VW Scirocco R im Fahrbericht
Tob-Suchts-Anfall mit dem 265 PS-Scirocco

VW präsentiert mit dem VW Scirocco R die bislang stärkste Version des sportlichen Dreitürers. Wir konnten den 265 PS starken Wolfsburger in den französischen Seealpen erstmals ausführen und verspürten die Sucht am Toben durch die Serpentinen.

VW Scirocco R
Foto: VW

Der Wüstenwind tobt durch die Seealpen. Es ist ein besonderes Naturschauspiel, denn normalerweise weht der Scirocco eher im Sommer von der Sahara Richtung Mittelmeer und schafft es nicht bis an die Côte d’Azur. Doch dieser hier ist anders. Er trägt ein R im Namen, das ihm zusätzliche Kraft verleiht. Der VW Scirocco R kommt mit der Kraft von 265 PS und der Wucht von 350 Newtonmeter dahergeweht.

Eine elektronische Quersperre sorgt im VW Scirocco R für Traktion

Verantwortlich für die Potenzsteigerung ist der bekannte Zweiliter-TSI aus dem VW-Regal, der von einem Abgasturbolader unter Druck gesetzt wird. Ein Novum, denn bislang waren die Volkswagen R-Modelle mit Sechszylinder-Motoren unterwegs. Im neuesten Mitglied der Sportler-Familie, das ab 33.475 Euro in der Preisliste steht, hält im Zuge des Downsizing ein Vierzylinder Einzug. Den Sportsgeist des VW Scirocco R engt dies jedoch in keinster Weise ein. Im Gegenteil.

Es ist Anfang Dezember, die Straßen rund um den legendären Col de Turini sind triefnass. In den Höhenlagen sammelt sich dichter Nebel – Hundewetter. Schlechte Voraussetzungen also für den serpentinenreichen Ausritt mit einem derart potenten Fronttriebler. Doch der VW Scirocco (der VW Scirocco im Vergleichstest ) belehrt seinen Piloten schnell eines Besseren. Hauptverantwortlich für das überraschend hohe Traktionsniveau des Fronttrieblers ist das elektronische Vorderachs-Quersperrdifferential XDS, welches seit Kurzem auch im VW Golf GTI zum Einsatz kommt. Es verhindert durchdrehende Vorderräder über gezielte Bremseingriffe, wenn die 265 Pferde unter der Motorhaube wild mit den Hufen scharren, der Dompteur am Lenkrad deren Wunsch nach zügigem Galopp nachgibt und dabei das nötige Feingefühl im rechten Fuß vermissen lässt. Denn angesichts des guten Ansprechverhaltens des Zweiliter-TSI kann man am Steuer des Volkswagens schon mal die Contenance verlieren.

Unsere Highlights

Der Scirocco R soll die Nordschleife in 8.30 Minuten umrunden

Der Turbomotor schiebt gleichmäßig an und stellt zwischen 2.500 und 5.000 Touren 350 Nm bereit. Das gute alte Turboloch kennt er nur vom Hörensagen. In der von uns gefahrenen Version mit manuellem Sechsgang-Getriebe soll der bislang stärkste VW Scirocco den Standardsprint auf Tempo 100 in glatten sechs Sekunden erledigen. Mit dem optionalen DSG-Getriebe (1.875 Euro) soll diese Übung gar in 5,8 Sekunden vonstatten gehen. Die Höchstgeschwindigkeit ist elektronisch auf 250 km/h begrenzt. Dabei ist der Sound, den der Vierzylinder aus den beiden üppigen Endrohren entlässt, durchaus Gänsehaut-tauglich. Für Gänsehaut soll der VW Scirocco R auch auf der Rennstrecke sorgen. Nach Aussage von VW soll er die Nordschleife des Nürburgrings in rund 8.30 Minuten umrunden.

Der VW Scirocco setzt seine Kraft in Vortrieb um

Die Leistungsfähigkeit des elektronischen Sperrdifferentials stellt der VW Scirocco R schon beim Ansturm zum Col de Vence eindrucksvoll unter Beweis. Trotz widriger Bedingungen setzt der Volkswagen die Kraft gekonnt in Vortrieb um, ohne dass harte Bremseingriffe den Fahrspaß trüben. Doch die Physik kann auch das XDS nicht überlisten. Allzu jovialen Leistungseinsatz auf nasser Fahrbahn quittieren die auf dem Testwagen montierten 19-Zöller an der Vorderachse mit vernehmlichem Schlupf, bevor die elektronische Sperre erneut zur Tat schreitet. Dabei sind die Einflüsse auf die Lenkung erfreulich gering.

Letztere dürfte im VW Scirocco R ruhig noch etwas direkter zu Werke gehen. Die Ingenieure von Volkswagen Individual behielten die Lenkübersetzung im Vergleich zu den zahmeren Versionen bei, sorgten jedoch um die Mittellage für eine etwas bessere Rückmeldung. Leider konnten sie der massiven A-Säule nicht zu Leibe rücken. Diese schränkt gerade in engen Kurven das Sichtfeld des Fahrers ein und erschwert so die Blickführung. Eingeschränkt ist überdies die Kopffreiheit im Fond des VW Scirocco. Personen über 1,75 Meter stoßen hier an die konzeptionsbedingten Grenzen, sprich an den Dachhimmel.

Sein adaptives Fahrwerk macht den Scirocco R zum Allrounder

Dafür gefällt die im Testwagen verbaute, optionale adaptive Fahrwerksregelung DCC (945 Euro) auch in Kombination mit den montierten 19-Zöllern mit einer gelungenen Mischung aus sportlicher Härte und guten Abrollkomfort. Selbst im Sportmodus weiß der Wirbelwind Querfugen gekonnt zu parieren und bietet ein ausreichendes Maß an Restkomfort. Im Innenraum hebt sich der VW Scirocco R durch diverse Applikationen und die blau illuminierten Zeiger von seinen schwächeren Brüdern ab. Die serienmäßigen Sportsitze bieten auch auf längeren Strecken guten Komfort, der Seitenhalt ist ausreichend. Auch der Karosserie verpasste Volkswagen Individual eine betont sportliche Note.

Damit der VW Scirocco R nicht nur mit hoher Fahrdynamik brilliert, sondern auch als sparsamer Begleiter im Alltag reüssieren kann, spendiert VW ihm serienmäßig eine Schaltpunktanzeige. Wer sich strikt an deren Marschroute hält, soll mit durchschnittlich 8,1 Litern Super auf 100 Kilometern auskommen (DSG: 8,0 Liter). Nach unserer Hatz durch die Seealpen stand auf dem Bordcomputer am Ende allerdings eine 14 vor dem Komma – schließlich musste der Wüstenwind auch heftig toben.

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Nimmt den Wolfsburgern den Wind aus den Segeln
Technische Daten
VW Scirocco R R
Grundpreis37.800 €
Außenmaße4248 x 1820 x 1394 mm
Kofferraumvolumen312 bis 1006 l
Hubraum / Motor1984 cm³ / 4-Zylinder
Leistung195 kW / 265 PS bei 6000 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h
Verbrauch8,0 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024

Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten