E-Fuels-Pläne in der Formel 1
Kampagne gegen Verbrenner-Verbot

Die Formel 2 und Formel 3 sind der Formel 1 einen Schritt voraus. Die Nachwuchsserien fahren schon dieses Jahr mit 55 Prozent Biosprit und ab 2025 mit E-Fuels von Aramco. Die Formel 1 zieht 2026 nach und will dann ein Testlabor für die Industrie werden. Parallel will man die EU davon überzeugen, nicht komplett aufs Elektroauto zu setzen.

Fernando Alonso - Formel 1 - GP Bahrain 2023
Foto: Aston Martin

Die Formel 1 will 2030 klimaneutral sein. Obwohl der Benzinverbrauch der Rennautos nur 0,7 Prozent zu den 250.000 Tonnen Treibhausgasen beitragen, die der Zirkus in einem Jahr emittiert, liegt der Fokus naturgemäß auf dem Bereich, der die größte Öffentlichkeitswirkung hat. Und das ist der Sprit für die Motoren.

Die neue Hybridformel mit E-Fuels für den Verbrenner soll ab 2026 dieses Ziel besser erfüllen als ein Batterieauto. Doch die EU-Kommission setzt voll auf die Elektrifizierung. Immerhin hat sie eine Hintertür für alternative Lösungen offengelassen. Bis 2026 muss der Beweis erbracht werden, dass man die Welt auch anders retten kann.

Unsere Highlights

Die Formel 1 hat bereits eine Studie in Arbeit, die in Brüssel präsentiert werden soll. Einen Grundstein dafür legt das neue Motorenreglement. Es schreibt einen Hybridantrieb vor, bei dem die Hälfte der Leistung elektrisch erzeugt wird und der Verbrenner ausschließlich mit 100 Prozent klimaneutralen Kraftstoffen betrieben werden muss.

Kaum langsamer mit E55-Sprit

Im Moment fährt die Königsklasse mit E10-Sprit. Bei etwa 20 PS Leistungseinbuße gegenüber früher. Da sind die Formel 2 und Formel 3 der höchsten Motorsportkategorie schon einen Schritt weiter. Die Nachwuchsformeln sind seit dem Saisonauftakt in Bahrain mit E55-Kraftstoff unterwegs. Mit geringer Auswirkung auf die Rundenzeiten. Die Formel 2 verlor im Schnitt vier, die Formel 3 acht Zehntel gegenüber dem Vorjahr.

Konventioneller Sprit vs. E-Fuels

Formel 2

Formel 3

Pole 2022

1.40,542 min

1.46,249 min

Pole 2023

1.40,903 min

1.47,055 min

Schnellste Rennrunde 2022

1.46,845 min

1.51,634 min

Schnellste Rennrunde 2023

1.47,321 min

1.50,743 min

Dass die kleinen Klassen schneller auf den Umwelt-Zug aufspringen liegt daran, dass Benzinlieferant Aramco eine Monopolstellung hat. In der Formel 1 konkurrieren vier unterschiedliche Hersteller. In drei Jahren werden es sechs sein.

In einem ersten Schritt mischt Aramco in der Formel 2 und Formel 3 Sprit aus Biomasse dazu. Ab 2025 wird der aus biologischem Abfall erzeugte Anteil durch E-Fuels ersetzt, bei denen der Karbon-Anteil direkt aus der Umgebungsluft extrahiert wird. 2027 laufen die Motoren der Juniorserien dann zu 100 Prozent mit E-Fuels.

Aramco und FIA als Testlabor

Aramco ist dabei das Testlabor für die Formel 1. Die Forschungsergebnisse des saudischen Konzerns sollen später Messlatte für alle anderen sein. Aramco macht das natürlich auch aus Eigennutz. Die in den eigenen Laboren entwickelten Kraftstoffsorten sollen später direkt übertragbar auf Straßenautos sein.

Die FIA entwickelt parallel dazu mit einem anderen Partner eigene klimaneutrale Kraftstoffvarianten. Ein erster Verschnitt wurde von Mercedes, Ferrari, Renault und Honda mit den aktuellen Motoren bereits auf den Prüfständen getestet.

