Interview mit Audi-F1-Chef Andreas Seidl
„Möglichst schnell ein Top-Team werden“

Andreas Seidl leitet das operative Geschäft im Formel-1-Projekt von Audi. Zum ersten Mal spricht er über den mit Spannung erwarteten Einstieg der Marke. Er verrät, wo Audi beim Aufbau des Projekts steht und wie daraus ein Top-Team werden soll.

Andreas Seidl - Audi - F1 - 2024
Foto: Audi

Wo steht das Audi-Projekt?

Seidl: Wir sind auf Kurs. Wenn wir uns den Projektfortschritt auf der Antriebsseite in Neuburg anschauen, dann wurde unter Adam Baker schon 2022 damit angefangen, bei der Audi Formula Racing GmbH die Mannschaft und die Infrastruktur aufzubauen. 2023 wurde mit der Erprobung aller Komponenten für die Antriebseinheit begonnen. Stand heute stehen das Team und die Infrastruktur weitestgehend. Auf der Teamseite bei Sauber in Hinwil haben wir die letzten Monate dazu genutzt, zusammen mit dem Team herauszuarbeiten, wo die Defizite im Vergleich zu den Top-Teams der Formel 1 liegen. Daraus haben wir einen klaren Plan entwickelt, was wir in der Transformation vom Privatteam zum Top-Team angehen müssen. Wir haben dabei frühzeitig Projektteams aufgesetzt, um die beiden Standorte optimal zu vernetzen und so künftig das Potenzial eines Werksteams voll auszuschöpfen. Ich bin zuversichtlich, dass wir da zum Ziel kommen.

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Erschwert die Distanz von 360 Kilometer zwischen Neuburg und Hinwil die Aufgabe?

Seidl: Das Gute ist, dass man die Distanz auch schnell mal mit einem Auto zurücklegen kann. Nicht fliegen zu müssen, macht uns flexibler. Für das Tagesgeschäft nutzen wir moderne Mittel der Kommunikation. Dadurch spielt die Entfernung keine Rolle mehr. Für uns gilt: Zwei Standorte, ein Team.

Sind zwei Jahre bis zum Start viel, wenig oder gerade ausreichend?

Seidl: Auf der Antriebsseite wurde bereits vor der Bekanntgabe des Einstiegs im August 2022 mit Grundlagenarbeit begonnen. Ich bin zuversichtlich, dass wir 2026 einen guten Start hinlegen können. Auf der Teamseite wünscht man sich immer, man hätte mehr Zeit. Trotzdem glaube ich, dass wir die angesprochene Transformation durch die 100-prozentige Übernahme von Audi beschleunigen können. Wir sollten in Verbindung mit dem neuen Reglement 2026 gute Voraussetzungen haben, als Werksteam einen guten Start hinzulegen.

Nach der Bekanntgabe wurde das Formel-1-Projekt von Audi über ein Jahr lang von Gerüchten begleitet, dass der Einstieg doch noch abgeblasen wird. Hat die Ungewissheit das Projekt behindert oder verzögert?

Seidl: Wichtig war, dass wir uns intern davon nicht haben beirren lassen. Wir haben sowohl in Neuburg als auch in Hinwil an unseren Plänen festgehalten und sie Schritt für Schritt umgesetzt. Die Ankündigung der vollständigen Übernahme im März war ein starkes Signal, das die Gerüchte endgültig beendet hat. Dieser Schritt hilft uns, die anstehenden großen Entscheidungen schneller durchzuführen.

Warum übernimmt Audi nun doch 100 Prozent von Sauber? Im ursprünglichen Plan wollte man dem Vorbesitzer noch eine Minderheitsbeteiligung lassen.

Seidl: Ich habe großen Respekt vor dem, was Finn Rausing für das Team und den Standort Hinwil geleistet hat. Mit seinen Investitionen und dem hochmotivierten Team hat er für uns eine sehr gute Absprungbasis geschaffen. Gleichzeitig ist es absolut richtig und wichtig, dass Audi das Projekt mit Konsequenz angeht. Gerade im Hinblick auf den anstehenden Transformationsprozess. Auch die Berufung von Oliver Hoffmann zum Generalbevollmächtigen bei Audi für das Formel-1-Engagement war ein wichtiges Signal nach innen und nach außen, dass es Audi ernst meint.

Fangen wir mit dem Antrieb in Neuburg an. Wann war was fertig?

