Ruf Bergmeister
Es war einmal: ein Porsche 993 Cabrio

Ein Auto-Enthusiast findet, dass es an der Zeit sei, die Idee des Porsche 909 Bergspyder in die Gegenwart zu beamen, und beauftragt die Spezialisten von Ruf damit. Das Ergebnis: der Bergmeister, rund 1.100 kg leicht, 450 PS stark – und bereit für einen Ausflug zur Bergrennstrecke am Jochpass.

RUF Bergmeister
Foto: Hans-Dieter Seufert

Einfach Gewicht raus und Leistung rein muss nicht zwangsläufig eine Formel sein, die das daraus entstehende Produkt wirklich verbessert – vor allem, wenn sich dessen in der Vergangenheit fußendes Wirkprinzip bewährt hat.

Eine Siebträger-Kaffeemaschine aus Carbon mit leistungsfähigerem Kessel? Mag emotional zünden, doch der Kaffee daraus … tja nun. Eine Poetry-Slam-Fassung von Goethes "Die Leiden des jungen Werther" wiederum, ach, warum nicht? Weniger Umfang, mit Verve vorgetragen – und schwups, ergibt sich frisches Kultur-Erlebnis. Könnte, zumindest. Und während du gedankenversunken das stehende Gaspedal Richtung Bodenblech schickst, dich freust, dass dir bei Landstraßentempo die Wohlstands-Gesichtswangen noch nicht im Fahrtwind lautstark applaudieren, passiert die Nadel des zentralen Drehzahlmessers die 3.800/min-Marke.

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Für eine Handvoll boller

Was soll schon passieren? Da sich das einfach aufgeladene Boxer-Triebwerk bereits ab Leerlauf ausgesprochen breitschultrig anfühlt, geradezu beiläufig mit dem in Carbon gekleideten Rest eines Porsche 911 Cabrio der Baureihe 993 jongliert, kann ja nicht mehr viel kooommmeeeeeeeen! Ach du liebe Zeit! Lenkrad fester umgreifen, jede Faser des Rauleders plätten, ein bisschen tiefer in den einteiligen Ruf-eigenen Schalensitz rutschen (nennen die Allgäuer Porsche-Spezialisten "Lollipop" wegen seiner etwas eigentümlich geformten Kopfstützen). Im Heck bekommt das nach Small-Block-Motor klingende, satte Bollern nicht nur eine bedrohlich fauchende Note. Vielmehr wirkt es so, als sei ein ausgewachsener Braunbär auf den Heckdeckel (unter dem sich kein Verdeck, womöglich bald aber Platz für zwei Helme befindet) gesprungen und brülle dir nun direkt ins linke Ohr.

Dann wäre da noch: ein maximales Drehmoment von 600 Nm bei 4.500/min – weitere Fragen? Selbst wenn, keine Zeit dafür. Schließlich durchtrennt der Ruf Bergmeister gerade die Allgäuer Herbstluft wie ein Eishockey-Puck, abgefeuert von einem Weltklasse-Spieler. Wo auch immer die Naivität herkam, dass just ebendies nicht passieren könne? Keine Ahnung. Womöglich aus demselben Kämmerchen wie jene, die glauben machte, dass die Lektüre des Werther prickelnd sein werde. Egal, lange her.

Noch länger her: die Geburtsstunde des Porsche 909 Bergspyder. In Kurzform: Es galt, sich in der europäischen Bergmeisterschaft für das Jahr 1968 gegen einen neuen Ferrari zu wappnen, zumal der bis dato eingesetzte 910 als schwierig zu fahren galt. Die Eckdaten des 909: 430 kg, Zweiliter-Achtzylinder-Boxermotor mit 275 PS, Fünfganggetriebe. Warum haben die damals nicht gleich ein Tretauto als Basis genommen und den Motor dem Fahrer zwischen die Oberschenkel geschraubt? Wie abstrus muss das gefahren sein! Und wie wahnsinnig das hier heute fährt! Leiden? Keine Spur! Höchstens dass es sich kaum einer leisten kann, selbst wenn Ruf in Absprache mit Kunde Nummer eins doch noch eine Kleinstserie auflegt. Dann allerdings auf dem hauseigenen Carbon-Monocoque aufbauend. Spart vielleicht noch ein paar Pfunde. Vierter Gang, weiter. Brüllend weiter. Immer weiter. Das Windschutzscheiben-Fragment hält doch bemerkenswert viel Gegendruck vom Gesicht fern; es tost natürlich dennoch immens, doch du kannst dich auf das Fahren konzentrieren.

