Neuer Mercedes W14 für die F1-Saison 2023
Schwarzer Mercedes in Action

Mercedes giert nach Revanche. Dafür haben die Ingenieure das extreme Konzept von vorn bis hinten verfeinert. Der neue Mercedes W14 hat weiter einen Mini-Seitenkasten. Und das neue Auto von Lewis Hamilton und George Russell ist wieder fast komplett in Schwarz gehalten. Wir verraten Ihnen, was es damit auf sich hat. Und wer die ersten Runden in Silverstone drehen durfte.

George Russell - W14-Shakedown - Silverstone - 2023
Foto: Mercedes

Die Vorsaison genügte den Mercedes-Ansprüchen nicht. Das Team, das zwischen 2014 und 2021 mit einer Ausnahme alle Weltmeister-Titel abräumte, fiel hinter Red Bull und Ferrari zurück. Mercedes feierte nur eine Pole Position (GP Ungarn) sowie einen Sieg im Sprint und Hauptrennen (jeweils GP Brasilien). In der Team-WM landete der erfolgsverwöhnte Rennstall auf dem dritten Platz.

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Es dauerte fast eine Dreiviertel-Saison, bis Mercedes sein Auto verstanden und die größten Baustellen geräumt hatte. Der W13 war ein Auto, das dann vor allem auf Kursen auftrumpfte, die maximalen Abtrieb verlangten. Selbst bei Red Bull gaben sie zu, dass der Mercedes den meisten Anpressdruck im Feld generiere. Allerdings mangelte es an Effizienz. Auf Highspeed-Strecken wie Spa oder Monza war der Mercedes viel zu langsam.

Unsere Highlights
Mercedes AMG W14 - F1-Auto - Präsentation - 2023
Mercedes
Alt gegen neu: Farbe und Technik haben sich in vielen Bereichen geändert.

Mini-Seitenkasten bleibt

Die Ingenieure haben durch die aufsteigende Formkurve im letzten Saisonviertel weiter Vertrauen in ihr Konzept. Mit dem neuen W14 für die Formel-1-Saison 2023 verfolgt es Mercedes weiter. Man baut auf den gemachten Erfahrungen auf, statt sich in ein neues Aerodynamik-Abenteuer zu stürzen. Das heißt aber nicht, dass man die Architektur unverändert ließ. Es gibt äußerlich sichtbare Unterschiede zum Vorjahresmodell. Es soll sich jedoch auch viel unter der Verkleidung getan haben. "Der Kern der DNA ist derselbe, aber wir haben bedeutende Eingriffe in das Bodywork gemacht, und an vielen unsichtbaren Details gearbeitet", erklärt Mercedes-Technikdirektor Mike Elliott.

Die Seitenkästen schmiegen sich weiterhin so eng an das Chassis, dass seitlich viel freie Fläche auf dem Unterboden bleibt. Der Einlass ist weiterhin ein vertikaler Schlitz. Diesmal geht die äußerste Kante aber praktisch gerade nach unten. Das Kühlkonzept ist weiterhin extrem ausgelegt, und wurde für den 2023er Mercedes angepasst. Viel Luft zweigt der Silberpfeil nicht für die Seitenkästen ab.

Apropos Silberpfeil. Nach einem Jahr in Silber wechselt Mercedes wieder die Farbe. Der neue Rennwagen von Lewis Hamilton und George Russell ist 2023 fast ausschließlich in Schwarz gehalten. Nur die Startnummern sowie die Farben von Sponsor Petronas sorgen für ein paar farbliche Akzente.

Schwarz, um Gewicht zu sparen

Wirklich lackiert ist der neue Mercedes W14 nur an der Oberseite der Nase und an der Motorhaube im oberen Bereich. Ansonsten schimmern größtenteils die Carbonfasern durch. Mercedes verzichtet auf Lack. Das spart Gewicht. Das Vorjahresmodell lag selbst am Saisonende noch deutlich über dem Mindestgewicht. Mit einem neuen Chassis hat Mercedes massiv abgespeckt.

Kommen wir zurück auf die Technik. Die Ingenieure haben sich auch von der Konkurrenz inspirieren lassen. Die Nase ist weiter lang, erinnert in ihrer dreieckigen Form an der Spitze jedoch an die des Vorjahres-Ferrari. Die Philosophie des Frontflügels lässt sich vom letztjährigen Alpine ableiten. Mercedes verzichtet auf geschwungene Flügelelemente. Erst am Übergang in die Endplatten machen die Flaps einen Knick nach unten, um die Luft bewusst um die Vorderräder zu drücken.

Der Seitenkasten des neuen W14 ist mini-klein, hat auf der Oberseite jetzt aber eine kleine Rampe nach Red-Bull-Vorbild. Zwar keine extrem ausgebuchtete, allerdings eine deutlich sichtbare. So wird die Luft deutlich länger über den Seitenkasten geleitet als noch beim Vorgänger. Im Prinzip wirkt der Seitenkasten des Mercedes W14 so gebaut, dass die Luft einerseits nach außen gedrückt wird. Hier spricht man vom Outwash. Andererseits wird die Strömung auf der Oberseite offenbar gezielt in Richtung der äußeren Unterbodenkante vor den Hinterrädern und zum Beam-Wing gelenkt.

