Upgrade-Plan für neuen Mercedes
W14-Facelift schon im Windkanal

Der neue Mercedes behält sein Gesicht. Die Ingenieure passten ihr eigenwilliges Konzept vorerst nur im Detail an. Mercedes glaubt, dass man für die Revanche weder eine Red Bull-Kopie noch einen schwarzen Ferrari braucht.

Mercedes W14 - Silverstone - 2023
Foto: Mercedes

Ein Sieg, eine Pole Position, 17 Podestplätze, 515 WM-Punkte: Für viele Formel 1-Teams wäre diese Bilanz ein Grund zum Feiern gewesen. Nicht für Mercedes. Für ein Team, das acht Mal hintereinander Konstrukteurs-Weltmeister wurde, ist ein dritter Platz eine Niederlage. "Keiner von uns will noch einmal durch so eine Saison gehen", sagt George Russell. Das sagt ein Mann, der 2022 immerhin seinen ersten GP-Sieg feiern durfte.

Russell relativiert: "Gemessen an den Problemen, die wir mit dem Auto hatten, haben wir das Maximum aus dem Paket herausgeholt. Mit etwas mehr Rennglück hätten wir in beiden Weltmeisterschaften Zweiter werden können."

Unsere Highlights

Teamchef Toto Wolff pflichtet bei: "Es war nicht alles schlecht an unserem letztjährigen Auto." Technikdirektor Mike Elliott erinnert an die überragende Zuverlässigkeit. In 22 Rennen schlich sich nur ein einziger Defekt ein. Ein Hydraulikschaden bei Lewis Hamilton im Finalrennen in Abu Dhabi.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen und wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogenen Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzbestimmungen.

Mut bewiesen, auf die Nase gefallen

In der Saison 2023 stehen die Zeichen auf Revanche. Mercedes will wieder mit Red Bull und Ferrari um beide Titel fahren. Nach den Präsentationen und Shakedowns sind Prognosen noch reine Kaffeesatzleserei, doch Russell traut sich wenigstens eine vorsichtige Prognose: "Ich hoffe, dass wir die Saison im schlimmsten Fall dort beginnen, wo wir 2022 aufgehört haben." Wolff hat sich eine Viertelstunde lang eine Formulierung überlegt, die ihm später nicht auf den Kopf fällt. "Wir werden konkurrenzfähig sein, wissen nur noch nicht wann."

Mercedes geht in diesem Jahr den umgekehrten Weg vom letzten Jahr. Da packte der Werksrennstall schon vor dem ersten Rennen seinen Joker aus, der sich dann über drei Viertel der Saison als Niete erwies. Diesmal beginnt Mercedes auf einer Basis, die man kennt, und bewegt sich schrittweise zu dem hin, was schon in den Köpfen der Ingenieure ist.

Schon mit dem ersten Upgrade wird der W14 deutlich anders aussehen als zum Saisonstart. Wolff deutet an: "Wir haben im letzten Jahr großen Mut bewiesen und sind auf die Nase gefallen. Das Auto hatte großes Potenzial, aber wir konnten es über weite Strecken der Saison nicht zeigen, weil es an der Hinterachse zu stark gesprungen ist."

Es gibt gute Gründe daran zu glauben, dass das Bouncing der Geschichte angehört. "Wir haben im letzten Jahr viel gelernt und hoffentlich die richtigen Schlüsse daraus gezogen." Außerdem sollten die an den Seiten um 15 Millimeter hochgezogenen Kanten helfen, das An- und Absaugen des Bodens zur Straße hin weitgehend verhindern.

Damit könnte sich das Technikbüro gleich in die Weiterentwicklung stürzen. Etwas, das in der Vorsaison erst nach dem sechsten Rennen möglich war. Das hofft auch Motorenchef Hywel Thomas: "Das Bouncing war für den Antrieb eine große Last. Die Schläge haben die Motoren schwer in Mitleidenschaft gezogen."

Mercedes W14 - Silverstone - 2023
Mercedes
Am Donnerstag versuchte Mercedes im Rahmen eines Filmtags erste Daten zu sammeln. Doch das Wetter spielte nicht so ganz mit.

