Alfa punktet im Kampf um Platz 6
Bottas zwischen stark und zögerlich

GP Brasilien 2022

Es bleibt eine Zitterpartie. Alfa-Sauber errang in Brasilien einen Punkt mehr als Aston Martin. Es hätte noch mehr sein können. Das Safety-Car kam Valtteri Bottas dazwischen. Der Finne schwankte in Brasilien zwischen einem gutem und einem zu zögerlichen Rennfahrer.

Valtteri Bottas - Alfa Romeo - GP Brasilien 2022
Foto: Alfa Romeo

Die Pace war da. Das merkte Alfa Romeo bereits nach dem ersten Training. Die neuen Teile der letzten Wochen beflügelten den C42 auch auf der Effizienzstrecke von Sao Paulo. Alfa-Sauber ist durch die neue Nase, die in Japan ans Auto kam, und durch die Modifikationen am Unterboden in Austin und Mexiko einen guten Schritt vorangekommen. Seither greift man wieder im vorderen Mittelfeld an.

Auf einen gelungenen Auftakt folgte jedoch ein herber Rückschlag, der das restliche Rennwochenende verkomplizierte. In der Qualifikation scheiterten beiden Fahrer schon im ersten Durchgang. Was in einem Mittelfeldauto möglich gewesen wäre an diesem Qualifikations-Freitag, zeigte Haas-Pilot Kevin Magnussen, der die Formel-1-Elite aufmischte und sogar besiegte.

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Der Däne und seine Mannschaft machten vor, wie es geht. Bei Haas stimmte das Timing der Reifenwechsel. Und Magnussen nahm das gewisse Risiko auf einer rutschigen Fahrbahn, das die Alfa-Piloten bereits in Q1 scheuten. Auch im Sprint blieben Valtteri Bottas und Guanyu Zhou zu zögerlich. Nach einer Runde waren sie Vorletzter und Letzter. Gerade beim Routinier ist auffällig: Bottas fällt in der Startrunde fast immer zurück.

Valtteri Bottas - Alfa Romeo - GP Brasilien 2022
Alfa Romeo
Zwei WM-Punkte sammelte Valtteri Bottas im Alfa-Kampf um WM-Rang 6.

Alfa-Problem der Startrunde

Einen technischen Hintergrund – zum Beispiel die Kupplung – gibt es dazu nicht. Der Alfa kommt meistens sauber und ohne durchdrehende Räder vom Fleck, doch offensichtlich fühlt sich der ehemalige Mercedes-Fahrer nach wie vor nicht wohl im Getümmel.

Bottas hat weiter Anpassungsschwierigkeiten. Er war es von 2017 bis 2021 gewohnt, aus den vorderen Reihen zu starten. Im Mittelfeld geht es anders zu. Im Sprint zeigte sich die Schwäche. Bottas bremste das Senna-S zu früh an. Um ihn herum war man risikofreudiger. Der Teamkollege wurde eingeklemmt.

Doch schon das Mini-Rennen zeigte, dass Alfa nach wie vor einen guten Speed hatte. Bottas und Zhou machten Positionen gut. "In freier Fahrt waren wir sechs Zehntel schneller als Ricciardo", rechnete Alfa-Teammanager Beat Zehnder vor. Das Team sah sich deshalb für das Rennen gerüstet. Zumal die Alfa-Sauber im Verhältnis zur Konkurrenz immer besser wurden, je älter die Reifen waren.

Das Bild zeichneten sie auch am Rennsonntag. Und dieses Mal rutschte Bottas nicht wie so häufig in den letzten Grands Prix ab, und steckte in einem DRS-Zug fest. Der Finne gewann drei Positionen. Eine gegen Teamkollege Zhou, die anderen beiden waren geschenkt: Ricciardo hatte sich selbst und Magnussen aus dem Rennen genommen.

Guanyu Zhou - Alfa Romeo - GP Brasilien 2022
Alfa Romeo
Guanyu Zhou blieb zum fünften Mal in Folge ohne Zählbares.

