Seat Ibiza 1.5 GLX
007 im Fahrbericht

Der Ibiza war gerade ein Jahr alt, da gründete Seat schon seine Motorsportabteilung und schickte den Kleinen ins Rennen. 30 Jahre ist das nun her. Wir spürten dieser Zeit nach auf den Pisten der Rallye Costa Brava.

Seat Ibiza 1.5 GLX, Frontansicht
Foto: Hardy Mutschler

Der Wespenschwarm schwirrt zornig aus dem dünnen Auspuffrohr und dann herrlich schrill ums Heck, arbeitet sich nun beim Abtouren allmählich vor und nistet sich hinterm Armaturenbrett ein. Das schwingt jetzt rappelig tieffrequent, anderswo dröhnt es. Welche Geräusche so der Seat Ibiza machen kann bei 3.000 Umdrehungen im Schubbetrieb in den Bergen oberhalb von Tossa de Mar! Dort sind wir vorhin nach einem schnellen Kaffee in den Seat Ibiza geklettert, haben uns mit den Vierpunktgurten in die engen Sparco-Sitzschalen getackert und geben dem silbernen Zweitürer ein wenig die Sporen.

Unser Auto, der Seat Ibiza, ist ein ganz frühes Exemplar, davon künden die sehr eigenwilligen Bedienelemente ums kleine Lenkrad: Druckschalter, Wippen und Schieber wie aus den besten (also alltagsfremden) Citroën-Jahren und folgerichtig schon 1986 ausgemustert, als VW bei Seat einstieg. Nein: Es purzelte wohl am allerersten Produktionstag, dem 27. April 1984, vom Band. Das lässt die Fahrgestellnummer vermuten, denn die endet auf 007. Schnelles Fahren ist also Pflicht, auch wenn es kein Aston Martin ist.

007 mit Monster-BH

Seat habe 007 sofort als Presse-Testwagen abgezweigt, erklärt Isidre Lopez, Leiter der historischen Seat-Sammlung. Die 1985 gegründete Rennsportabteilung widmete sich dem Aufbau zweier Ibiza-Rennwagen für Rundstrecke und Rallye und dem Ibiza Bimotor, der mit 280 PS aus zwei Motoren gehörig Staub aufwirbelte. Unser Auto, der Seat Ibiza, baute die historische Abteilung irgendwann milde nach Gruppe-N-Vorgaben zum Renntierchen auf, mit der üblichen Zusatzscheinwerfer-Folklore, gestrafftem Fahrwerk und gekürzter Lenkung. Seit einigen Jahren wird es öfter mal für historische Rallyes und Klassikerausfahrten eingesetzt.

Zuletzt war 007 bei der Gran Canaria Historic Rallye am Start, davor bei der historischen Rallye Costa Brava. Nicht in den oberen Klassen, wo Monster wie Porsche 911, Lancia Rallye 037 oder BMW M3 durch die Berge raballern. Sondern in einer eigenen Gleichmäßigkeitswertung für historische Autos, die nicht von Natur aus als Rennwagen gelten. Trip-Timer, Feuerlöscher und nicht zuletzt der textile Monster-BH zur Aufnahme der Schutzhelme, der voluminös über der Rücksitzbank baumelt und den Blick in den kleinen Rückspiegel überflüssig macht, künden von diesen Einsätzen.

Mit dem Seat Ibiza rauf in die Berge

Auf der Straße, die von Tossa direkt nach San Feliu führt, dem Zielpunkt der ersten Costa-Brava-Etappe 2014, ist zu viel los. Wohnmobile trödeln rum, Radler zeigen ihre muskulösen Waden, und immer wieder Polizei. Die hätte sicher unangenehme Fragen in petto, wenn ein mit Startnummern beklebter Seat Ibiza mit Licht aus allen sechs Töpfen mehrfach wie angestochen um die Kurven flöge.

