Konkurrenz schimpft über Unsportlichkeit
So trickste sich Haas zu einem WM-Punkt

Für fünf Teams im Feld zählt jeder Punkt wie ein Sieg. Noch nie war es so schwer in die Top Ten zu fahren. Haas hat es dank perfektem Teamwork geschafft. Dafür brauchten die US-Ferrari aber auch den nötigen Speed.

Kevin Magnussen - GP Saudi-Arabien 2024
Foto: xpb

Noch nie war das Formel-1-Feld so eng zusammen wie in diesem Jahr. Und trotzdem war es für die Hälfte des Feldes noch nie so schwer in die Top Ten zu fahren. "Wenn vorne keiner ausfällt, haben wir keine Chance. Und wenn es passiert, dann brauchen wir das absolut perfekte Rennen, um den Punkt auch abzuholen", sagte Haas-Teamchef Ayao Komatsu schon in Bahrain.

Beim Saisonauftakt machten die fünf Top-Teams keine Geschenke. Alle zehn Autos kamen ins Ziel. Dem Elften Guanyu Zhou fehlten 10,8 Sekunden auf einen Punkterang. Das wäre auch in Jeddah so gewesen, hätte Lance Stroll seinen Aston Martin nicht in der sechsten Runde in die Mauer gesteckt.

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Ab diesem Moment war klar: Jetzt gibt es unter den Teams von Platz 6 bis Rang 10 ein heißes Rennen um diesen einen Punkt. Und tatsächlich war der Kampf um den Sieg des kleinen Mannes das Salz in der Suppe eines ansonsten wieder mäßig unterhaltsamen Grand Prix.

Nico Hülkenberg - GP Saudi-Arabien 2024
Red Bull

Als erster Pilot aus dem Formel-1-Unterhaus konnte Nico Hülkenberg einen WM-Punkt sammeln.

Abstand verdreifacht sich im Rennen

Eigentlich ist es ja ein Widerspruch, dass es bei der Leistungsdichte für das Unterhaus der Formel 1 so schwierig ist aus eigener Kraft in die Punkteränge zu fahren. Immerhin kam mit Yuki Tsunoda einer aus dieser Gruppe am Freitag ins Q3. Und Nico Hülkenberg hätte es vielleicht auch geschafft, wäre ihm im Q2 nicht das Benzin ausgegangen.

Haas, Toro Rosso, Williams, Sauber und Alpine trennen auf eine Runde zwei Zehntel vom Letzten der Top-Liga. Im Rennen aber verdoppelt oder verdreifacht sich je nach Rennstrecke dieser Abstand. Hülkenberg fehlten mit ähnlicher Taktik 29,6 Sekunden auf den Neunten Lewis Hamilton. Das sind fast sechs Zehntel pro Runde.

Vor diesem Hintergrund zählt jedes Detail, wenn man Punkte abstauben will. Das Auto braucht den nötigen Speed, die Fahrer dürfen sich keine Fehler erlauben und der Kommandostand muss hellwach sein. Bei Haas fügte sich in Jeddah trotz der Startplätze 13 und 15 alles zusammen.

Yuki Tsunoda - GP Saudi-Arabien 2024
xpb

Kevin Magnussen kassierte zwei Strafen: Zuerst drückte er Albon in die Wand, dann überholte er Tsunoda neben der Strecke.

Nur zwei splitten Strategie

Der US-Ferrari hatte das nötige Renntempo, um nach Strolls Ausfall aus eigener Kraft in die Punkteränge zu fahren. Kevin Magnussen und Nico Hülkenberg wurden in ihrer schnellsten Rennrunde nur von Williams-Pilot Alexander Albon um ein paar Hundertstel geschlagen. Es war nun schon der zweite Beweis, dass der Haas VF-24 viel schonender mit den Reifen umgeht als sein Vorgänger.