In der Saison 2023 sind insgesamt 52 Autos in beiden Juniorkategorien unterwegs. "Dafür brauchen wir etwa 300.000 Liter Kraftstoff", erklärt Technikdirektor Didier Perrin. Die Formel 1 benötigt derzeit eine Million Liter für Rennen, Testfahrten und Prüfstandsläufe. Das wird sich durch effizientere Motoren und die zunehmende Hybridisierung reduzieren. Zur besseren Einordnung: Aramco produziert derzeit für alle seine Zwecke neun Millionen Liter E-Fuels pro Jahr.

Formel 1 - Benzin
xpb
Die Formel 1 fährt aktuell mit einem Sprit mit 10 Prozent Bio-Anteil.

Wettbewerb in der Formel 1

Wenn die Formel 1 zu 100 Prozent nachhaltigem Kraftstoff übergeht, wird sie Wettbewerb unter den Herstellern und der Technologien zulassen. Das Zugeständnis war nötig, um Petronas, Exxon, Shell und BP mit ins Boot zu ziehen und ihnen einen Anreiz zu geben, mit ihrer Entwicklungsarbeit zu werben. "Damit das nicht ausufert, limitieren wir die Leistungsausbeute durch eine Energieformel von 3.000 Megajoule pro Stunde", erklärt Formel-1-Technikchef Pat Symonds.

Gegen die Kampagne des Motorsports steht der Plan der EU-Kommission, ab 2035 nur noch zu 100 Prozent emissionsfreie Fahrzeuge zuzulassen. Sie erklärt dabei auch gleich, was sie sich darunter vorstellt. Dieses Ziel sei nach derzeitigem Wissensstand ausschließlich durch die Elektrifizierung der Autos möglich, heißt es in ihrem Beschluss.

Für den Motorsport wäre der einseitige Fokus auf Batterieautos ein Schlag ins Gesicht, denn er setzt größtenteils auf die Hybridisierung des Antriebs, verbunden mit E-Fuels. Auch wenn der Rallyesport, die WEC und die WTCC teilweise den Weg der totalen Elektrifizierung schon bestritten haben, will die Formel 1 ab 2026 eine Vorreiterrolle beim Gegenentwurf spielen.

Ayumu Iwasa - Formel 2 - Bahrain 2023
Red Bull
Die Formel 2 und die Formel 3 wurden in Bahrain mit E55 betankt.

Drop-in Fuels sind das Ziel

Wichtig ist, dass es sich bei den dort entwickelten Produkten um so genannte Drop-in Fuels handelt, also Kraftstoffe, die ohne Anpassungen und Zusatzkosten jeden Verbrennungsmotor befeuern können und in naher Zukunft bezahlbar sind. Der Preis für ein Barrel E-Fuels soll auf unter 200 Dollar gedrückt werden.

Die Formel-1-Lobbyisten wollen die Mitglieder der EU-Kommission davon überzeugen, dass es dumm wäre, sich auf einen Weg zu versteifen. Aus diesem Grund hat die Formel 1 ein Strategiepapier verfasst, das zeigt, warum es besser wäre auch Hybrid-Fahrzeugen in Verbindung mit E-Fuels eine Chance zu geben.

Ein zweigleisiger, technologieoffenen Ansatz führt demnach schneller zum Ziel. Im Jahr 2030 werden global 1,4 Milliarden Autos auf den Straßen unterwegs sein. Nur acht Prozent davon rein Batterie-getrieben. Für 2035 wird bereits mit 1,8 Milliarden Fahrzeugen gerechnet, von denen selbst unter den optimistischsten Annahmen nur 26 Prozent voll elektrifiziert sein werden. Dazu kommt, dass sich nur 25 Prozent der 195 Ländern weltweit derzeit ähnlich ehrgeizige Klimaziele wie die EU gesetzt haben.

Stefano Domenicali - Formel 1 - GP Japan 2022 - Suzuka
xpb
Stefano Domenicali will die Verbrenner-Technologie in der Formel 1 weiter interessant für Hersteller und Mineralöl-Unternehmen halten.