Seidl: Grundsätzlich ist es so, dass die Antriebsentwicklung am längsten dauert, weshalb das Thema frühzeitig aufgegleist wurde. Da Neuburg schon vorher den Werksmotorsport beheimatet hat, konnte das Projekt dort schnell Fahrt aufnehmen. Der Ausbau von Infrastruktur und Personal ist dann zum Großteil im Jahr 2023 erfolgt. Wenn man sich überlegt, was in Neuburg im vergangenen Jahr alles gestemmt wurde, ist das wirklich bemerkenswert. In Bezug auf die technische Ausstattung hat man dort jetzt einen der modernsten Standorte für Antriebseinheiten, den es in der Formel 1 gibt.

Audi - F1-Fabrik - Neuburg - 2023
Audi

Nicht kleckern, sondern klotzen. Audi will mittelfristig mit den Top-Teams der Formel 1 kämpfen.

Wann lief der erste Vollmotor auf dem Prüfstand?

Seidl: Schon im vergangenen Jahr.

Haben die etablierten Motorenhersteller einen Vorsprung, oder sind die Regeln für 2026 so neu, dass alle bei Null beginnen?

Seidl: Wir sollten uns da nichts vormachen. Es ist klar, dass die etablierten Hersteller einen Vorsprung haben. Da geht es nicht nur um die Details der Technik, sondern natürlich auch um operative Abläufe. Trotzdem ist es uns in den Verhandlungen mit der FIA und den anderen Herstellern über das Reglement gelungen, dass es genügend große Änderungen gibt, die zur Folge haben, dass auch die etablierten Wettbewerber Neuland betreten müssen. Das breite Knowhow, das bei Audi bezüglich Antriebsentwicklung schon vorhanden war, sollte in Verbindung mit der Expertise von neuen Mitarbeitern aus der Formel 1 helfen, als Neueinsteiger schnellstmöglich das Erfahrungsdefizit zu kompensieren. In Verbindung mit der Euphorie und dem positiven Moment im Projekt, das mit dem Einstieg einhergeht, bin ich zuversichtlich, dass wir hier schnell auf Augenhöhe sein können und uns in der Zukunft mit innovativen Ansätzen auch Vorteile erarbeiten können.

Wie viele Leute hat Audi auf der Motorenseite von außen eingekauft?

Seidl: Der Kern des Teams besteht aus Audi-Mitarbeitern mit viel Know-How aus den eigenen Reihen. Es ist uns gelungen Top-Leute von nahezu jedem Hersteller zu verpflichten.

Der Kraftstoff wird 2026 ein Riesen-Thema sein. Wen hat Audi da an Land gezogen?

Seidl: Die Entwicklung des Kraftstoffs wird ein Wettbewerbs-Unterscheidungsmerkmal werden. Audi hat frühzeitig mit einem Mineralölkonzern eine technische Partnerschaft abgeschlossen, um eine gemeinsame Entwicklung zu betreiben. Über weitere Details werden wir zu einem späteren Zeitpunkt sprechen.

Audi - F1-Fabrik - Neuburg - 2023
Audi

Auf den Prüfständen im Entwicklungszentrum in Neuburg läuft der Motor für 2026 schon seit dem vergangenen Jahr.

Wo entsteht das Getriebe?

Seidl: Wir haben uns dazu entschieden, die Innereien des Getriebes in Neuburg zu entwickeln. Die strukturellen Teile wie Getriebegehäuse und Hinterachse entstehen in Hinwil. Die Expertise und die Infrastruktur in den beiden Häusern spricht für diese Aufteilung.

Kommen wir zu Sauber: In welchem Zustand ist der Patient aus Hinwil?

Seidl: Es ist klar, dass wir mit den aktuellen Ergebnissen nicht zufrieden sind. Wir haben uns beim Auto deutlich verbessert, setzen es aber unter anderem auf Grund von mangelnder Haltbarkeit und unseren Problemen beim Boxenstopp nicht um. Das hat uns das ein oder andere Mal die Chance auf Punkte genommen. Daran arbeiten wir. Da müssen wir ganz klar besser werden. Wenn wir uns die Performance auf der Strecke anschauen, bin ich mit dem Schritt über den Winter zufrieden. Da haben sich die harte Arbeit von jedem Einzelnen im Team und die Ankunft unseres Technischen Direktors James Key im September schon bewährt. Bei den Rundenzeiten sind wir auf Augenhöhe mit Racing Bull oder Haas, die starke Partnerschaften mit großen Teams haben, von denen sie Komponenten beziehen. Wir liegen sogar vor Teams wie Williams und Alpine, die bereits 900 oder mehr Mitarbeiter haben und am Kostendeckel operieren. Wenn ich das in Relation setze, kann sich die Performance unseres Teams durchaus sehen lassen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir mit dem richtigen Auf- und Ausbau des Teams sowie dem zukünftigen Operieren am Kostendeckel sehr schnell Schritte in Richtung der Top 5 Teams machen werden.

