Formel-1-Rückkehr auf Nordschleife
Stargast Vettel, Spektakel mit 50 Zylindern

Zehn Jahre lang fuhr kein Formel-1-Auto mehr auf der Nordschleife. Im Rahmen der "Red Bull Formula Nürburgring" feierte die Königsklasse ein Comeback in der Grünen Hölle – für die Show, mit ausgemusterten Rennwagen. Wir haben die Bilder des Spektakels, das Sebastian Vettel anführte und bei dem 50 Zylinder röhrten.

Sebastian Vettel - David Coulthard - Red Bull - Nürburgring - Nordschleife - Samstag - 9.9.2023
Foto: Red Bull

Es war ein Motorsport-Fest in der Eifel mit über 60.000 Fans. Eines mit Kaiserwetter und kleinen Schönheitsfehlern. Sie gehörten früher zum Rennsport dazu und sind durch die Perfektion der Technik fast ausgemerzt. An diesem Samstag (9.9.2023) am Nürburgring blies zwar kein Wind, doch es wehte so etwas wie Nostalgie durch die Grüne Hölle. Fünf Formel-1-Autos sollten die 73 Kurven der Nordschleife nehmen. Tatsächlich schafften es nur drei.

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Die anderen beiden scheiterten an der Technik oder wurden vom Fahrer selbst ausgebremst. So wie in früheren Zeiten. Gerhard Berger sollte die Show-Veranstaltung von Red Bull um 10:42 Uhr eröffnen. Die österreichische Rennsportlegende rollte im Ferrari 412 T2 zunächst die Rampe aus dem provisorischen Fahrerlager an der Müllenbachschleife herunter. Dann pausierte das letzte Formel-1-Auto von Ferrari mit einem Zwölfzylinder-Motor schon wieder.

Mathias Lauda - Ferrari 312 B3-74 - Nürburgring - Nordschleife - Samstag - 9.9.2023
Red Bull

Mathias Lauda fuhr den 1974er Ferrari 312 B3 seines Vaters Niki.

Zwei Mal Ferrari-Zwölfzylinder

"Anfangs hatte ich ein kleines Problem mit der Kupplung", schildert Berger seinen Stotter-Start. "Das Getriebe hat einfach einen Gang raufgeschaltet. Ich glaube, wenn man zu tief ist mit der Drehzahl macht es die Elektronik nicht richtig mit." Als der Ferrari 412 T2, der 1995 eine Pole (mit Berger in Belgien) und einen Sieg (mit Jean Alesi in Kanada) einstrich, endlich über den GP-Kurs rollte, verlor der Fahrer die Orientierung.

Berger bog bei der Kurzanbindung zurück zur Müllenbachschleife nicht nach rechts ab, wie Mathias Lauda, sondern nach links in Richtung Mercedes-Arena. "Ich habe die Einfahrt oben verpasst. Ich stand dann falsch und wollte nicht gegen die Fahrtrichtung wenden. Ich habe den Motor abgestellt. Schlussendlich ist uns die Zeit davongelaufen, noch auf die Nordschleife zu fahren." Zeitslot verpasst, Nordschleifen-Premiere verschoben: "Auf das nächste Leben", flachst Berger. "Ich bin tatsächlich nur mal vor etwa 20 Jahren eine Runde auf der Nordschleife mitgefahren."

Mathias Lauda fand den richtigen Weg. Der Sohn von Formel-1-Legende Niki Lauda belohnte sich mit einer Runde auf dem mehr als 20 Kilometer langen Kurs. Er pilotierte den Ferrari 312 B3-74 aus dem Jahr 1974. Es war der erste Ferrari, den Niki Lauda nach seinem Wechsel zur Scuderia fuhr. Der 2019 verstorbene, dreimalige F1-Weltmeister gewann darin zwei seiner insgesamt 25 Rennen – in Spanien und Holland. Sein Teamkollege Clay Regazzoni obendrein den GP Deutschland 1974 auf der Nürburgring-Nordschleife. Der Zwölfzylinder leistet etwa 500 PS bei 12.500 Touren.