Also irgendwo links abgebogen Richtung Berge. Das Sträßchen empfängt uns mit grimmigen Steigungen und tollem Blick aufs Meer. Zweiter Gang im Seat Ibiza, Gas. Der 1,5-Liter, den Porsche in Weissach entwickelt hat, hängt willig am Gas und klingt so herrlich schmutzig und unbeschwert, wie es nur Vergasermotoren können. Der 32er-Weber röchelt ein wenig und faucht, hinten sirren und surren die Wespen wie bei einem Alfasud. Dritter Gang, lange bevor die Nadel des Drehzahlmessers den grünen Warnbereich entert. Der lange Schalthebel mag sich klebrig-lakritzig anfassen (ja ja, die Materialqualität bemängelten die Kollegen schon 1984 im ersten Test) und unpräzise geführt wirken. Doch bei engagierter Fahrt flutschen die Gänge exakt und flüssig rein. Wieder dieses gepresste Posaunen von hinten, dann ist die 150-Grad-Kurve da. Runterschalten mit Zwischengas – wroaam – und mal richtig am Lenkrad gedreht.

Servolenkung war ja damals noch was für teure, größere Autos. In den kleinen Kisten war Muskelschmalz gefragt, vor allem beim Rangieren. Wegen der schmalen Dachpfosten ist die Übersicht sehr gut, zentimetergenaues Fahren geht perfekt. Das kurveninnere Vorderrad hakt sich an der Fahrbahnkante ein, der Rest schmirgelt locker hinterher, während der trötende Motor milde am Lenkrad zerrt. Am Kurvenausgang ein wenig Wheelspin − hossa, da geht was! Lenkung des Seat Ibizas gerade stellen, Pedal to the Metal und wieder vorwärts.

Der Rhythmus kommt bald, alles geht flüssig. Das Schöne daran: Der Seat Ibiza zerrt dich nicht ins Verderben, treibt dich nicht in Regionen, wo Führerscheinentzug droht. Und es wirkt auch nicht gelangweilt, wie es so bei größeren Kalibern der Fall wäre, wenn du gesetzeskonform unterwegs bist. Du arbeitest und rackerst, wringst den trotz Porsche-Mithilfe nicht wirklich drehfreudigen Motor aus, gibst alles, fühlst dich mächtig schnell in Sichtweite zum absoluten Limit − und der Tacho im mit großzügigsten Spaltmaßen ins Auto gepressten Hartplastik-Cockpit zeigt irgendwas zwischen 60 und 90 km/h.

Im Seat Ibiza ist ein sauberer Fahrstil gefragt

Das Fahren ist wieder ursprünglich und lehrt Demut vor den Gesetzen der Fahrphysik. Scharf bremsen und gleichzeitig scharf einlenken in Bergabkurven? Keine gute Idee, wird mit Untersteuern Richtung Leitplanke und/oder Abgrund bestraft. Erschrockene Gaslupfer bei hoher Drehzahl? Bitte nur, wenn das Heck wirklich mitlenken soll. Stumpf auf die Bremse latschen? Tu es nicht, denn da ist kein ABS oder gar ESP. Ein sauberer Fahrstil ist gefragt beim Auf und Ab durch die Berge, wo immer auch mal ein Schotterweg lockt, dem Seat Ibiza Sand unter seine gripstarken 14-Zoll-Yokohamas zu schütten. Wenn dann der Staub in der Luft steht und die Kiste stößt und schüttelt, ist die Illusion perfekt: Ich hätte Rallye-Profi werden können. Erfolgreich.

Nach einigen zu kurzen Stunden sind die Arme etwas schwer, und eine Filmfigur von Woody Allen fällt uns ein. Die sagte nach einer offenbar sehr schönen Liebesnacht: "Selten so viel Spaß gehabt ohne zu lachen." Gelacht haben wir auch nicht, aber ziemlich oft ziemlich glücklich gelächelt.

Rallye Costa Brava

Die Rallye Costa Brava ist ein Lauf zur FIA-Europameisterschaft für historische Rallye-Autos. 2014 gingen an der Costa Brava 214 Autos an den Start und spulten an zwei Tagen 554 km mit elf Sonderprüfungen ab. Weitere Rennen finden u. a. in Tschechien, Italien, Finnland, Griechenland, Irland und Ungarn statt – ein Tipp für den Urlaub.

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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

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