Sturm und Klang

Bis etwa 270 km/h sei der Wagen übersetzt, sagt Entwicklungsleiter Hans Kerler später, generell sehr kurz, auch um die Zeit zu überbrücken, die der Turbolader für den Druckaufbau benötigt. Abgesehen davon: Bei mehr als 270 km/h reißt dir womöglich doch der Fahrtwind den Kopf von den Schultern. Und den Bergmeister nur zu Halloween aus der Garage holen? Es wäre ein Jammer. Kerler jedenfalls arbeitet seit 45 Jahren bei Ruf, durfte schon zig Kundenwünsche materialisieren, daher schockte ihn dieser hier nicht. Wobei es schon eine Weile gedauert hat, den Außenspiegel aufzutreiben. "Das ist ein original Talbot-Spiegel, den wir ein wenig modifiziert haben", erklärt Kerler. Wobei du dich natürlich fragst, was da von hinten kommen soll. Gut, die Zulassungsbehörde vielleicht. Jedenfalls zittert oder vibriert das hübsche Accessoire nicht, lässt sich leicht einstellen.

Wie überhaupt dieses Einzelstück einfach funktioniert, ein Porsche wie du und ich sozusagen. Selbst nerviges Wenden für die Fotofahrten, immer wieder anfahren – alles kein Problem. So rauschen milde Herbstluft, Bewunderung und Begeisterung zu gleichen Teilen durch das Cockpit, als der Ruf die eine oder andere Kurve der ehemaligen Bergrennstrecke am Jochpass mehrfach nimmt. Insgesamt verteilen sich 105 davon auf 6,4 Kilometer Länge bei einem Höhenunterschied von 400 Metern zwischen Bad Hindelang und Oberjoch. 1923 fand das erste Rennen statt, 1989 das letzte, doch mittlerweile treffen sich Fans jedes Jahr zu einer Memorial-Veranstaltung, die als Gleichmäßigkeitsprüfung läuft. Wobei zahlreiche schwarze Striche auf der Fahrbahn andeuten, dass der eine oder andere Fahrer doch versucht, an den Geschwindigkeitsrekord von über 107 km/h im Durchschnitt heranzukommen. Ob das im Bergmeister ginge? Durchaus vorstellbar, jedoch nicht heute, nicht jetzt. Stattdessen: Genuss, leicht tänzelnd auf einem abstrus hoch liegenden schmalen Grat zwischen Mäßigung und Maßlosigkeit. Ein wenig zu viel Gas bei zu viel Lenkwinkel, hm, was dann wohl passiert?

RUF Bergmeister
Hans-Dieter Seufert
Knapp 270 km/h oben ohne? Mit dem Ruf Bergmeister kein Problem.

Schnell diesen Gedanken über die Brüstung der grifflosen Türen schubsen, dem schweren Atmen des Turbomotors lauschen, die hohen Querkräfte auf sich wirken lassen, die der Bergmeister in jeder Kurve auftürmt und gegen die sich die unnachgiebigen Sitzwangen tapfer stemmen. Natürlich lässt der Ruf nie irgendeinen Zweifel daran, ein sehr offenes, sehr elementares Auto zu sein, doch er lässt dir immer ausreichend Spielraum für deine Arbeit: das Fahren mit allen Sinnen. Ja, selbst das Visuelle muss sich nicht völlig dem Purismus unterordnen. Karges, unverkleidetes Cockpit? Nein. Penibel eingerichtet, vor allem mit Rauleder, dazu ein als solches erkennbares Armaturenbrett sowie ein Mittelkonsolen-Fragment. Daraus ragt ein nicht allzu kurzer Schalthebel, der will nun wieder bedient werden. Zurück vom Dritten in den Zweiten, mit nutzlosem, aber effektvollem Zwischengas garniert, einfach weil die Pedale so günstig stehen. Jetzt wieder Tempo aufnehmen, die Neutralität der Fahrwerksabstimmung fordern, die wüste Leistungsentfaltung abfangen. Turbo-Wumms? Hier ist er. Wie gesagt: ab 3.800.

The Ruf is on fire

Rafael Riethmüller verantwortet bei Ruf die Fahrdynamik, weiß natürlich aber auch mehr über das Triebwerk: "Im Prinzip ist das ein bewährtes Aggregat, das Ruf erstmals 1993 für den BTR2 entwickelt hat. Wir verwenden einen KKK-Lader, heute Borg Warner, mit 1,1 bar Druck." Kerler ergänzt: "Der Ladeluftkühler sitzt unter dem linken Kotflügel, da er unter unserem Heckdeckel keinen Platz mehr hätte. Außerdem sieht man so den Motor besser."

Gut, aus dem Cockpit jetzt gerade nicht, dafür den Gaishorn, dahinter den Hochvogel. Herrlich. Wer auch immer was auch immer mit Goethes Werther anstellt, folgendes Zitat muss drinbleiben: "Die Stadt selbst ist unangenehm, dagegen ringsumher eine unaussprechliche Schönheit der Natur." Inklusive des Braunbären, der jedes Mal bei 3.800 Umdrehungen auf den Heckdeckel springt und dir ins Ohr brüllt.

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