Seitenkästen nicht die heilige Kuh

Mercedes hat es geschafft, seinem Konzept der minimalen Seitenkästen treu zu bleiben und trotzdem ein paar Features der Konkurrenz mit einzuarbeiten. Die obere seitliche Crashstruktur ist immer noch ein Flügel, der die Luft nach unten umleitet. Der Kühleinlass ist immer noch weit nach hinten versetzt und wie ein schmaler vertikaler Briefkastenschlitz geformt. Die Seitenkästen weisen weiter keine horizontalen Flächen auf, sondern fallen schräg zum Boden hin ab.

Auf Höhe der Kühlauslass-Kiemen, deutet sich so etwas wie eine Rampe im Stile von Red Bull an. Damit reduziert sich auch die freie Fläche auf dem Boden des Autos. Das gibt der Bodenplatte mehr Stabilität. Eine größere Ausbeulung ist ansonsten nur weit oben an der Motorhaube zu erkennen.

Der W14 ist weder ein schwarzer Red Bull, noch ein schwarzer Ferrari. Mercedes blieb sich treu. Mike Elliott erklärt, warum das Designteam nicht alles auf den Kopf gestellt hat. "Wir haben uns im letzten Jahr immer wieder die Frage gestellt, ob wir einen grundlegenden Fehler gemacht haben. Oft verstecken sich solche Fehler in der frühen Designphase. Aber wir konnten nichts finden, was konzeptionell schlecht war. Deshalb hat das Auto seine DNA behalten. Die notwendigen Adaptionen haben wir an der Verkleidung vorgenommen."

Auch Wolff glaubt, dass die Diskussion um die Seitenkästen überbewertet ist: "Wir haben letztes Jahr immer wieder darüber diskutiert, ob wir richtig oder daneben liegen. Es gab und gibt keine heiligen Kühe. Am Ende kamen wir darauf, dass die Seitenkästen nicht so relevant für die Rundenzeit sind wie andere Dinge. Sie waren nicht der Grund für unsere Probleme." Und doch werden sie ihre Form bald schon ändern. "Das ist nur die erste Iteration. Im Windkanal haben wir schon etwas, was anders aussieht." Wohin die Reise genau geht, lässt der 51-jährige Österreicher offen.

Mercedes W14 - Silverstone - 2023
Mercedes
Wenn der schwarze Silberpfeil nicht direkt um Siege kämpft, ist noch nichts verloren. Die Ingenieure arbeiten schon an ersten Upgrades.

Farbe und ihre Geschichte

Der Stachel der Niederlage saß tief. Laut Toto Wolff war es eine gute Lektion und Prüfung zugleich. Das Team musste lernen, diverse Nackenschläge zu verdauen und einen Weg aus der Krise zu finden. "Wir wissen jetzt nicht nur, wie man mit Erfolgen umgeht, sondern auch, wie man Krisen managt. In diesem Prozess haben wir viel über uns selbst gelernt. Es hat uns alle besser gemacht."

Für Lewis Hamilton war es die ersten Formel-1-Saison ohne Sieg überhaupt. Umso motivierter kam der siebenfache Weltmeister aus der Winterpause zurück. "Am Anfang hast du immer das Gefühl, dass die Pause zu kurz ist. Und dann kannst du es gar nicht mehr erwarten, bis du endlich im Auto sitzt." Der Rekordsieger gab zu, dass er in der Zeit des Wartens auch bei der Konkurrenz spioniert hat. "Bei jeder Präsentation schaust du dir Bilder an und zoomst dir die Details ran. Für mich ist das die spannendste Zeit des Jahres."

Das eigene Auto erntete erst einmal Lob. Die Optik stimmt. "Wenn es so schnell ist, wie es aussieht, dann können wir zufrieden sein", stellt Wolff fest. Hamilton gefällt natürlich die Farbe. Mit einem schwarzen Mercedes wurde er 2020 Weltmeister und lieferte sich 2021 mit Max Verstappen einen Kampf bis zum Finale.

Schwarz ist diesmal aber kein Bekenntnis für mehr Diversität, sondern pure Notwendigkeit. Nur durch Weglassen von Farbe schafft der Mercedes W14 das Gewichtslimit. Obendrein brauchte es dafür auch noch ein neues, leichteres Chassis.

Toto Wolff sieht in der Wahl der Farbe sogar eine Analogie zur Geschichte der Silberpfeile. Einst, in grauer Vorkriegszeit, soll man schon die weiße Farbe von den Autos gekratzt haben, um Gewicht zu sparen. Was blieb war die blanke Aluminiumhaut. Diesmal hat man quasi am silbernen Lack gekratzt und zum Vorschein kam die schwarze Kohlefaserstruktur.