Ex-Weltmeister verkleinert Fußabdruck
Sebastian Vettels Leben als F1-Rentner

Sebastian Vettel gewöhnt sich so langsam an das Leben als Formel-1-Rentner. In einem Interview mit dem Red-Bull-Hausmagazin "Red Bulletin" erklärt der Heppenheimer, wie er die Königsklasse heute verfolgt und wie er schon während seiner aktiven Zeit angefangen hat, klimafreundlicher zu leben.

Sebastian Vettel - Williams FW14B - Goodwood Festival of Speed 2023
Foto: Motorsport Images

Um Sebastian Vettel ist es in letzter Zeit etwas ruhiger geworden. Die öffentlichen Auftritte des 36-Jährigen sind nach dem Abschied aus der Formel 1 selten. Ganz loslassen kann Vettel aber offenbar nicht. Bei den ersten Ricciardo-Testfahrten in Silverstone schaute der Heppenheimer Mitte Juli überraschend persönlich in der Red-Bull-Garage vorbei.

Wenige Tage später zog Vettel dann auch wieder einen feuerfesten Overall und seinen Rennhelm an. Beim Goodwood Festival of Speed ließ er es im Williams FW14B und McLaren MP4/8 noch einmal richtig krachen. Die beiden Klassiker aus der privaten Garage des vierfachen Weltmeisters wurden dabei mit CO₂-neutral hergestellten E-Fuels betrieben.

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Auch die Grands Prix der aktuellen Saison verfolgt Vettel aus seiner Schweizer Wahlheimat mit großem Interesse, wie er dem Red-Bull-Hausmagazin "Red Bulletin" in einem Interview verriet: "Das erste Rennen war ein wenig komisch, aber mittlerweile schaue ich das echt gerne. Ich kenne den Sport in- und auswendig, ich liebe ihn nach wie vor. Vielleicht sehe ich gewisse Dinge anders, aber ich habe nicht das Gefühl von Traurigkeit, wenn ich die Ex-Kollegen beobachte, gar nicht."

Sebastian Vettel - Williams FW14B - Goodwood Festival of Speed 2023
Motorsport Images

Mit seinem Auftritt in Goodwood machte Vettel gleichzeitig auch Werbung für die Verwendung CO2-neutraler E-Fuels.

Vettel nicht mehr im Wettkampfmodus

Dass sein ehemaliges Team plötzlich so stark aufgeigt, freut den F1-Rentner: "Die erste Reaktion vieler Leute war: Dass der Aston Martin in dieser Saison so schnell ist, muss dich jetzt aber schon fuchsen? Okay, vielleicht wäre es einfacher, wenn das Auto totaler Müll wäre, im Sinn von: Ich versäume eh nix. Nein, primär freue ich mich fürs Team. Und ich freue mich für Fernando Alonso. Lange Jahre hatte er kein Auto, in dem er seine fahrerische Klasse zeigen konnte. Jetzt kann er es und ist vorn dabei."

So ganz kann und will sich Vettel also nicht vom Motorsport lösen. Obwohl er seinen Frieden mit der Entscheidung zum Ausstieg gemacht hat, gibt Vettel offen zu, dass er die Formel 1 auch ein wenig vermisst: "Ich betreibe gern Sport draußen. Stand heute gibt es aber nichts, das mich so ans Limit bringt wie die Formel 1. Das ist es, was mir am meisten fehlt. Hier muss ich mich selbst bremsen, denn genau das wollte ich an mir kennenlernen: Was passiert, wenn ich nicht im Wettkampfmodus bin?"

Jetzt, nach der aktiven Karriere, gehe es für Vettel vor allem darum, den Kitzel und die Anspannung in den nächsten Abschnitt mitzunehmen. "Ich sage nicht, dass es einfach ist, oder behaupte, dass ich es schon geschafft hätte. Ich bin auf der Suche, und dieser Prozess selbst ist ja auch schon spannend." Das primäre Ziel sei es, endlich mehr Zeit für seine Familie zu haben. "Die Dynamik zu Hause ist anders, weil ich präsent bin. Das ist für mich neu und auch für den Rest der Familie."

Sebastian Vettel - Aston Martin - Formel 1 - GP Niederlande - Zandvoort - 1. September 2022
Motorsport Images

"Klar könnten in der Formel 1 alle mit dem Fahrrad anreisen – aber andere Dinge bringen viel mehr."

Astronomischer CO₂-Fußabdruck

Neben dem privaten Glück hat der Rennfahrer aber auch weiterhin den Kampf gegen den Klimawandel auf der Agenda. Wie schon zum Ende seiner aktiven Karriere versucht Vettel, mit seinen öffentlichen Auftritten auf das Thema aufmerksam zu machen und die Menschen zum Umdenken zu bewegen: "Umwelt ist das Thema unserer Generation. Wir befinden uns in der entscheidenden Dekade für das Klima, und da braucht es alle."