Um wie viel besser ist das aktuelle Auto als das alte?

Seidl: Einschließlich der Entwicklungen, die wir seit Saisonbeginn gebracht haben, sind wir eine Sekunde schneller geworden. Der Wettbewerb in der Formel 1 ist aber aktuell enger als je zuvor. In der Qualifikation von Shanghai waren wir mit Valtteri Bottas nur etwas mehr als ein Prozent weg von der Rundenzeit von Max Verstappen. Wenn wir Red Bull mal ausklammern, war es nur etwas mehr als ein halbes Prozent zur Spitze.

Besteht Hoffnung, dass Sauber im Laufe der Saison an die Spitze der zweiten Tabellenhälfte kommt?

Seidl: Primäres Ziel ist, die aktuelle Performance in Ergebnisse umzumünzen. Darüber hinaus wollen wir in dieser Saison weiterhin aggressiv entwickeln, um den nötigen Schwung für 2025 und 2026 aufzubauen. Wir wollen zeigen, dass wir mit den Veränderungen im Team Erfolg haben können und dass wir in der richtigen Richtung unterwegs sind.

Wie kann so eine Misere mit den Boxenstopps passieren?

Seidl: Die Geschwindigkeit, mit der die Boxenstopps heute ablaufen, macht das zu einem komplexen Thema, sowohl von der Hardware-Seite als auch der Crew. Wir haben über den Winter das komplette Equipment und alle Fahrwerksteile am Auto angefasst, um in der Zukunft auch bei den Boxenstopps mit den Top-Teams mitzuhalten. Leider hat sich hier ein Problem eingeschlichen, welches sich erst unter Rennbedingungen gezeigt hat. Darüber sind wir nicht glücklich. Wir werden das in den nächsten Wochen abstellen.

Andreas Seidl - Audi - Formel 1 - GP Bahrain - 28. Februar 2024
Motorsport Images

Andreas Seidl arbeitet an der Trendwende. Aktuell steht Sauber nach fünf Rennen noch ohne Punkte da.

Wie viele Leute arbeiten zur Zeit bei Sauber, wo will das Team hin. Und wie weit liegt Sauber derzeit unter dem Budgetdeckel?

Seidl: Wir sind aktuell in einem zweistelligen Millionenbereich unterhalb des vom Reglement gesetzten Kostenlimits und bei rund 600 Mitarbeitern. Der Fokus liegt darauf, die Personalstärke schnellstmöglich von 600 auf 900 Leute hochzufahren. Wir haben schon jetzt ein hoch talentiertes Team, das wir mit zusätzlichem Know-how und Erfahrung weiter stärken. Wir haben im letzten Jahr schon einige Leute von unterschiedlichen Teams, aus der Formel 1 und aus anderen Bereichen, für uns gewinnen können. Einige haben bereits bei uns begonnen, andere verweilen noch in den in der Formel 1 üblichen Arbeitssperren. Das ist ein kontinuierlicher Prozess. Mit der Verkündung von Audi, 100 Prozent zu übernehmen, haben wir die nächste Stufe unserer Rekrutierungskampagne gezündet. Das Projekt hat in der Szene großes Interesse geweckt. Wenn eine Premiummarke mit einer solchen Motorsporthistorie in die Formel 1 einsteigt, dann hat das eine enorme Strahlkraft.

Braucht Audi einen Adrian Newey, der ja 2026 unter Umständen auf dem Markt sein könnte?