Teamplayer Zhou

Beim Restart wurde Bottas zunächst von Lance Stroll überholt. Der Konter erfolgte wenige Runden später. Es ging weiter vorwärts. Bottas lenkte sich an Mick Schumacher vorbei. Er schnappte sich den Aston Martin von Sebastian Vettel durch einen früheren Reifenwechsel – auch dank der Mithilfe des Teamkollegen, der durch einen Undercut das Schwesterauto überholt hatte, aber auf Anweisung des Kommandostands Platz machte. "Zhou war heute ein wahrer Mannschaftsspieler", dankte Bottas. Er knackte Pierre Gasly im Alpha Tauri, und schien auf Kurs zu einem fünften Platz.

Das wäre zu viel verlangt gewesen. "Leclerc hätte uns sicher auch ohne Safety-Car noch bekommen", sagt Teammanager Zehnder. Weltmeister Verstappen musste man es ebenfalls zutrauen, Bottas bis ins Ziel zu überholen. Den beiden wurde es am Ende aber leichter gemacht als gedacht. Ein spätes Safety-Car stauchte das Feld zusammen. Es beraubte Alfa-Sauber einer besseren Platzierung. Bottas hätte Siebter werden können.

Aston-Martin-Teammanager Andy Stevenson wirft ein. "Vielleicht hätten wir ihn noch packen können." Aston Martin hoffte darauf, dass die Softreifen am Alfa mit der Startnummer 77 früher nachlassen als die Mediums an Vettels Auto. Allerdings sprach viel für Alfa: Die weichste Mischung war der beste Rennreifen. Und der von Bottas war zudem eine frische Garnitur.

Valtteri Bottas - Alfa Romeo - GP Brasilien 2022
Alfa Romeo
Noch ein Rennen muss Alfa Romeo durchhalten. Mit den Millionen für Platz 6 würde das Team nächstes Jahr am Budget-Cap operieren.

Extra-Geld für bessere Entwicklung

Für Alfa und Aston galt gleichermaßen: das Safety-Car kam zur Unzeit. Für Aston war es noch ein bisschen schlimmer, weil Vettel beim Restart die gelbmarkierten Pirellis nicht so schnell ins Arbeitsfenster brachte. Da hatte Bottas Vorteile auf seinen Softs, die er aber nicht voll zu nutzten wusste. Zum Schluss landete er auf Platz neun.

"Das Safety-Car hat uns verwundbar gemacht. Wir hätten mehr Punkte gegenüber unserem Hauptrivalen herausfahren können. Ich will mich aber nicht beschweren. Ich habe das Rennen genossen, weil unsere Pace stark war", nahm es der Finne locker. Leclerc, Alonso, Verstappen und Ocon warfen Bottas von Position fünf auf neun. Vom Rennspeed hatte Alfa Romeo das zweitschnellste Auto im Mittelfeld hinter Alpine.

Unterm Strich blieben zwei WM-Punkte. Aston Martin machte einen. So hat Alfa Romeo vor dem Saisonfinale in Abu Dhabi einen Mini-Puffer von fünf Zählern. Der sechste Platz wäre aus zweierlei Gründen wichtig: für die Moral und für das Bankkonto. Die Extra-Millionen aus der Rechteausschüttung der Formel 1 könnte man in die Entwicklung des 2023er Autos stecken. Das ist bedeutender als die paar Prozentpunkte mehr im Windkanal, die der WM-Siebte gegenüber dem Sechsten gestattet bekommt.

Zumal Alfa-Sauber den Budgetdeckel nicht ausschöpft. Was das bewirkt, hat man in dieser Saison gesehen, als ab dem GP Spanien bis zur Asia-Tour eine gewisse Flaute im Technikbüro herrschte. Hinwil fehlt die Produktionspower im Vergleich zu Teams wie Alpine, McLaren und Aston Martin.

Mehr Geld gleich mehr Updates. Mit dem 2023er Auto sieht sich Alfa auf einem vernünftigen Weg. Obwohl die reglementbedingten Einschnitte weh tun. Es heißt, die Anhebung der Unterbodenkanten um 15 Millimeter würde ordentlich Abtrieb rauben. Da müssen die Ingenieure möglichst viel zurückgewinnen.