Formel 1 Top-5
Die verrücktesten Deutschland-GPs

Eigentlich hätte an diesem Wochenende der Grand Prix von Deutschland stattfinden sollen. Doch die Tribünen am Nürburgring und in Hockenheim bleiben leer. Uns bleibt nur die Erinnerung an die Highlights eines Traditions-Grand Prix, der dem Geld zum Opfer fiel.

Niki Lauda - F1 - GP Deutschland 1976 - Nürburgring
Foto: Wilhelm

Zwischen 1951 und 2014 fand der GP Deutschland genau 61 Mal statt. Dazu noch 14 exterritoriale Grand Prix auf deutschem Boden. Unter dem Siegel GP Europa und GP Luxemburg. Damit darf man bei den Formel 1-Veranstaltungen in Deutschland getrost von einem Dino sprechen. Trotzdem gibt es keinen Artenschutz. In diesem Jahr bleiben die Tribünen am Nürburgring und in Hockenheim leer.

Der GP Deutschland war für das dritte Juli-Wochenende vom 17. bis 19. Juli angesetzt. Er wurde schon im März abgesagt. Weil der Nürburgring nach dem doppelten Verkauf nicht in der Lage war, turnusgemäß den Grand Prix zu veranstalten. Den Vorschlag, Bernie Ecclestone gegen eine Streckenmiete das Hausrecht zu überlassen, lehnte dieser ab.

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Auch Hockenheim musste passen. Der Vertrag außer Plan hätte 15 Millionen Dollar gekostet. Zu viel Risiko, befand die Hockenheimring GmbH. Von März bis Juli hätte man nie die nötigen 60.000 Eintrittskarten verkauft.

Damit stand fest: Zum ersten Mal seit 1960 gibt es keinen Grand Prix auf deutschem Boden. Obwohl Hockenheim 2016 wieder im Kalender steht, haben viele Angst, dass Deutschland bald das gleiche Schicksal wie Frankreich blüht. Auch ein Traditionsrennen, das keine Gnade vor den Vermarktern der Formel 1 fand. Der letzte Grand Prix ging dort 2008 über die Bühne. Vor einer gefühlten Ewigkeit.

Der GP Deutschland findet an diesem Wochenende deshalb nur im Kopf statt. Da schlägt die Stunde der Historiker. Wir haben uns aus der langen Geschichte fünf Grand Prix rausgesucht, die Deutschlands größte Rennveranstaltung seit Einführung der Formel 1 geprägt haben. Fahren Sie mit uns noch einmal mit:

GP Deutschland 1957, Nürburgring, Sieger Juan-Manuel Fangio

Dieser Grand Prix verdiente sich in jeder Rangliste einen Eintrag in die Top Ten der Formel 1-Geschichte. Der Nürburgring sah Juan-Manuel Fangios letzten und größten Grand Prix-Sieg. Und eine Aufholjagd, wie sie einmal alle Jubeljahre geboten wird.

Nach dem Training war alles wie immer. Fangio belegte im Maserati 250F mit 9.25,6 Minuten die Pole Position vor Mike Hawthorn, Jean Behra und Peter Collins. Die Ferrari-Lancia machten auf der Nordschleife einen stark verbesserten Eindruck. Die Reifensituation bestimmte die Taktik.

Ferraris Englebert-Sohlen waren so hart, dass sie die gesamte Renndistanz durchstanden. Pirelli lieferte für Maserati weichere Gummis. Sie mussten allerdings bei Halbzeit getauscht werden. Deshalb wurde Fangios 250F auch nur zur Hälfte betankt, um ihm die Gelegenheit zur Flucht zu geben. Die Marschroute des Maestros sah so aus. Fangio sollte 30 Sekunden Vorsprung herausfahren. Im Training hatten es die Maserati-Mechaniker geschafft, in 30 Sekunden zu tanken und 4 Reifen zu wechseln.

Das Rennen lief zunächst nach Plan. Nach 12 von 22 Runden musste der Maserati-Pilot an die Box. Doch in der Hitze des Gefechts dauerte der Tausch der vier Pirellis zu lange. Eine 28-Sekunden-Führung verwandelte sich in einen 45-Sekunden-Rückstand auf die zwei Ferrari von Hawthorn und Collins. Dann begann die große Fangio-Show.

