht so, dass er bisher um Kurven herumgeeiert wäre. Aber das, was er nun mit der neuen Vorderachse anstellt, das ist enorm. Er fährt damit so viel präziser, du kannst jede Kurve in einem sauberen Zug durchfahren – einmal die Linie wählen, dann durchziehen. Er hat solche Mengen an Grip an der Vorderachse – hinten ja eh -, dass du immer entschlossener einlenken, immer fordernder und früher wieder aufs Gas gehen kannst, und er dennoch vorn nicht rutscht und hinten nicht zuckt. Noch nie fuhr sich ein 911 so enorm stabil und war dir dennoch so innig verbunden – über diese grandiose Lenkung, die dich jedes Asphaltkräuseln in den Fingerspitzen spüren lässt, wenn es wichtig ist. In dieser überragenden Exaktheit fühlt sich der GT3 schon bei Tempo 70 enorm dynamisch an.

Porsche 911 GT3 Touring-Paket
Rossen Gargolov
Das Handling des Elfers war noch nie so intensiv wie hier in diesem GT3.

Das liegt natürlich auch am Fahrwerks-Setup, wobei es schon gehobenere Tempo-Ambitionen einfordert, wenn es sich auch um Federungskomfort kümmern soll. Bei niedrigen Geschwindigkeiten rumpelt der 911 GT3 mit seinen 20-Zoll Rädern vorn und 21ern hinten harsch über Unebenheiten – erst recht im noch herberen Sport-Modus. In dem straffen auch Lenkung und Gasannahme ihre Kennlinien, dazu schaltet sich die automatischen Drehzahlanpassung bei Gangwechseln dazwischen. Tippst du über eine Direkttaste zum Sport-Modus noch die verträglichere Normal-Dämpfer-Kennlinie an, ergibt sich das so ziemlich perfekte Setup für muntere Landstraßenrunden.

Das perfekte Auto laut Walter Röhrl

Ach, den Track-Modus, den haben wir auch noch. Wobei sie den zusammen mit dem Flügel auch hätten weglassen können. Denn alles Rennstreckengerangel hat der Flügel-GT3 doch ohnehin besser drauf. Im Touring fährt man nicht im Vergleich zu anderen im Kreis, sondern für sich allein. Dazu empfehlen wir etwa den Kreis Saar-Trier, in dem Porsche diese Elfer-Version auch präsentiert – unter freundlicher und eiliger Anwesenheit von Walter Röhrl. Der war vor exakt 20 Jahren hier mit dem ersten Porsche 911 GT3 unterwegs, als Vorausfahrzeug der ersten WM-Rallye in Deutschland. Das sollte der Veranstaltung damals zu mehr Aufmerksamkeit verhelfen, rückblickend aber zu einem dieser legendenbildenden Momente werden. 14 Jahren nachdem er und Christian Geistdörfer zuletzt einen Rallye-WM-Lauf bestritten, dengelten sie gemeinsam über die weinbergumrankten Etappen – streckenweise sogar schneller als die turbowinselnden allradgetriebenen WRC-Rallye-WM-Autos.

Das kleine 20-jährige Jubiläum dazu nutzt Porsche als zeremoniellen Rahmen für den die Ausfahrt mit dem 911 GT3 Touring. Ganz vorn im Erstserien-GT3, fährt Walter Röhrl. Wie vermessen wäre es, anzunehmen, nur wegen der 150 PS mehr, die du mit dem GT3 hast, könntest du je etwas gegen diese Uneinholbarkeit machen, die sich Röhrl auch mit 74 noch bewahrt hat. Der Touring, meint er, sei das perfekte Auto, um auf einer Landstraße Fahrfreude zu haben. Und wer sind wir, ihm da zu widersprechen.#

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911 GT3 Typ 992

Fazit

Der GT3 Touring ist der derzeit grandioseste aller Elfer. Er gibt nur wenig seiner technischen Brillanz her – das PDK und diesen im Alltag eh ans Provozierende grenzende Heckflügelwerk -, aber dadurch ist er dir näher, fährt sich inniger und reiner als alle anderen modernen Elfer. Dass es der Elfer damit nach all den 58 Jahren seiner Gesamtbauzeit noch so draufhat. Dass er sich immer wieder gleich selbst zu erfinden und dich mitzureißen. Nun, wer hätte das erwartet?

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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

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