Vettel vermisst Rennfahren

35.000 Fans verfolgten die Show-Veranstaltung an der Müllenbachschleife. Weitere 25.000 an der GP-Strecke und rund um die Nordschleife. Den größten Zuspruch unter den Fans genoss Sebastian Vettel, der im Red Bull RB7 erst alleine und später noch eine Runde im Parallelflug mit David Coulthard bestritt.

Der Schotte saß dabei im Red Bull RB8. Mit diesen beiden Autos gewann Vettel seinen zweiten und dritten WM-Titel 2011 und 2012. Ein Jahr später siegte der Heppenheimer beim Heimspiel auf dem Nürburgring – und holte seinen vierten Meisterpokal in der Formel 1. Es war auch das Jahr, als letztmals ein Formel-1-Rennwagen über die Nürburgring-Nordschleife brauste. Damals mit Michael Schumacher am Steuer des alten Mercedes W02.

Mehr als neun Monate ist Vettel inzwischen ein Formel-1-Rentner. "Ich vermisse das Rennfahren. Im Moment komme ich aber gut klar damit. Ich habe mehr gute Tage als schlechte", erzählte der 53-malige GP-Sieger nach seinem Showrun. Vettel wirkte relaxt, gelöst, nahbar. Er nahm sich viel Zeit, um Autogramme zu schreiben.

Tags zuvor hatte er sich erstmals mit der Nordschleife vertraut gemacht. Doch 73 Kurven prägt man sich selbst als vierfacher Weltmeister nicht so leicht ein. "Einer meiner häufigsten Gedanken war: Wo geht es lang – ob jetzt rechts oder links? Ich bin kein Spezialist für die Nordschleife. Ein bisschen Abenteuer war also schon dabei."

Sebastian Vettel - Red Bull RB7 - Nürburgring - Nordschleife - Samstag - 9.9.2023
Red Bull

Sebastian Vettel drehte mit "Kinky Kylie" seine Runden auf der Nürburgring-Nordschleife.

Im RB7 wie in Zeitkapsel

Im RB7 mit 2,4-Liter-V8-Saugmotor gewann Vettel in der Saison 2011 elf Rennen. "Wieder im Auto zu sitzen, fühlte sich an, wie in einer Zeitkapsel zu sein", sagte der 36-Jährige. "Es waren sogar ein paar Jungs meiner alten Crew dabei." Der Renault-Motor konsumierte bei der Show-Fahrt synthetisch hergestellten Kraftstoff – also Benzin, das im Labor künstlich mit CO₂ und Wasserstoff hergestellt wird. Der Literpreis dafür beträgt um die fünf Euro.

Vettel ist nicht der Typ, der einfach nur zur Show über die Nürburgring-Nordschleife fährt. Er will die Bühne nutzen, um etwas zu vermitteln. Der 36-Jährige hat sich in seinen letzten Formel-1-Jahren zu einem Botschafter für Gleichberechtigung und speziell für Umweltschutz entwickelt. Vettel wirbt für diese Art Kraftstoff. "Im Cockpit spürst du keinen Unterschied. Es riecht, wie normales Benzin und es fühlt und hört sich alles ganz normal an. Es ist vielleicht nicht die Lösung, aber vielleicht ein Teil der Lösung." Der RB7 war das einzige Formel-1-Auto, das mit künstlichem Benzin betrieben wurde. Die 42 restlichen Zylinder liefen mit gewöhnlichem Rennbenzin.

Einer fehlt noch: Der Williams FW25 mit BMW-Zehnzylinder kreiste an diesem Samstag der "Red Bull Formula Nürburgring" wie der Berger-Ferrari ebenfalls nicht auf der Nordschleife. Streckenposten wollten gehört haben, dass der Rennwagen, den Ralf Schumacher auf der Grand-Prix-Strecke ausführte, zu tief eingestellt gewesen sein soll für die Grüne Hölle.