Die Rätsel um den Alonso-Crash
Was passierte in den letzten 3 Sekunden?

Der Alonso-Crash beschäftigt weiter die Unfall-Forscher der FIA. Man weiß inzwischen genau, was passiert ist, aber man weiß nicht warum. Vielleicht wird man es nie herausfinden. Es bleiben drei große Rätsel, auf die es noch keine Antwort gibt.

Fernando Alonso - McLaren - Formel 1-Test - Barcelona - 22. Februar 2015
Foto: xpb

Es könnte ein Unfall werden, den die FIA nie aufklären wird. Der Crash von Fernando Alonso am vierten Testtag in Barcelona gibt weiter große Rätsel auf. Das gab es in der Unfallforschung der FIA bislang nur einmal, bei einem Rennen in einer unteren Formel-Klasse.

Damals fuhr ein Auto aufs andere, stieg auf und landete kopfüber auf dem anderen Fahrer. Der Fahrer, der im unteren Auto saß, blieb zwar unverletzt, aber sein Helm befand sich in einem fürchterlichen Zustand. Man konnte trotz einer Rekonstruktion des Unfalls im Labor nie feststellen warum.

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Auch bei Alonso gibt es diese Diskrepanz. Die Daten sagen genau, was sich in Alonsos 21. Runde am 22. Februar in der Curva Renault des Circuit de Catalunya abgespielt hat. Doch das ist nicht das Problem. Man weiß nicht, warum der Unfall so verlaufen ist. Der einzige Mensch, der Aufklärung bringen könnte, kann sich nicht erinnern. Alonso hat für die Zeit des Unfalls einen Blackout.

Alonso bremst und schaltet 3 Gänge runter

Nach den Datenaufzeichnungen liegt Alonsos höchste Geschwindigkeit am Eingang der langen Rechtskurve bei 215 km/h. Dann steigt der Spanier voll auf die Bremse und schaltet drei Mal runter. Der McLaren bleibt in dieser Phase noch relativ stabil auf seiner Linie.

Warum Alonso so extrem verzögert hat, ist unklar. McLaren nimmt an, dass der starke Seitenwind eine Rolle gespielt hat. Doch in solchen Fällen bremst ein Fahrer von der Klasse eines Alonso normalerweise nicht so stark ab. Zumal im Außenbereich der Kurve 3 noch genug Asphalt ist, um sich zu retten. Da reicht ein Mal runterschalten aus.

Als die Geschwindigkeit auf 135 km/h gesunken ist, zeigen die Daten die zweite Merkwürdigkeit. Der McLaren biegt abrupt Richtung Innenseite der Kurve ab. Doch warum? Offenbar hat Alonso selbst noch nach rechts gelenkt. Ab da verliert der Pilot die Kontrolle.

Ein Bericht der BBC, der eine Geschwindigkeit von 215 km/h zum Zeitpunkt des Kontrollverlusts angegeben hatte, sorgte vergangene Woche kurz für Irritationen. Doch zu dem Zeitpunkt im ersten Teil der Kurve war Alonso offenbar noch in der Lage zu reagieren.

Nur 30 km/h-Verzögerung in 3 Sekunden

In Phase 3 des Unfalls folgt das größte Mysterium. Der McLaren steuert auf seinem Irrweg nach innen schnurstracks auf die Mauer zu und prallt mit 105 km/h so unglücklich im rechten Winkel gegen die Streckenbegrenzung, dass der erste Aufprall mit 31g relativ hart ausfällt. Für Vettel sah Alonsos Ausflug in die Mauer deshalb auch gar nicht wie ein richtiger Unfall aus.

Komisch ist, dass der Fahrer in diesen letzten drei Sekunden offenbar keinerlei Versuch unternommen hat, noch leicht von der Mauer wegzulenken. Oder weiter zu bremsen. Er verliert in dieser Zeitspanne nur 30 km/h.

