Mercedes-Baustelle Boxenstopps
Problem mit Design, Material und Werkzeugen

GP Mexiko 2023

Mercedes forderte in Austin Red Bull heraus. Die Disqualifikation von Lewis Hamilton kostete den Rennstall den zweiten Platz. Eine Baustelle zeigte sich auch in den USA wieder. Mercedes wickelt die Reifenwechsel zu langsam ab. Um schneller zu werden, braucht es Verbesserungen in vielen Details.

George Russell - Mercedes - GP USA 2023 - Austin
Foto: xpb

Mercedes-Teamchef Toto Wolff ärgerte sich nach dem GP USA über die Boxenstopps seiner Mannschaft. Da konnte der Österreicher noch gar nicht ahnen, dass das Auto von Lewis Hamilton später durch die Kontrolle der FIA fallen wird. Die Planke am W14 mit der Startnummer 44 hatte sich im hinteren Teil rund um die Kontrollstellen, an den Skid Blocks aus Titan, zu stark abgenutzt.

Am Ferrari von Charles Leclerc, der wie Hamilton durch die Nachkontrolle rasselte und im Nachgang ebenfalls disqualifiziert wurde, sollen es 1,3 Millimeter gewesen sein. Erlaubt ist maximal ein Verschleiß von einem Millimeter. Ferrari lag also um 0,3 Millimeter über der Grenze. Mercedes soll über der Abnutzung von Ferrari gelegen haben. Man hört von einer Überschreitung von zwei Millimetern. McLaren und Red Bull bestanden dagegen die FIA-Tests nach dem Rennen.

Unsere Highlights
Mercedes - Formel 1 - GP Mexiko - Donnerstag - 26.10.2023
ams

Der W14 wird schneller. Die Boxenstopps müssen es noch werden.

Kein Puffer mehr für Mercedes

Der Mercedes-Teamchef ärgerte sich am Ende also doppelt. Einerseits über den Wertungsausschluss. Andererseits über die zu langsamen Reifenwechsel. "Wir können uns die alte Herangehensweise nicht mehr erlauben, zuallererst schlechte Boxenstopps zu vermeiden. Die anderen sind so viel besser geworden, dass wir an einem Wendepunkt angekommen sind. Wir müssen uns deutlich steigern in dieser Disziplin. Wir müssen die Wissenschaft dahinter, die Prozesse und unser Equipment aufwerten."

Wolff bezog sich bei seiner Kritik vordergründig auf die zwei Reifenwechsel am Auto von Lewis Hamilton. Wenn am Ende nur 2,2 Sekunden zum Sieger fehlen, macht jede verlorene Zehntel einen Unterschied. Ganz so schlimm war es aber nicht. Die Stopps gehörten zwar wieder nicht zur schnellen Sorte. Doch im Vergleich mit Rennsieger Max Verstappen büßte der siebenmalige Weltmeister in der Boxenstraße nicht viel Zeit ein.

"Es waren bei den beiden Boxenstopps, wenn wir die Durchfahrtszeit nehmen, sieben Zehntelsekunden", rechnet Mercedes-Teammanager Ron Meadows vor. "George war sogar vier Zehntel schneller durch die Boxenstraße als Max." Oder anders: Die Wahrnehmung ist manchmal schlechter als es die Realität wirklich ist. Gerechnet wird von Boxeneinfahrt bis -Ausfahrt. Dabei muss gesagt sein, dass Red Bull am Rennsonntag von Austin auch nicht zu den schnellsten gehörte.

Schlagschrauber - Formel 1 - Jeddah - GP Saudi-Arabien - 16. März 2023
xpb

Formel-1-Schlagschrauber sind kleine Hightech-Maschinen.

Bei Boxenstopps ein Mittelfeldteam

Von 2014 bis 2020 konnte sich Mercedes den Luxus leisten, beim Reifentausch auf Nummer sicher zu gehen. Man baute auf der Rennstrecke ausreichend Puffer auf. Doch 2021 begegnete Red Bull den Silberpfeilen auf Augenhöhe. Mit dem Wechsel auf Groundeffect-Autos im Vorjahr fährt Mercedes dem Klassenprimus hinterher – und duelliert sich mit Ferrari und McLaren um die Verfolgerrolle.

Der Seriensponsor der Formel 1 DHL führt Buch über die Boxenstopps. Und in dieser Rangliste belegte Mercedes im letzten Jahr den achten von zehn Plätzen. In diesem Jahr rangiert das Team aus dem englischen Brackley auf der siebten Position. Demnach sind Red Bull (P1), Ferrari (P2) und McLaren (P3) die Topteams bei den Boxenstopps. In letzter Zeit trumpfte gerade McLaren auf. In Katar mit einem Rekordstopp von 1,80 Sekunden.

Mercedes ist von diesen Zahlen weit entfernt, und kann mit den besten nicht mithalten. In der Liste für die zehn schnellsten Reifenwechsel der Saison stehen drei Teams: McLaren (5x), Red Bull (3x), Ferrari (2x). Der beste Tausch in Austin lag bei 2,07 Sekunden – von McLaren. Beim besten Wechsel von Mercedes mit George Russell stoppte die Uhr nach 2,58 Sekunden. In elf der bisherigen 18 Rennen lag die Boxenstopp-Durchschnitt von Mercedes bei über drei Sekunden. Die Werte verwässern allerdings auch etwas: Im Endeffekt zählt wie oben beschrieben die Durchfahrtszeit. Dennoch bleibt festzuhalten. Bei Boxenstopps ist Mercedes ein Mittelfeldteam.

Lewis Hamilton - Mercedes - Formel 1 - GP USA 2023 - Austin - Rennen
Motorsport Images

Bei den Boxenstopps ist Mercedes nur ein Mittelfeldteam.

Synchronisation stimmt nicht

Diese Baustelle muss Brackley für die kommende Saison räumen. Der Teufel steckt in den vielen kleinen Details: in der Konstruktion der Radmutter und des Radträgers sowie im Aufbau des Schlagschraubers. "Wir müssen sowohl an das Material als auch an die Form der betroffenen Teile ran", schildert Teammanager Meadows. Beim Abziehen und Wiederanbringen des Rades stimme die Synchronisation zwischen dem Schlagschrauber, der Radmutter und den Sicherheitsstiften für die Radfixierung nicht.

Andere Teams haben speziell bei den Sicherheitsmechanismen bessere Lösungen gefunden, die zu schnelleren Wechseln führen, ohne selbst unsicher zu werden. Bei diesen Tricks muss Mercedes nachbessern. Aus dem Team heißt es, dass für 2024 bereits einige Projekte in diese Richtung angeschoben wurden. Die Budgetdeckelung setzte bisher Grenzen. Mercedes steckte das Geld lieber ins Auto, um dort die Baustellen zu beseitigen, und nicht in besseres Boxenstopp-Equipment.