Vettel geht selbst mit gutem Beispiel voran. Schon während seiner Zeit als Formel-1-Pilot hatte der 53-fache Grand-Prix-Sieger versucht, seinen persönlichen Fußabdruck zu verkleinern: "Ich habe Autokilometer aufgeschrieben, jeden Flug, jede Übernachtung. Diese Zahl im Vergleich zu der von Otto Normalverbraucher zu sehen, hat mich von den Socken gehauen! Danach habe ich Maßnahmen ergriffen, um den Wert runterzukriegen."

Im Vergleich mit dem durchschnittlichen Verbrauch in der Bevölkerung von rund 11 Tonnen CO₂ klingen die Werte eines F1-Piloten astronomisch hoch: "Begonnen habe ich bei 400 Tonnen – nur in Zusammenhang mit der Formel 1. Zum Schluss war ich auf 60 Tonnen runter. Der Großteil der Reduktion war das Weglassen von Flügen. Bis auf Silverstone und Budapest bin ich letzte Saison zu allen Europa-Rennen mit dem Auto angereist. Ich möchte keinem etwas vorschreiben oder mich als Engel darstellen, aber so habe ich bei mir selbst begonnen."

Sebastian Vettel - GP USA 2022
SMG

Vettel hat sich schon am Ende seiner aktiven F1-Karriere für Umwelt- und Klimathemen eingesetzt.

Autos sind Kulturgut

Vettel ist es wichtig, dass man die Menschen auf dem Weg zum klimaneutralen Leben mit ins Boot holt. "Ich verstehe Menschen, die die Klimakatastrophe als existenzielle Bedrohung für sich begreifen. An diesem Balanceakt, mich nicht von einer Angst leiten zu lassen und den Moment genießen zu können, arbeite ich persönlich sehr stark. Ich finde es wichtig, nicht von Verbot und Verzicht zu reden, sondern die Alternativen hervorzuheben, und die gibt es ja oft schon."

Vettel selbst genießt es zum Beispiel immer noch sehr, nur zum Spaß mit seinen eigenen alten Motorrädern zu fahren. "Die lassen sich mit synthetischen Kraftstoffen betreiben. Die produzieren zwar noch immer Schadstoffe, aber nur so viele, wie vorher gebunden wurden. Von Biofuels bin ich kein Fan. Hier wird Land genutzt, um Futter anzubauen, um daraus Treibstoff herzustellen – nicht so der Hit. Das können wir besser."

Auch wenn Vettel für die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel wirbt, hat seiner Meinung nach auch der individuelle Verkehr seine Daseinsberechtigung: "Autos und Motorräder sind Kulturgut. Viel Gutes ist daraus entstanden. Wir sollten sie nicht abschaffen, sondern am Leben erhalten. Motorsportfans muss man ohnehin nicht erklären, wie großartig es sich anfühlt, wenn ein V8 angeschmissen wird. Da spürt man was. Wir müssen es bloß besser gestalten."

F1 Logistik - Flugzeug - GP Mexiko
GP Mexiko

Laut Vettel könnte man mit einer besseren Kalender-Gestaltung CO2 einsparen.

Kritik am F1-Rennkalender

Dass die Formel 1 ab der Saison 2026 selbst mit CO₂-neutralen E-Fuels an den Start geht, findet Vettel gut, auch wenn der Schritt schon früher hätte vollzogen werden können. "Der E-Antrieb ist in absehbarer Zeit nicht F1-tauglich. Dafür sind die Rennen zu lang, und der geforderte Power-Output ist zu hoch. Gewicht spielt in der F1 immer eine große Rolle, auch darum ist E-Antrieb nicht praktikabel. Daher sind kurzfristig synthetische E-Fuels unabdingbar. Dass das ab 2026 passiert, ist gut – ab sofort wäre besser."

Weiteres CO₂-Einsparpotenzial sieht Vettel beim Rennkalender: "Kreuz und quer durch die Welt zu fliegen und dazwischen immer wieder für ein paar Tage nach Europa macht keinen Sinn und auch keinen Spaß." Die Veranstalter der einzelnen Rennen nimmt der Ex-Pilot ebenfalls in die Pflicht: "Wie kommen die Fans an die Strecke? Was wird dort konsumiert, welche Ideale werden gelebt? Wasser sollte meiner Meinung nach etwas sein, das jedem zu jeder Zeit zur Verfügung steht. Braucht es diese Plastikbecher überall? Man beginnt bei den großen Dingen und kommt bei den kleinen raus."