Mit einer Serie von Rekordrunden holte er die Ferrari wieder ein. In der 20. Runde fuhr der Mann aus Balcarce wie von einem anderen Stern. Augenzeugen berichteten, dass er in der Fuchsröhre und der Antoniusbuche ohne zu lupfen quer durch die Kurven kam. Der Rundenrekord von 9.17,4 Minuten lag unfassbare 8,2 Sekunden unter seiner eigenen Trainingsbestzeit und 23 Sekunden unter dem alten Rekord.

In der vorletzten Runde ließ Juan-Manuel Fangio dann auch noch seine zwei Gegner stehen. Sein vierter Saisonsieg sicherte ihm vorzeitig den fünften WM-Titel. Nach dem Rennen gestand der große Argentinier: "Ich möchte nie wieder so fahren müssen wie heute. Für den Sieg bin ich Risiken eingegangen wie nie zuvor in meiner Karriere."

GP Deutschland 1970, Hockenheimring, Sieger: Jochen Rindt

Drei Wochen vor dem GP Deutschland besuchten Jochen Rindt und Graham Hill den Nürburgring. Sie präsentierten dem Veranstalter einen 18-Punkteplan wie er seine Rennstrecke zu verbessern hatte. Die Forderungen waren in der Kürze der Zeit nicht zu erfüllen. Weil die Fahrer mit Boykott drohten, musste der AvD die Eifelpiste aus dem Veranstaltungskalender streichen.

Der GP-Tross zog kurzerhand nach Hockenheim um. Die 6,789 Kilometer lange Piste war nach dem tödlichen Unfall von Jim Clark zwei Jahre zuvor komplett mit Leitplanken eingerahmt und mit zwei Bremskurven auf den langen Waldgeraden versehen worden. Jackie Stewart fragte die Nürburgring-Verfechter ketzerisch: "Was hat sich am Ring seit 1950 geändert? Nichts. Nur die Bäume wurden dicker."

Das Motodrom platzte an den 3 Tagen des Formel 1-Festivals aus allen Nähten. 125.000 Zuschauer strömten an die Strecke. Nur einer saß am Nürburgring. Star-Journalist Denis Jenkinson weigerte sich, Hockenheim als ernsthafte Rennstrecke anzuerkennen. Er schrieb die Geschichte über einen fiktiven Grand Prix in der Eifel. Der hätte aber nicht besser sein können, als das, was 200 Kilometer weiter südlich stattfand.

Das Rennen entwickelte sich zu einem großen Duell zwischen Jochen Rindt und Jacky Ickx. Anfangs wurden die beiden Hauptakteure noch von Clay Regazzoni und Chris Amon begleitet. In der 31. Runde schied Regazzoni durch einen fulminanten Dreher wegen eines streikenden Getriebes aus. Drei Runden später erwischte es Chris Amon mit Motorschaden.

Der Showdown hatte es in sich. Insgesamt elf Mal tauschten Rindt und Ickx die Plätze. Sie hatten sich vorher darauf verständigt, im Zweikampf keine schmutzigen Tricks auszupacken. In der 49. von 50 Runden kam Rindt als Erster ins Motodrom. Und der Lotus-Fahrer blieb auch dort. Er verteidigte die Führung mit einem Vorsprung von 0,7 Sekunden bis ins Ziel.

GP Deutschland 1976, Nürburgring, Sieger: James Hunt

Es lag kein guter Stern über dem GP Deutschland. Dem Rennen gingen wochenlange Diskussionen um die Sicherheit der Nordschleife voraus. Die Fahrer setzten die 22,835 Kilometer lange Strecke auf die Abschussliste. Ihr Rädelsführer hieß Niki Lauda. Dem Ring wurde ein Ultimatum gestellt. Wenn bis zum kommenden Jahr an neuralgischen Punkten nicht mehr Sturzraum geschaffen würde, dann sollte die 1976er Ausgabe der letzte Grand Prix auf der Eifelpiste sein.

Niki Lauda kam als Persona non grata an die Nürburg. Der Österreicher ließ sich davon nicht beeindrucken. Noch am Tag vor dem Rennen diktierte er in die bereitgestellten Mikrofone: "Der Nürburgring ist in dieser Form nicht mehr zeitgemäß." Die Siebenminuten-Schallmauer fiel diesmal nicht. James Hunts Pole Position von 7.06,5 Minuten lag acht Sekunden über Laudas Vorjahresrekord.

War es ein schlechtes Omen, dass am Morgen des 1. August die Wiener Reichsbrücke einstürzte? Niki Lauda und seine Kollegen hatten andere Sorgen. Kurz vor dem Start begann es zu regnen. Zuerst an den entfernten Streckenteilen, dann bei Start und Ziel. Der Veranstalter gab die Parole "wet race" aus. Alle rüsteten auf Regenreifen um. Alle, bis auf einen. Jochen Mass pokerte mit Slicks. Er bekam von einem Einheimischen den Tipp, dass der Regen bald stoppen würde.