E-Fuels und Biosprit als Sofortmaßnahme

Wenn die Politik ihre Augen nicht komplett vor der Wirklichkeit verschließen will, dann wird sie akzeptieren müssen, dass 2030 rund 1,2 Milliarden Fahrzeuge immer noch mit einem herkömmlichen Verbrennungsmotor bewegt werden. Könnte ein Teil von ihnen mit E-Fuels egal welcher Herkunft betrieben werden, wäre das ein signifikanter Schritt, um die Reduzierung der Treibhausgase zu erreichen.

Außerdem würde ein schneller Austausch des bestehenden Fuhrparks in Elektroautos den Ausstoß von klimafeindlichem CO2 durch die Produktion dieser Fahrzeuge zusätzlich befeuern. Ein schleichender Übergang wäre vor diesem Hintergrund besser. In West-Europa beträgt die durchschnittliche Lebensdauer eines Autos 18,1 Jahre, in Ost-Europa sind es bereits 28,4. Von ärmeren Volkswirtschaften in Afrika und Asien ganz zu schweigen.

Wenn die Politik synthetische Kraftstoff und Biosprit der zweiten Generation von vornherein als inkompatibel mit ihren Zielen erklärt, werden sich auch keine Investoren finden, die in dieser Technologie einen Markt sehen und durch Entwicklung das Problem der verfügbaren Mengen und des derzeit noch hohen Preises vorantreiben. Pat Symonds glaubt, dass der Motorsport im allgemeinen und die Formel 1 im Besonderen dafür eine Vorreiterrolle spielen kann.

F1-Schild - Net-Zero - Klimaschutz Formel 1
Motorsport Images
Wenn möglich soll die Formel 1 sogar schon vor 2030 das Ziel der CO2-Neutralität erreichen.

CO2 aus der Luft oder Biomasse

Das Papier der Formel 1 weist darauf hin, welches Potenzial in der Erstellung synthetischer Kraftstoffe steckt. Das Herausziehen von Kohlendioxyd direkt aus der Umgebungsluft oder aus Industrieproduktion ist nur ein Weg bei der Herstellung von E-Fuels. Den Mineralölfirmen und Automobilherstellern steht offen, auch andere Herstellungswege zu bestreiten, solange sie klimaneutral sind.

Zu Beginn ist es sinnvoll, biologische Abfälle als Basis für CO2-neutralen Sprit zu nutzen. Landwirtschaftliche Abfälle emittieren beim Verfall drei Prozent ihres enthaltenen Kohlenstoffs als Methan, das 25 Prozent mal so klimaschädlich ist als Kohlendioxyd. Es mache also doppelt Sinn den in biologischen Abfall enthaltenen Kohlenstoff wieder zur Herstellung von Kraftstoff zu verwenden.

Die Formel 1 verpflichtet sich bei ihrer Berechnung der Klimafreundlichkeit ausschließlich den Full-Life-Cycle-Kriterien (LCA) und weist auf ein weiteres Problem reiner E-Autos hin. Das ist der Rohstoffverbrauch. Wasserstoff, Kohlendioxyd und biologische Abfälle gibt es überall. Die Materialien, die in Batterien verbaut werden, nicht. Das schafft geopolitische Abhängigkeiten, deren Problematik Russlands Ukraine-Krieg gerade deutlich vor Augen führt.

Der immense Stromverbrauch für die Herstellung alternativer Kraftstoffe und die im Moment sechs Mal schlechtere Energieausbeute von E-Fuels soll durch neue Technologien auf ein erträgliches Maß gesenkt werden. Daran wird im Auftrag der Formel 1 genauso geforscht wie an einer effizienteren Gewinnung von Wasserstoff aus Meerwasser.

Das Strategiepapier der Formel 1 warnt die EU-Politik nur auf ein Pferd zu setzen und sich darauf zu verlassen, dass man Mobilität verordnen kann und nicht davon ausgehen sollte, dass andere diesem Ansatz bedingungslos folgen. "Wir haben auf allen Gebieten die Erfahrung innovative Lösungen voranzutreiben und Ziele in einem kurzen Zeitraum zu erreichen. Unser Plan sieht vor, die Klimaziele lange vor 2035 schaffen."