Rennanalyse GP Abu Dhabi 2023
Perez-Strafe hilft Mercedes gegen Ferrari

GP Abu Dhabi 2023

Max Verstappen drückte auch dem Saisonfinale seinen Stempel auf. Ferrari besiegte Mercedes auf der Strecke, nicht aber in der WM. Entscheidend war eine fragwürdige Strafe gegen Sergio Perez.

Norris - Perez - GP Abu Dhabi 2023
Foto: Wilhelm

Red Bull feierte im Saisonfinale den 21. Saisonsieg. Max Verstappen thronte mal wieder über allen. Mercedes freute sich über den zweiten WM-Platz, auch wenn Teamchef Toto Wolff festhielt, dass weder Ferrari noch seine Mannschaft glücklich sein können. In unserer Analyse gehen wir auf die Fragen rund um den GP Abu Dhabi ein.

Hätte Charles Leclerc mehr unternehmen können?

Mercedes und Ferrari lieferten sich ein Fotofinish um den zweiten Platz. Die Scuderia erzielte im Saisonfinale einen Punkt mehr. Letztendlich hielt aber Mercedes um drei Punkte die Oberhand. Das Zünglein an der Waage spielte Sergio Perez, der in den letzten Runden mit einer Hypothek von fünf Strafsekunden die beiden vor sich her trieb.

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Die Aufholjagd initiierte der Mexikaner nach seinem letzten Boxenstopp in Runde 42. Zu diesem Zeitpunkt lag er 9,5 Sekunden hinter Charles Leclerc und 6,3 Sekunden hinter George Russell. "Sergio blieb lange Zeit unter dem Radar", schilderte Mercedes-Teamchef Toto Wolff. Dann tauchte er mit Riesenschritten dank der frischeren Reifen auf. An Russell ging er in Runde 54 vorbei. Danach reifte bei Ferrari ein Plan, wie man Mercedes vielleicht doch noch vom zweiten WM-Platz stoßen könne. Dazu musste Perez fünf Sekunden zu Russell herausfahren. Leclerc wollte ihm dabei helfen.

Der Monegasse ließ den Red-Bull-Fahrer absichtlich herankommen. "Ich wollte ihm Windschatten und DRS geben, damit er Zeit auf Russell gewinnt", schildert Leclerc. In der letzten Runde ließ er Perez sogar vorbei. Das war der Moment, als Mercedes zitterte. "Ich dachte, Charles würde mich einbremsen", sprach Russell später in die Mikrofone. Der letzte Streckenabschnitt mit acht Kurven ist prädestiniert dafür. Perez machte es schließlich im WM-Finale 2021 gegen Lewis Hamilton vor.

Leclerc verzichtete, es ihm nachzumachen. Dadurch konnte Perez die fünf notwendigen Sekunden nicht herausfahren. Hätte er das, hätte Mercedes drei Zähler weniger gemacht, und Ferrari wäre dank des besseren Einzelergebnisses (Singapur-Sieg) Zweiter geworden. "Respekt an Charles, dass er es sauber gehalten hat", lobte Russell. Sein Chef war voll des Lobes für den Gegner. "Charles hätte die Handbremse ziehen können, tat es aber nicht. Das zeigt, dass er ein großer Sportsmann ist. Zwei Weltmarken haben sich mit Respekt duelliert."

Sein Konterpart bei Ferrari, Frédéric Vasseur, meinte: "Blockaden sind nicht unser Stil. Und es wäre obendrein ein sehr gefährliches Spiel gewesen." Immerhin demonstrierte seine Mannschaft in Abu Dhabi einmal mehr, dass man die Schwächen des Autos besser eingrenzen kann und die Reifenabnutzung deutlich reduziert hat.

Norris - Perez - GP Abu Dhabi 2023
Wilhelm

Erst im zweiten Anlauf kam Sergio Perez sauber an Lando Norris vorbei.

War die Strafe gegen Sergio Perez gerechtfertigt?

Sergio Perez fühlte sich verschaukelt. Der 33-Jährige kommentierte die Fünfsekunden-Strafe gegen ihn mit bissigem Unterton. Er bezeichnete die Stewards am Funk als Witzfiguren. Die empfanden das als Beleidigung und leiteten eine Untersuchung ein. Perez entschuldigte sich – und die Schiedsrichter hatten ein Einsehen, dass so etwas in der Hitze des Gefechts schon mal passieren könne.

Der Aufreger ereignete sich in der 47. Rennrunde. Da rempelte Perez Lando Norris in Kurve sechs von der Strecke. Kein harter Kontakt, eher ein leichter Kuss. Für die Sportkommissare war der Fall eindeutig. Perez habe eine späte Attacke gerieten und sei untersteuernd Richtung Kurvenaußenseite gerutscht. Dort traf er Norris. Der McLaren-Pilot erzählte, dass er sich überhaupt nicht wehrte. "Ich wollte ihn vorbeilassen. Ich lag vier Fahrzeugbreiten neben der Ideallinie und er hat mich trotzdem getroffen. Keine Ahnung, wie er das geschafft hat."

Im Fahrerlager herrschte überwiegend die Meinung, dass es ein Rennzwischenfall war, den man nicht hätte bestrafen müssen. So sah es auch Red Bulls Sportchef Helmut Marko. "Wir wollen uns gar nicht weiter damit aufhalten, sondern unsere herausragende Saison ausklingen lassen."