Tatsächlich: Als das Feld aus der ersten Runde zurückkam, hatte der Regen aufgehört. Jochen Mass nahm bereits Platz zwei hinter Ronnie Peterson ein. Eine Runde später lag er meilenweit in Führung. Bis dahin hatte praktisch das gesamte Feld auf Slicks gewechselt. Und am Ende der dritten Runde wurden Mass 32 Sekunden Vorsprung auf Gunnar Nilsson angezeigt, der als einziger auf Regenreifen ausharrte. Dann meldete der Streckensprecher am Bergwerk einen schweren Unfall. Das Rennen wurde sofort gestoppt.

Langsam sickerte durch, dass Niki Lauda in der Linkskurve zwischen Ex-Mühle und Bergwerk einen Randstein gestreift hatte und dann nach rechts in eine Felswand abgebogen war. Die nachfolgenden Autos von Guy Edwards, Harald Ertl und Brett Lunger krachten in den querstehenden Ferrari und stießen ihn wie eine Billardkugel immer weiter die Straße hinunter. Arturo Merzario konnte seinen Williams gerade noch stoppen.

Der Torso des 312T2 fing sofort Feuer. Lauda verlor beim Aufprall seinen Helm und saß 40 Sekunden lang schutzlos in seinem Cockpit. Merzario stürzte sich sofort in die Flammen und zog Lauda unter Mithilfe von Edwards und Lunger aus dem Auto. Der WM-Spitzenreiter wurde mit schweren Brandwunden im Gesicht und an den Armen in die Universitätsklinik von Mannheim geflogen.

Die giftigen Dämpfe hatten seine Lungen verätzt. Drei Tage lang kämpften die Ärzte um das Leben des Österreichers. Dann gab es Entwarnung. Der Medienrummel überstieg alles bisher Dagewesene. Aus einem Star wurde ein Superstar.

Beim Neustart fehlten sieben Teilnehmer. Der zweite Teil des Rennens war eine klare Angelegenheit für James Hunt. Jody Scheckter versuchte den McLaren-Piloten durch eine Serie schneller Runden aus der Fassung zu bringen, doch Hunt hatte auf jede Attacke seines Verfolgers eine Antwort parat. Im Ziel betrug der Vorsprung beruhigende 28 Sekunden.

Jochen Mass tröstete sich mit einem dritten Platz über die vereitelte Siegchance im ersten Lauf. Ans Feiern dachte in diesem Moment keiner. Schon kurz nach der Zieldurchfahrt hatte sich im Fahrerlager herumgesprochen, dass Niki Lauda in Lebensgefahr schwebte.

GP Deutschland 2000, Hockenheimring, Sieger Rubens Barrichello

Rubens Barrichello brauchte 123 Anläufe, um seinen ersten Grand Prix zu gewinnen. Der Weg dorthin war mit Kuriositäten und Zwischenfällen gepflastert wie selten ein Formel 1-Lauf zuvor. Barrichellos Fahrt zum Sieg begann auf dem 18. Startplatz. Damit war seine Taktik in Stein gemeißelt. Der Brasilianer würde mit einem leichten Auto und einer Zweistopp-Strategie starten.

Barrichello tauchte bereits nach 15 Runden auf dem dritten Platz auf. Nach seinem ersten Boxenstopp trennten den Brasilianer 34 Sekunden von Mika Häkkinen und David Coulthard. Eigentlich eine aussichtslose Sache. Dann lief auf der ersten Waldgeraden plötzlich ein Mann in einer Kutte über die Strecke. Die Autos waren dort 360 km/h schnell.

Aus Angst vor einem Selbstmörder fing das Safety-Car das Feld ein. Streckenposten nahmen den Irrläufer fest. Es handelte sich um einen ehemaligen Mercedes-Mitarbeiter, der gegen seine Entlassung aus einem Werk in Lyon protestieren wollte.

Es war die Ironie des Schicksals, dass sein lebensgefährlicher Einsatz McLaren-Mercedes um den Sieg brachte. Die Neutralisation führte alle zum Reifenwechsel an die Box. Ein- und Zweistopper waren wieder vereint. Der Zeitvorteil von Häkkinen und Coulthard war aufgebraucht. Eine zweite Safety-Car-Phase wegen eines schweren Unfalls von Jean Alesi hatte keinen Einfluss auf das Renngeschehen. Sie verlängerte nur das Warten.