Seidl: Es ist klar, dass es im Formel 1-Zirkus den ein oder anderen Namen gibt, den man gerne im Team haben würde. Einen, der nicht nur Knowhow mitbringt, sondern auch über seine Bekanntheit für Aufmerksamkeit sorgt. Auf der anderen Seite ist die Formel 1 keine Einmann-Show. Für uns ist wichtig, dass wir ein starkes Team mit der entsprechenden Einstellung aufsetzen mit dem Ziel, gemeinsam etwas erreichen zu wollen. Deshalb haben wir bei der Besetzung der Schlüsselpositionen darauf geachtet, dass die entsprechenden Mitarbeiter diese Kultur auch vorleben. Wir sind auch für Top-Leute aus der Szene hoch attraktiv, und ich bin mir sicher, dass wir die richtigen Leute am Start haben.

Wozu braucht ein Formel-1-Team 900 Leute? Sollten es unter dem Kostendeckel nicht weniger werden?

Seidl: Die Top-Teams Mercedes, Ferrari und Red Bull mussten mit Beginn der Budgetdeckelung ihr Personal deutlich reduzieren. Die Idealgröße hat sich dann bei ungefähr 900 Leuten eingependelt, ohne das Personal, das an Nicht-F1-Projekten für Drittkunden arbeitet. Bei der Entscheidung, wie du dein Budget verteilst, spielen unterschiedliche Faktoren eine Rolle. Personalstärke, Entwicklungsumfang, Entwicklungsgeschwindigkeit und Eigenfertigungstiefe müssen so aufeinander abgestimmt sein, dass das Budget möglichst effizient eingesetzt wird. 900 Mitarbeiter sind eine gute Richtgröße. Es ist aber auch klar, dass die Personalstärke eine dynamische Größe ist und sich in beide Richtungen entwickeln kann.

Ab wann wird Sauber am Budgetdeckel operieren?

Seidl: Spätestens nächstes Jahr.

Wie wichtig ist es, dass sich schon in der Frühphase ein Aufwärtstrend sichtbar wird?

Seidl: Es ist wichtig, dass wir die Aufbruchstimmung und Veränderungen im Team mit Resultaten bestärken. Wir haben jetzt eine echte Perspektive, ein Top-Team zu werden, das in absehbarer Zeit um Podestplätze fährt. Die Euphorie in der Truppe müssen wir mitnehmen und möglichst bald mit Ergebnissen zeigen, dass sich all der Einsatz auszahlt. Wir sind uns der großen Herausforderung bewusst, gehen diese aber mit Zuversicht und einem gesunden Selbstbewusstsein an.

Sauber - Fabrik - Windkanal - Hinwil
ams

Am Standort Hinwil wird personell aufgestockt und in neue Entwicklungstechnik investiert.

Wie schwer ist es, 300 bis 400 neue Mitarbeiter in eine Struktur einzufügen, die seit 30 Jahren gewachsen ist?

Seidl: Wir haben schon jetzt ein hochtalentiertes Team am Start und es ist das Verständnis da, dass wir wachsen müssen. Gemeinsam arbeiten wir daran, die Kultur und Einstellung eines Top-Teams zu installieren. Gerade weil sich das Team über eine lange Zeit mit begrenzten Mitteln im Mittelfeld behauptet hat. Mir ist es deshalb ein Anliegen, Erfolgshunger und den Willen für die Extrameile bei jedem Mitarbeiter zu verankern. Dabei ist es wichtig, eine gute Balance zu finden zwischen schnellem Wachstum und dem, was das Team verarbeiten kann. Deshalb haben wir schon im letzten Jahr viel Zeit investiert, entsprechende Strukturen zu schaffen und neue Schlüsselfiguren ins Team zu bringen. Wir haben jetzt eine gute Basis für dieses Wachstum.

Was passiert bei der Infrastruktur? Was muss sich verbessern?

Seidl: Das ist der zweite große Punkt unserer Aufbauarbeit. Der Standort in Hinwil muss wachsen, um alle Mitarbeiter unterzubringen. Außerdem müssen die technischen Werkzeuge dem Anspruch eines Werksteams gerecht werden. Sowohl bei den Entwicklungswerkzeugen wie auch in der Produktion. Wir müssen darüber hinaus die Eigenfertigung auf das Niveau der Top-Teams hochfahren. Das ist wichtig, um die entsprechende Entwicklungsgeschwindigkeit und Qualität darzustellen, aber auch möglichst effizient unter dem Budgetdeckel produzieren zu können.

Wie gut sind der Windkanal und der Simulator?

Seidl: Grundsätzlich sind beide Werkzeuge auf einem guten Stand. Aber wir werden auch da zum Beispiel in Bezug auf die Messtechnik aufrüsten, um zu den Top-Teams aufzuschließen oder sie sogar zu überholen.