Start - GP Abu Dhabi 2023 - Rennen
Wilhelm

Max Verstappen behauptete sich in der Startrunde gegen Charles Leclerc.

Wie schaffte Red Bull die Wende?

In den Trainings suchte Red Bull vergebens die passende Abstimmung. Der RB19 war launisch und wechselte zwischen Unter- und Übersteuern. Der Durchbruch gelang erst zur Qualifikation mit mechanischen Kniffen und Anpassungen bei den Fahrern. Max Verstappen bestätigte es mit Pole Position. Der Meister bekam die sensiblen Reifen in den Griff. "Für das Rennen waren wir 100 Prozent sicher, dass Max gewinnen würde", berichtete Marko. "Perez hat unser Strategie-Tool auf Platz drei gesehen. Und dort wäre er ohne Strafe auch gelandet."

Fast hätte Verstappen in der Startrunde die Spitze gegen Leclerc verloren. Er hielt sich vor der roten Rakete auf den langen Geraden. Danach musste der Weltmeister die Mediumreifen streicheln. Das rechte Vorderrad war am heikelsten. Der Reifenabbau fiel etwas höher aus als angenommen, weil das Tempo hoch war. Deshalb fiel die Entscheidung im ersten Stint pro Zweistopp-Strategie aus. Mit dem Wechsel auf hart in Runde 16 kam Red Bull einem Undercut von Ferrari zuvor.

Auf den harten Reifen dominierte Verstappen. Er war im Schnitt mindestens drei Zehntel pro Runde schneller als die Verfolger. Und er konnte nachlegen, als er gebeten wurde. "Wir wollten auf Nummer sichergehen, falls wir zehn Strafsekunden kassieren. Max hat sofort eine Schippe draufgelegt", sagte Marko.

Lewis Hamilton - Mercedes - GP Abu Dhabi 2023
xpb

Offene Visiere? Die Sportkommissare untersuchten im Nachgang die Boxenstopps aller Teams.

Warum gab es eine Untersuchung gegen alle Teams?

Nicht nur Verstappen saß auf der Anklagebank. Die Stewards bestellten nach dem Rennen alle Teammanager ein. Das ergab ein herrliches Foto fürs Saisonalbum. Die Sportdirektoren mussten sich verantworten, warum bei den Reifenwechseln nicht alle Mechaniker ordnungsgemäß die Schutzvisiere heruntergeklappt hatten. Die Pitstop-Marshalls hatten gepetzt.

Das Treffen dauerte etwa 15 Minuten. Die Sportkommissare beließen es dabei, den Teams auf die Finger zu klopfen. Erstens, weil man anhand der Videos in der Boxenstraße nicht einwandfrei nachweisen konnte, ob ein Visier offen war. Speziell bei McLaren ist das schwer, weil die Mechaniker Jet-Helme und keine Integral-Helme tragen. Zweitens, weil nicht ersichtlich war, ob die Mechaniker darunter eine Brille für den Schutz der Augen trugen.

Yuki Tsunoda - Alpha Tauri - GP Abu Dhabi 2023 - Rennen
Motorsport Images

Alpha Tauri verpasste es im Finale, Williams noch vom siebten WM-Platz zu stoßen.

Warum stoppte Yuki Tsunoda nur einmal?

Der Alpha Tauri ist dank zahlreicher Upgrades ein richtig gutes Rennauto geworden. "Sie sind der Star in langsamen Kurven", attestiert McLaren-Teamchef Andrea Stella. Mit dem Formhoch zum Saisonfinale war sogar noch der siebte WM-Platz in Reichweite. Doch das Team aus Faenza machte nur vier Punkte auf Williams gut. Gebraucht hätte man noch vier weitere.

Teamchef Franz Tost war nach seinem letzten Rennen bedient. "Ich bin stocksauer, weil wir zu blöd waren, eine richtige Strategie zu wählen. Ich habe gleich erkannt, dass es sich mit einem Stopp nicht ausgeht." Tsunoda wurde als einziger Fahrer in den Top 10 auf nur einen Reifentausch gesetzt. Vor dem Rennen waren beide Strategien identisch schnell. Der höhere Reifenabbau machte zwei Wechsel zur besseren Option. "Yuki wäre damit Siebter geworden", gestand CEO Peter Bayer den Taktikfehler ein.

Alpha Tauri wurde ein wenig von Alonsos frühem ersten Service überrascht. In dieser Phase versäumte man einen schnellen Richtungswechsel bei der Strategie. Ein Grund dafür: "Wir hatten uns vor dem Rennen mit unserer reinen Grundpace auf Platz acht gesehen. Das hätte nicht gereicht, um Williams abzufangen. Mit dem einen Stopp war die Hoffnung verbunden, dass etwas passiert, das uns in die Karten spielt." Zum Beispiel ein Safety Car zur passenden Zeit.

Der zweite Fahrer hatte das Glück nicht auf seiner Seite. Daniel Ricciardo zwang ein Abreißvisier im Bremskanal zum frühen Stopp. Dennoch war Platz zehn machbar. Doch Williams stellte Logan Sargeant als Straßensperre ab. Der US-Amerikaner hielt acht Runden durch und bremste so erfolgreich Ricciardos Vorwärtsdrang aus. Zeit, die ihm fehlt. Der Australier verpasste den letzten Zähler 0,597 Sekunden hinter Lance Stroll. So oder so: Alpha Tauri hätten auch die Plätze sieben und zehn nicht zum Sieg über Williams geholfen.

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Erscheinungsdatum 08.05.2024

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