Die zweite richtige Entscheidung war die Strategie zu splitten. Beim Safety-Car in der siebten Runde wurde nur Magnussen an die Box geholt. Von den direkten Gegnern kam lediglich Sauber mit Guanyu Zhou auf diese Idee, obwohl sie auf der Hand lag. Wer eine Chance auf den einen Punkt haben wollte, musste beide Karten spielen.

Es war klar, dass die zweite Hälfte des Feldes ihr eigenes Rennen fahren und sich dabei aufreiben würde. Das kostet Rundenzeit. Wer vorne wie Hülkenberg und Zhou freie Fahrt hatte, konnte konstant seine Runden drehen und dabei auch noch Reifen schonen. Es ging nur noch darum, 20 Sekunden Vorsprung herauszufahren, um nach dem Boxenstopp vor der Meute zu bleiben.

Nico Hülkenberg - GP Saudi-Arabien 2024
xpb

Magnussens Blockade und ein schneller Boxenstopp der Haas-Crew führten dazu, dass Hülkenberg vor dem Mittelfeldzug auf die Strecke zurückkehrte.

Magnussen bummelt, Hülkenberg gibt Gas

Haas spielte das Spiel brillant, weil man mit Magnussen einen Mann hatte, der an der Spitze der Verfolger fuhr, der wegen zwei Zehnsekunden-Strafen ohnehin nicht mehr für die Punkteränge in Frage kam und der schnell genug war, seine Hintermänner so einzubremsen, dass man ihm unfaire Fahrweise nicht vorwerfen konnte.

Die Konkurrenz regte sich nach dem Rennen vor allem über das Überholmanöver gegen Yuki Tsunoda auf, das ihn überhaupt erst an die Spitze der Verfolgergruppe brachte: "Das war schwer zu akzeptieren", schimpfte Toro-Rosso-Sportdirektor Alan Permane. "Magnussen hat absichtlich die Strecke verlassen, um sich vor Yuki zu setzen. Dann hat er das Tempo um zwei Sekunden pro Runde verlangsamt."

Der Funkspruch vom Haas-Kommandostand kam aber erst fünf Runden nach dem strittigen Manöver. Die Strategen gaben dem Dänen Zielzeiten im Bereich von 1.35,5 Minuten vor. Zunächst betrug Hülkenbergs Vorsprung auf Magnussen gerade mal 4,3 Sekunden. Dann ließ der lange Deutsche zehn 1.34er-Runden folgen. Magnussen bummelte genauso konstant mit Rundenzeiten zwischen 1.35,7 und 1.36,5 Minuten herum. In Runde 33 war es so weit. Das Haas-Teamwork hatte die Lücke auf 21,5 Sekunden vergrößert.

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Haas sich einen unfairen Vorteil ermogelt. Das hätte bestraft gehört.

Definition von unsportlichem Verhalten

Hülkenberg kehrte 1,7 Sekunden vor Magnussen ins Rennen zurück. Wie auf Knopfdruck erhöhte der zweite Haas-Pilot das Tempo und fuhr bis ins Ziel nur noch 1.33er und 1.32er-Zeiten. Magnussen setzte sich sogar noch drei Sekunden von Albon ab. "Für mich lief das nicht korrekt ab", klagte Permane. "Das ist die Definition von unsportlichem Verhalten. Wir und andere Teams werden mit der FIA darüber reden, um das für zukünftige Rennen zu klären."

Am US-Team prallte die Kritik ab. Alle anderen hätten es genauso gemacht, hätten sie nur die Gelegenheit dazu gehabt. Hülkenberg selbst merkte während des Rennens gar nicht, wie engagiert ihm der Teamkollege den Rücken frei hielt. Hinterher bedankte er sich für die Schützenhilfe: "Das war perfektes Teamwork. Bei nächster Gelegenheit werde ich mich bei Kevin dafür revanchieren."

Voraussetzung für das Zusammenspiel der Haas-Piloten aber war der gute Rennspeed. Und das ist die eigentliche Überraschung. Fast alle Experten hatten Haas als Schlusslicht auf ihrem Tippzettel. Jetzt führen sie zweite Tabellenhälfte an.

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