Porsche 718 Cayman GT4 ePerformance
Elektro-Rennwagen mit 1.000 PS, aber ohne ABS

Porsche erprobt mit dem 718 Cayman GT4 ePerformance die Technologiekomponenten des Mission R. Wir konnten den elektrisch betriebenen Rennwagen für einen Markenpokal auf dem Circuit Ricardo Tormo in Valencia ausprobieren. Mit umgerechnet bis zu 1.000 PS, aber ohne ABS ein mehr als eindrucksvolles Erlebnis.

GT4 ePerformance Test
Foto: Porsche AG / hoch zwei

Einen Kopfsprung, warum nicht? Wegen des Frühlingshaften Wetters in der Region Valencia? Nein. Es bleibt nur wenig Zeit auf der Start-Ziel-Geraden des Circuit Ricardo Tormo, die der Porsche GT4 ePerformance unter wüstem Geheule bereits in der 450 kW-Leistungsstufe ziemlich eindampft, also schnell einen Kopfsprung in die Mottenkiste des Motorsports. Die BMW-M1-Procar-Serie, wie war das noch gleich? Formel1-Fahrer, die sich vor ihrem eigentlichen Rennen in baugleichen Rennwagen beharkten, um den Zuschauern ihre Qualitäten als Lenkrad-Artisten zu beweisen – keine schlechte Idee.

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Womöglich auch für die Porsche-Motorsport-Truppe, die noch nicht so recht weiß, wohin mit ihrem Konzept eines elektrisch angetriebenen GT-Rennwagens. Der steckt in der verbreiterten Karosserie eines 718 Cayman GT4 Clubsport, dessen Nase nun Kurve eins entgegenhechtet. Nein, nicht vom oberen linken Drehknopf am Lenkrad irritieren lassen. Auch wenn der Einstellmöglichkeiten für das ABS vorgaukelt – der ePerformance hat keines. Das Lenkrad stammt aus dem 911 RSR. Der rechte untere Drehknopf dagegen funktioniert, drei Klicks, und der Wettbewerbs-Modus ist aktiv.

1,6 Tonnen purer Sport

Also jetzt bitte beherzt den rund 1,6 Tonnen schweren Porsche zusammenbremsen, aber eben mit so viel Gefühl, dass die Leuchtdioden links und rechts oberhalb des Kombiinstruments nicht lilafarben aufleuchten. Wenn dem so wäre: Stehende Räder, in weiterer Folge Rauch und womöglich eckige Michelins. Unschön. Es würde ohnehin eher aufleuchten bevor ich die blockierende Räder bemerken würde, also gleich die Bremse lösen, teilte die Boxencrew vor dem Start noch mit. Jetzt hocken die Buben vor sechs Monitoren und sehenjeden Fehler, den ich an Lenkrad und Pedalen begehe, in Echtzeit. Jetzt aber leuchtet nix. Viel Tempo mitnehmen, ein bisschen jenseits der 140 km/h, dann wieder aufs Fahrpedal, leichter Anstieg, den der GT4 ignoriert, unerbittlich beschleunigt.

GT4 ePerformance Test
Porsche AG / hoch zwei
700 kW können Spuren hinterlassen.

Kurve zwei, wieder Bremse, jetzt leuchtet’s lila, schon raucht’s, Bremse etwas lösen, schwupps, schon fährst du eineinhalb Meter neben der Ideallinie herum. Die Gefahr bei elektrischen Rennwagen: Das Einschätzen der Geschwindigkeit, die Adaption der Bremspunkte. Warum? Jene akustische Orientierungshilfe, die dir der Verbrennungsmotor-Antriebsstrang einhämmerte, fehlt. Dabei muss es noch nicht einmal das traditionelle Schalten und Kuppeln sein, mit dem sich die Procar-Recken profilierten.

Auf dem Sirr-Weg?