Komisch ist auch, dass McLaren bei der Pressekonferenz sagte, man könne diese letzten Sekunden nicht nachvollziehen. Das lässt den Verdacht zu, dass man zum Schutz des Fahrers ein vielleicht entscheidendes Detail verschweigen wollte. Nämlich, dass Alonso in diesem Zeitraum nichts mehr getan hat, um den Maueraufprall zu verhindern oder abzuschwächen.

Teamchef Ron Dennis gab immerhin zu, dass Alonso kurz bewusstlos war. Er räumte auch ein, dass man nicht mit Bestimmtheit sagen könne, was diese Bewusstlosigkeit ausgelöst habe. Das will die FIA jetzt herausfinden. Reichte der erste Schlag gegen die Mauer aus, dass Alonso kurz k.o. ging? In den Ohrstöpsel-Sensoren wurde laut Dennis knapp die Hälfte der Aufprallenergie des Autos gemessen. Es waren 16g.

Am Helm fanden sich nach Aussagen von Augenzeugen keine Beschädigungen. Nicht einmal Kratzspuren. Jetzt wird der Kopf- und Nackenschutz des Autos genauer untersucht. An seiner Deformation kann man vielleicht feststellen, ob der Peitschenschlag von rechts nach links den Piloten ausgeknockt haben könnte.

Schaden am McLaren ist auszuschließen

Wenn man die Daten logisch interpretiert, dann muss am schnellsten Punkt der Kurvenfahrt etwas passiert sein, das Alonso komisch vorkam. Sonst hätte er nicht so massiv die Geschwindigkeit verringert. Ein Schaden am Auto ist laut McLaren auszuschließen. Alle Daten lagen im grünen Bereich. Das wurde auch aus FIA-Kreisen bestätigt.

Die FIA dementiert auch die Stromschlag-Theorie. So lange das Fahrzeug in Bewegung war, leuchtete die orange Lampe. Zehn Sekunden nach Stillstand des Autos, sprang die Kontrollampe auf grün. Ein sicheres Zeichen dafür, dass im elektrischen Kreislauf alles in Ordnung war.

Ron Dennis sprach außerdem davon, dass man anhand bestimmter Enzyme innerhalb von 48 Stunden nach einem Unfall feststellen könne, ob der Körper mit elektrischem Strom in Berührung gekommen war. Das sei bei Alonso nicht der Fall gewesen. Dennis wird kaum so dumm sein, das zu behaupten, wenn er befürchten müsste von den Ärzten widerlegt zu werden.

Hatte sich Alonso in dieser Phase des Unfalls vielleicht doch nicht ganz wohl gefühlt und deshalb sicherheitshalber den Anker geworfen? Viel spricht dafür. Auch die Reaktion, das Auto in letzter Sekunde nach innen aus der Schusslinie zu lenken. Die Tatsache, dass dann aus dem Cockpit weder große Lenkbewegungen noch Bremsmanöver übermittelt wurden, lässt vermuten, dass der Fahrer schon vor dem Mauerkontakt keine Kontrolle mehr über sein Fahrzeug hatte.

Sicher erscheint, dass Alonso zumindest ab dem Aufprall bewusstlos war. Der McLaren braucht nach Angaben des Teams noch einmal 15 Sekunden, bis er zum Stillstand kam. Hätte Alonso dann noch reagiert, wäre der Bremsweg wesentlich kürzer ausgefallen.

Auch der medizinische Befund ist rätselhaft. McLaren-Chef Ron Dennis sprach zunächst nicht von einer Gehirnerschütterung, obwohl der Pilot nach dem Aufprall kurz bewusstlos war. Das impliziert normalerweise die Diagnose "Gehirnerschütterung".

Die einzig logische Schlussfolgerung ist, dass die Verzögerung von ein Mal 16g und zum zweiten Mal von 8g auf den Kopf nicht so schlimm gewesen war, diese Bewusstlosigkeit auszulösen. Also könnte sie andere Gründe gehabt haben. Zum Beispiel ein medizinisches Problem. Vielleicht verbrachte Alonso genau deshalb 4 Tage im Krankenhaus, um genau das herauszufinden.