Der Standort Schweiz hat sich in der Vergangenheit oft als Hindernis erwiesen. Wie schwer ist es, Leute dorthin zu locken?

Seidl: Die Frage kann ich ganz selbstbewusst umdrehen. Warum schaffen wir es, die Leute in die Schweiz zu bekommen? Der Einstieg von Audi in die Formel 1 hat eine unglaubliche Anziehungskraft. Die Leute wissen, dass Audi keine halben Sachen macht und dass dieser Werkseinsatz grundsätzlich die Voraussetzungen bietet, um in Zukunft an der Spitze der Formel 1 mitzufahren. Das allein lockt Fachkräfte an. Der Job ist hoch attraktiv und der Einstieg von Audi ein einmaliges Ereignis, an dem viele mitarbeiten wollen. Die Bewerber sehen, dass sie ein sehr besonderes Projekt mitgestalten können, wenn sie zu einem frühen Zeitpunkt dazustoßen. Außerdem bietet die Schweiz eine sehr hohe Lebensqualität, ausgezeichnete Gesundheitsstandards und internationale Schulen. Das macht es vor allem auch Familien einfacher, den Standort zu wechseln. Ich vergleiche das auch gerne mit der Zeit, als Sauber schon mal ein Werksteam war. Schon damals ist es uns gelungen, Top-Leute nach Hinwil zu locken und in relativ kurzer Zeit erfolgreich zu sein. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass uns das jetzt auch wieder gelingen kann.

In der Schweiz und in Deutschland ist alles teurer als in England. Wie kann Audi das ohne Nachteile abfedern?

Seidl: Es ist kein Geheimnis, dass das Lohnniveau in der Schweiz deutlich höher ist als in England oder Italien. Das war bisher für Sauber kein Nachteil, weil man den Budgetdeckel nicht ausgeschöpft hat. Es wäre aber ab sofort ein Nachteil. Deshalb sind wir wirklich dankbar, dass die FIA unter Präsident Mohammed bin Sulayem und die Formel 1 mit Stefano Domenicali das Thema im Entwurf des Finanzreglements für 2026 aufgegriffen haben und hier entsprechende Chancengleichheit unabhängig vom Standort schaffen wollen. Es geht nicht darum, für uns einen Vorteil zu verschaffen. Es geht nur darum, dass alle mit gleichen Chancen antreten können.

Nico Hülkenberg & Andreas Seidl - Le Mans 2015
Hoch-Zwei

Einen Werksfahrer hat Audi schon. Nico Hülkenberg kennt Andreas Seidl vom gemeinsamen Le-Mans-Sieg 2015 mit Porsche.

Nico Hülkenberg wurde verpflichtet. Was spricht für ihn?

Seidl: Es ist klar, dass es für uns bei der aktuellen Leistungsdichte absolut wichtig ist, die bestmögliche Fahrerpaarung am Start zu haben. Es macht auch Sinn, dass unser künftiger Fahrerkader des Audi-Werksteams schon 2025 in den Autos sitzt, um das Projekt von Anfang an mit zu begleiten. Die Fahrer können uns auch in Bezug auf die Motivation der Mannschaft und Entwicklungsrichtung helfen. Daher ist Nico eine Top-Wahl. Dass er schnell ist, steht ohnehin außer Frage. Mit seiner Erfahrung, seinem Teamwork und seinem großen technischen Verständnis bringt er mit, was wir brauchen.

Ein Name, der immer wieder fällt, ist Carlos Sainz. Helmut Marko hat beim GP China erklärt, dass Red Bull mit dem Angebot von Audi nicht mithalten kann. Was ist da dran?

Seidl: Unser Weg ist ganz klar nicht, Fahrer oder andere Mitarbeiter mit Unsummen von Geld dazu zu motivieren, zu uns zu kommen. Wir haben grundsätzlich die finanziellen Mittel eines Top-Teams, überlegen uns aber wirklich bei jedem Franken oder Euro, wie wir den sinnvoll und effizient einsetzen. Wir wollen Leute gewinnen, die Teil dieser Reise sein und den Einstieg von Audi in die Formel 1 begleiten wollen.

Läuft das auf zwei Mal Erfahrung oder Erfahrung und Risiko hinaus?