In der 33. Runde setzte Regen ein. Nur im Motodrom war die Straße nass. Bis auf Rubens Barrichello und Heinz-Harald Frentzen gingen alle auf Regenreifen. Die beiden Pokerspieler hatten auf die richtige Karte gesetzt. Was Barrichello im Motodrom verlor, holte er sich auf den langen Geraden und in den drei Schikanen zurück.

Wer auf Regenreifen unterwegs war, musste in den trockenen Passagen den Fuß vom Gas nehmen, um die profilierten Sohlen nicht zu ruinieren. Barrichello rettete einen Vorsprung von 7,4 Sekunden vor Häkkinen über die Distanz. Auf dem Podium heulte er wie ein Schlosshund.

Wo war eigentlich Teamkollege Michael Schumacher? Er kam nur 400 Meter weit. Der Ferrari-Pilot musste einem wild hin- und her zackenden Coulthard ausweichen und geriet dabei in Giancarlo Fisichellas Fahrspur. Der Benetton und der Ferrari kollidierten.

GP Europa 2007, Nürburgring, Sieger: Fernando Alonso

Es war ein kurioses Rennen, dieser GP Europa, der nicht GP Deutschland heißen durfte, weil er nicht vom AvD veranstaltet wurde. Ständige Wetterwechsel mit einem Start bei trockener Bahn, einem Wolkenbruch nach einer Minute, einer trockenen Phase im Mittelteil und Regen am Ende.

Dazu 75 Boxenstopps, eine Zwangspause von 22 Minuten und einem Duell um den Sieg, das nach der Zieldurchfahrt verbal weitergeführt wurde. Der Sieger Fernando Alonso stellte Felipe Massa zur Rede, weil der ihm beim Überholmanöver in den linken Seitenkasten seines McLaren gefahren war. Seit einer Kollision beim GP Spanien war das Klima zwischen dem Spanier und Brasilianer vergiftet.

Die erste Runde brachte den ersten Höhepunkt. Obwohl das Wetterradar einen heftigen Regenguss unmittelbar ankündigte, reagierte nur Spyker richtig, holte GP-Debütant Markus Winkelhock an die Box und schickte ihn mit Intermediates zurück ins Rennen. Der Ersatz für Christijan Albers betete um einen schnellen Regen. Er wurde erhört.

Während die Stars mit Trockenreifen durch die Sintflut eierten, übernahm Winkelhock bei seinem ersten GP-Start die Spitze. In der dritten Runde ging die Welt unter. Die erste Kurve verwandelte sich in eine Seenlandschaft, die sechs Fahrer ins Kiesbett spülte. Vitantonio Liuzzi hätte bei seinem Abflug fast das Safety-Car abgeräumt.

Fünf Fahrer verließen sofort ihre Autos. Lewis Hamilton blieb in seinem McLaren sitzen. 2.08 Minuten später hatte ihn ein Kran zurück auf den Asphalt gehoben, wo seine Fahrt mit einer Runde Rückstand weiterging. Das war genauso ein Novum, wie die Pause, die zu Beginn der vierten Runde ausgerufen wurde. Erst nach 22 Minuten war die Bahn wieder befahrbar.

Das Feld setzte sich mit dem Safety-Car vor dem Spyker von Markus Winkelhock in Führung. Beim Re-Start wurde der Sohn von Manfred Winkelhock innerhalb kürzester Zeit von sieben Kollegen inhaliert. Nur 6 Runden später herrschte an den Boxen wieder Hochbetrieb. Alle wechselten auf Trockenreifen zurück.

Danach beruhigte sich das Rennen. Der GP Europa entwickelte sich zu einem Dreikampf zwischen Massa, Alonso und Räikkönen, aus dem der Finne ausstieg, weil die Hydraulik an seinem Ferrari streikte. Massa konnte Alonso bis auf 8,6 Sekunden davonlaufen, doch dann begann der Vorsprung zu schrumpfen. Vor allem als es wieder zu regnen anfing und McLaren Alonso beim letzten Boxenstopp das Untersteuern mit einer Frontflügeländerung ausbaute.

Massa konnte Alonso nur vier Runden lang in Schach halten. Dann kam es zwischen Valvoline- und Ford-Kurve zu Alonsos Attacke und Massas harscher Gegenwehr, was im Parc fermé für hitzige Diskussionen sorgte.

In unserer Galerie zeigen wir noch einmal Szenen der Top 5-Deutschland Grands Prix.