Mercedes AMG W14 - F1-Auto - Präsentation - 2023
Mercedes
Der Mini-Seitenkasten bleibt das charakteristische Merkmal des Mercedes.

Mercedes gegen Bouncing

Den Seitenkasten-Vorbau hat Mercedes behalten. Die Ingenieure kleiden die obere Crashstruktur zu einem Flügel aus. Auf der Oberseite machen sich der vergrößerte Spiegel und mehrere kleine Strömungsausrichter breit. Auch unterhalb am Chassis, etwa 20 Zentimeter vor dem Einlass in den Seitenkasten, platzieren die Ingenieure kleine Luftleitbleche. Toto Wolff verriet im Rahmen der Vorstellung schon, dass sich die Form der Verkleidung nach ein paar Rennen ändern könne. Wir sind gespannt, ob die "Zero-Pods" die Saison überleben.

Die Motorabdeckung hat ein ausgeprägtes Mittelplateau. Das ist ein Trend, dem viele 2023er Autos folgen. Den Heckflügel stützt weiterhin eine zentrale Stelze. Der Flügel selbst ist neu gezeichnet. Bei den Aufhängungen setzt Mercedes weiterhin auf Pushrods vorn und Pullrods hinten. Jedoch gingen die Ingenieure an die Geometrie der Vorderradaufhängung und der Hinterradaufhängung ran.

Ein Thema, das Mercedes in der vergangenen Saison einbremste, war das Bouncing. Das Hoppeln auf den Geraden und in schnellen Kurven mussten die Ingenieure ihrem neuen Auto austreiben. Dafür hat Mercedes mit Sicherheit viel Aufwand in die Konstruktion des Unterbodens gesteckt. Die Ingenieure hoffen, dass man 2022 ausreichend gelernt hat, um nicht wieder in die Falle zu tappen. Um das Bouncing zu kurieren, braucht es aerodynamische Modifikationen. Das Phänomen ist von den mechanischen Komponenten allerdings nicht losgelöst. Das ganze Konzept muss stimmen.

Ziel ist der WM-Titel

Die Fahrer fordern ein berechenbares Auto. Lewis Hamilton und George Russell wollen einen Mercedes, dessen Balance für alle Kurventypen passt – von den langsamen bis hin zu den schnellen. Im Lastenheft stand auch ein besserer Topspeed. Der neue Mercedes W14 muss auf den Geraden schneller werden. Womöglich hat sich das Team aus Brackley hier einen Trick von Red Bull abgeschaut, das Heck bei hohen Geschwindigkeiten gezielt abzusenken.

"Wir streben danach, um die Weltmeisterschaft zu kämpfen. Jedoch wissen wir, dass unsere Gegner in der letzten Saison sehr stark waren, und dass wir aufholen müssen", sagt Mercedes-Teamchef Toto Wolff. Vielleicht ist der schwarze Silberpfeil zu Saisonbeginn noch nicht das schnellste Auto. Jedoch glaubt man bei Mercedes an das Potenzial, das in diesem Konzept schlummert. Eine Frage ist, wer den Abtriebsverlust durch die neuen Unterbodenregeln am besten kompensiert hat.

Das werden wir erst bei den Testfahrten in Bahrain und in den ersten Saisonrennen erfahren. Teamchef Wolff versichert den Mercedes-Fans: "Wir lassen keinen Stein auf dem anderen auf der Jagd nach jeder Millisekunde. Wir werfen alles rein, was wir haben."

George Russell - W14-Shakedown - Silverstone - 2023
Mercedes
An seinem 25. Geburtstag durfte George Russell die Jungfernfahrt mit dem W14 absolvieren.

Hoppelt das Auto?

Die erste Ausfahrt erlebte der neue Mercedes W14 direkt nach der Präsentation. Das Team hatte dafür die Rennstrecke in Silverstone reserviert. George Russell durfte den nicht mehr silbernen Silberpfeil als Erster ausführen. Bei kühlen aber zunächst trockenen Bedingungen bot sich für die Ingenieure dabei die erste Möglichkeit, Daten über die Aerodynamik zu sammeln.

Später zeigte sich das britische Wetter dann von seiner feuchten Seite, was den Einsatz der Regenreifen erzwang. Russell wollte danach nicht allzu viel über die Jungfernfahrt an seinem Geburtstag preisgeben: "Alles lief glatt. Wichtig war, dass wir keine Dramen erlebt haben. Aber mit den speziellen Reifen und bei diesen Bedingungen ist der Lerneffekt immer begrenzt."

Natürlich richtete auto motor und sport auch die entscheidende Frage an Russell, ob die alten Bouncing-Probleme beim ersten Run wieder aufgetreten sind. Doch darauf wollte der Pilot überraschenderweise nicht näher eingehen. Mit den Worten: "Das werden wir in der nächsten Woche sehen", wich er der Frage kurz und knapp aus. Große Zuversicht hört sich anders an.

Etwas verwunderlich war auch, dass Mercedes nur zwei Fahrbilder von der Strecke veröffentlichte (siehe Galerie). Und beide zeigen das neue Auto von vorne. Ansonsten gab es nur ein handvoll Fotos von der Präsentation und ein paar wenig detaillierte Computer-Renderings. Es scheint fast, als wolle Mercedes noch nicht alle Karten aufdecken.