Nein, selbst automatisierte Getriebe moderner Tourenwagen geben eine entsprechende Rückmeldung, unterstützt davon, dass der Fahrer den Schaltvorgang mittels Zupfen an den Lenkradpaddels auslöst. Nichts davon da. Klang, ja, der schon. Voluminöses Sirren und Heulen, nicht künstlich, sondern echt, ziemlich okay sogar, aber eben linear mit der Geschwindigkeit. Und die Geschwindigkeit, die ist immer da. Sofort. Auch weil: Grip. Allradantrieb wegen der zwei Motoren, ultraschnelle und präzise Kraftverteilung an die fetten Slicks. Deshalb ein bisschen lupfen vor dem nächsten Linksknick, dann kurz Vollstrom, wieder auf die Bremse, ab in die enge Rechtskurve.

Natürlich fühlt sich der GT4 hier nicht leicht an, fährt dennoch bedrückend agil, drängt sich mit Wucht in die Ecken, wirkt gesetzt, stabil, sagt dir deutlich: Jetzt wieder aufs rechte Pedal! Geht schon! Und wie es geht. Damit es geht: Zwei Motoren sowie ein 82 kWh-Akku (netto: 65 kWh). Wobei "ein" Akku trifft es nicht ganz, denn der passt so nicht an jene Position, wo zuvor der Verbrennungsmotor steckte: In der Fahrzeugmitte.

GT4 ePerformance Test
Porsche AG / hoch zwei
Für das Projekt backt Michelin spezielle Reifen, angeblich besonders nachhaltig.

Also parken je 25 Prozent unter einer riesigen Carbon-Haube im Beifahrer-Fußraum und unter der Fronthaube. Übrigens: Es existiert ein zweiter Prototyp, der auf die beiden kleinere Akkupakete verzichtet. Wiegt rund 250 kg weniger. Wirkt nochmals lebendiger in den Kurven, schafft auf der Geraden aber nur 210 km/h, sonst ginge die Energie zu schnell flöten. Doch das nur nebenbei.

Jetzt: Modus neun

Ob es sich um eine völlig neue Batterie handelt? Nein, vielmehr um 52 Ah-Zellen des Typs NMC 622 VDA. Das Besondere: Die Ölkühlung. Sie senkt den thermischen Widerstand verglichen mit Porsches Vorzeige-Stromer Taycan von 1,8 Watt pro Kelvin auf unter 0,2 W/K. Dadurch erhöht sich die Leistungsdichte von 1.257 auf 1.707 W/kg – bei nahezu identischer Energiedichte von 216 zu 217 Wh/kg. Laden? Mit bis zu 350 kW.

Jedenfalls verträgt die Zelle hier im Vergleich zum Serienauto nicht nur rund 35 Grad Celsius, sondern gut das Doppelte. Sie muss ja auch nicht ganz so lange halten. Na, der GT4 ePerformance sollte schon halten. Dabei kommt das große Finale noch, du weißt es, während du den Porsche durchs Infield jonglierst. Kurve 13, ein Fiesling, kurz vor Start-Ziel. Eine ewige links, die langsam zu macht. Hier sofort den optimalen Bremspunkt zu finden entspräche einem Gewinn in der spanischen Weihnachtslotterie.

GT4 ePerformance Test
Porsche AG / hoch zwei
Timo Bernhard (r.) gibt letzte Tipps für eine sichere Fahrt.

Jetzt in die Box, kurzer Check. "Jetzt: Modus neun", lautet der Befehl über Funk. Heißt: Sechs weitere Klicks am rechten unteren Drehschalter in der Lenkradmitte. Modus neun setzt die 700 kW frei. Wieso nicht 800, von denen noch beim Mission R die Rede war? Gingen auch. Mit den Komponenten von der Hinterachse.

Mehrwert-Feuer

Doch deren Mehrgewicht könnte die Zusatz-Leistung nicht überkompensieren, dafür aber den Akku zu sehr belasten. Also: 700 kW. Oder in D-Mark: 952. Zu viel, dann bin ich mir schon in jenem Moment sicher, als der Porsche mit Pit-Limiter-begrenzten 60 km/h aus der Boxengasse rollt. Es wird warm. Aus zwei links und rechts des Instrumententrägers Schnorcheln bekomme ich Frischluft vor den Helm gepustet.