Seidl: Es ist sinnvoll, mindestens einen Piloten mit Erfahrung zu haben, weil wir viele Herausforderungen auf einmal stemmen müssen. Es können also zwei erfahrene Piloten sein oder einer mit Erfahrung und ein starker Rookie. Wir führen hier weiter Gespräche, beobachten sowohl den Markt und natürlich weiter auch die Performance von Zhou und Valtteri.

Wird Audi parallel dazu einen Juniorkader aufbauen?

Seidl: Das ist ein Thema, das wir uns im Moment anschauen. Beispiele aus der jüngeren Formel-1-Vergangenheit zeigen, dass das ein gutes Investment sein kann. Es gibt aber noch nichts Konkretes.

Vergleich F1-Auto 2026 vs. 2023
ACFLIGUE/ams

Das 2026er-Technik-Reglement wurde noch nicht in allen Details ausgearbeitet. Audi wünscht sich möglichst schnell Klarheit und Planungssicherheit.

Das Chassis-Reglement für 2026 ist noch offen. Es soll im Juni auf dem Tisch liegen, doch die FIA würde sich gerne mehr Zeit bis Oktober geben. Wann will Audi wissen, wo die Reise hingeht?

Seidl: Für uns ist wichtig, dass Ende Juni ein Großteil der mechanischen Parameter feststehen, und daran auch nicht mehr gerüttelt wird. Wenn es um die Aerodynamik geht, sind wir offen. Die Aerodynamikentwicklung im Windkanal und im CFD darf ohnehin erst im Januar 2025 beginnen.

Wird man sich nächstes Jahr voll auf das 2026er-Auto konzentrieren oder einen Teil der Arbeit noch in das 2025er-Auto stecken?

Seidl: Jedes Team will natürlich so viel Arbeit wie möglich in das 2026er-Auto stecken. Deshalb ist es so wichtig, in diesem Jahr aggressiv zu entwickeln, um eine gute Plattform für 2025 zu haben. Vor allem, weil wir auch schon im nächsten Jahr unseren Weg mit Ergebnissen bestätigen wollen. Ich gehe davon aus, dass die Entwicklung im nächsten Jahr sehr dynamisch verlaufen wird, abhängig davon, wie die Saison anläuft.

Es wird schon wieder fleißig Politik gemacht, um die Regeln in die eigene Richtung zu lenken. Mischt da auch Audi mit?

Seidl: Wir haben zu beiden Reglements eine klare Position. Wir unterstützen die Richtung, die von der FIA sowohl mit den Power Unit-Regeln als auch mit den Chassis-Regularien eingeschlagen wurde. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Teams, die derzeit vorne fahren, nicht die gleichen Wünsche haben wie wir als Neueinsteiger. Da herrscht natürlich eine unterschiedliche Interessenslage. Optimistisch stimmt mich, dass Sauber 2022 bewiesen hat, auch mit beschränkten Mitteln gut auf ein neues Reglement reagieren zu können. Das zeigt, dass Kompetenz im Team steckt. Das Team hat es damals geschafft, über das geringste Fahrzeuggewicht gute Ergebnisse zu erzielen, bis die anderen Teams mit ihrer Entwicklungsmaschinerie darauf reagieren konnten.

Audi musste sich immer wieder anhören, dass die Formel 1 Milliarden verbrennt. Auf der anderen Seite schreiben die Teams mittlerweile schwarze Zahlen. Was ist richtig?

Seidl: Die Formel 1 ist eine der größten Sport-Plattformen der Welt, die auch weiterhin boomt. Durch die Budgetdeckelung gibt es heute eine langfristige finanzielle Planbarkeit. Neben dem sportlichen Erfolg wollen wir auch das Rennen außerhalb des Cockpits gewinnen. Audi steigt in die Formel 1 ein, diesen Moment wird es nur einmal geben. In Verbindung mit der Strahlkraft der Marke ist es die Chance, neue Wege zu beschreiten und auch auf kommerzieller Seite etwas Besonderes aufzubauen. Wir wollen das Team als einen anderen F1-Player etablieren, neue und bestehenden Zielgruppen erreichen, eine weltweite Fanbase aufbauen und großartige Partnerschaften eingehen. Das bereits heute bestehende Interesse großer Unternehmen, Teil dieses einmaligen Projekts werden zu wollen, bestätigt uns darin. Wir erleben ein hohes Momentum mit potenziellen Partnern.