Überhaupt sitzt man hier recht komfortabel, einstellbare Schale, einstellbare Lenksäule, genug Platz unterm Dach auch für große Helme. Stopp, nicht abschweifen. 700 kW. Die Procar-Jungs hatten schon mit knapp der Hälfte der Leistung gut zu tun. Na gut. Augen zu und durch. Moment. Augen auf! Augen auf. Hoch in Richtung Kurve 2, über 200 km/h, Teufel noch eins. Bremsen, keine lila Lämpchen, bitte nicht. Alles passt. Einlenken. Runter, Linksknick, lupfen, na klar. Jeder Tritt aufs Fahrpedal: Jericho. Ohne Fanfaren. Nur die Wucht. Das Gefühl, als würde sich der Schalensitz gleich durch dich durchdrücken und du plumpst einfach mit dem Hintern auf den Asphalt, während der Porsche ungerührt weiter beschleunigt. Geht die Curva de la Afición (wie das klingt!) immer noch voll, so wie vorhin mit 450 kW? Womöglich. Kann ich mir aber nicht vorstellen.

GT4 ePerformance Test
Porsche AG / hoch zwei
Jede Menge Knöpfe, aber keiner, der Sinne des Fahrers neu kalbrieren könnte.

Aber wer weiß, denn bis eben konnte ich mir auch nicht vorstellen, dass dieser Flieger auch mit 700 kW Spaß bringt. Angst essen Seele auf, und so. Doch es passt, zumindest soweit, dass du dich an das Tempo gewöhnen willst. Denn. Der GT4 bleibt bei sich, übersteuert dann, wenn es zu erwarten ist, beim zu ungestümen Herausbeschleunigen beispielsweise, ein wenig durch die angetriebenen Vorderräder gesichert. Stichst du zu schnell in eine enge Kurve mit zu viel Lenkwinkel rein, schubbern die Vorderräder. Ebenso, wenn zu viel Gas… Strom… Qualm und zu viel Lenkwinkel anliegen. Leistungsuntersteuern, sozusagen – kurz: Bei zu hohem Maß an Dilettantismus. Dann spuckt Kurve 14 den Porsche über die Curbs ratternd auf die Start-Ziel-Gerade aus, kurz nach Beginn der neue Runde schreddert er in den Begrenzer bei zwohundertpaarundertsechzig. Bremsen, Schwung mitnehmen, komm schon, trau dich, da geht noch was. Es geht tatsächlich, nur eben nicht allzu lang. Die 700 kW-Stufe gilt als Qualifiying-Modus, für ein rund 30-minütiges Rennen müssen die 450 kW genügen. Vorerst.

Porsche gibt sich eh vorsichtig, will frühestens 2026 einen Markenpokal austragen. In welchem Rahmen? Schweigen. Vermutung: Formel 1. Die Procar-Ära wehrte übrigens nur zwei Jahre. Ferrari und Renault ließen ihre Fahrer nicht mitspielen, man baue schließlich selbst Straßen-Sportwagen. Vielleicht doch kein so gutes Vorbild. Also: Auftauchen aus der Mottenkiste des Motorsports. Zeit für Neues.

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Nein, die CO2-Einsparung ist nicht so hoch, dass es sich lohnenwürde, die Nachteile in der Praxis in Kauf zu nehmen.Ja, E-Autos brauchen weniger Energie, emittieren insgesamt weniger CO2 und das Thema Reichweite erledigt sich wegen zunehmender Energiedichten und Ladegeschwindigkeiten der Akkus.

Fazit

Die Politik fordert Elektromobilität für alle. Ob sie dabei wohl auch den Motorsport meinte? Egal. Mit Rennwagen wie dem GT4 ePerformance könnte es jedenfalls sehr lustig werden, gerade wegen der irren Leistung. Und für alle Traditionalisten: Im Motorsport ist es wie im Straßenverkehr – bis die E-Technik den Verbrenner verdrängt, dauert es noch. Lange.

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Erscheinungsdatum 08.05.2024

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