Plan für 100-Millionen-Investition
Williams fordert Gleichbehandlung

Williams will nicht mehr Schlusslicht sein. Um aufzuholen, braucht es eine neue Infrastruktur. Das Geld wäre vorhanden, doch die Regeln und die Konkurrenz machen Williams das Leben schwer. Wir haben bei Teamchef James Vowles nachgefragt, wo es genau hakt.

Williams - GP Spanien 2023
Foto: Williams

Williams hat sich am Ende des Feldes festgesetzt. In den letzten fünf Jahren war der drittälteste Rennstall der Formel 1 vier Mal Tabellenletzter. Das war einmal ganz anders. Zwischen 1979 und 2005 feierte der britische Rennstall 113 GP-Siege und neun Konstrukteurs-Titel. Sieben Fahrer wurden auf einem Williams Weltmeister. Danach kam nur noch ein Überraschungssieg 2012 in Barcelona dazu.

Der lange Abstieg begann 2006 mit der Trennung von Motorenpartner BMW. Frank Williams, der eiserne General, verlor Sponsoren, Fahrer, Ingenieure, Reputation. 2020 wurde der finanzielle Druck so groß, dass Williams sein Team verkaufen musste. Die US-Investmentgesellschaft Dorilton Capital erwarb den Rennstall für 150 Millionen Dollar.

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Weder Interims-Teamchef Simon Roberts noch sein Nachfolger Jost Capito schafften die Trendwende. Doch Dorilton will nicht nur einfach dabei sein. Das Traditionsteam soll in zwei bis drei Jahren wieder in altem Glanz erstrahlen. Dafür heuerten die Amerikaner einen Mann an, der als Chefstratege bei BAR, Honda, BrawnGP und Mercedes erlebt hat, was ein Team braucht, wenn es gewinnen will.

James Vowles hat sich an seine Fahnen geheftet, Williams aus den Niederungen der Startaufstellung wieder nach vorne zu bringen. Dafür braucht es nicht nur das Personal und die richtige Einstellung seiner Mitarbeiter. Das Fundament für Siege in der Formel 1 ist eine Infrastruktur auf dem Niveau der Topteams. Dazu zählen Windkanal, Simulator, Prüfstände, Produktionsmaschinen und die entsprechende Software.

Williams - Grove
Williams
In der Williams-Fabrik in Grove wurde jahrelang nicht genug investiert.

CapEx und Ausnahmen

Nach einer ersten Bestandsaufnahme stellte Vowles fest: "Williams ist auf dem Stand vor 20 Jahren." Um das aufzuholen, müssen mindestens 100 Millionen Pfund investiert werden. Die neuen Besitzer haben schon signalisiert, dieses Geld bereitzustellen. Weil es ein gutes Geschäft verspricht.

Die Rückkehr zum Erfolg würde den Wert der Firma in kurzer Zeit mindestens verdoppeln. Williams ist heute bereits eine Milliarde Dollar wert. Porsche hätte für die Hälfte der Anteile 500 Millionen auf den Tisch gelegt. Dorilton lehnte ab. Weil Porsche wie bei Red Bull zu viel Kontrolle forderte. Und weil eine Modernisierung der Fabrik auch ohne Porsche im Boot die Aktie Williams in ein paar Jahren noch attraktiver macht.

Seit es in der Formel 1 eine Budgetdeckelung gibt, ist das mit dem Geldausgeben nicht mehr so einfach. Selbst bei gut gefüllter Kasse. Die operativen Kosten sind inklusive aller Zulagen für Extra-Rennen, Sprints und Inflation bei 154 Millionen Dollar begrenzt. Darüber hinaus dürfen die Teams noch Investitionen tätigen. Insgesamt 36 Millionen über einen Zeitraum von vier Jahren.

Ausgenommen sind das Fabrikgebäude und der Windkanal. Der zählt bis zu einem Gegenwert von 55 Millionen Dollar nicht zu den Kapitalausgaben, die im Formel-1-Slang kurz "CapEx" genannt werden. Deshalb konnte Aston Martin in Silverstone ein neues Silicon Valley auf die grüne Wiese stellen. Zum Teil wird noch daran gearbeitet. Windkanal und Simulator folgen 2024. Deshalb wird Mercedes in den nächsten Jahren seine Basis in Brackley komplett neu aufbauen.

James Vowles - Williams - F1 - 2023
Williams
Der neue Teamchef James Vowles will Williams von Grund auf modernisieren.

Upgrades brauchen länger und kosten mehr

Bei Williams geht es nur zweitrangig um die Gebäude. "Wir brauchen Werkzeuge auf dem technischen Stand von heute", fordert Vowles. Dazu zählen neben einem neuen Windkanal ein moderner Simulator, Prüfstände für Getriebe, Fahrwerk und Bremsen, Test-Rigs für Karbonteile und allerlei Software.

Vowles geht ins Detail: "Wir brauchen zum Beispiel eine Software, die jede der 17.000 Komponenten des Autos auf ihrem Weg vom Designbüro bis zum Einsatz im Auto digital erfasst, die Anzahl, Größe, Lebensdauer und den Ort, wo es sich gerade befindet, auflistet. Bei uns werden E-Mails von A nach B geschickt, um genau das herauszufinden. Viele Informationen verschwinden in einem großen schwarzen Loch."

Deshalb dauert jedes Upgrade bei Williams drei Mal so lange und ist bis zu drei Mal so teuer als anderswo, weil viele Produktionsjobs außer Haus gegeben werden müssen. Nur ein Beispiel. Mercedes gab sein großes Upgrade nach dem Saisonstart in Bahrain in Auftrag und wäre zum Imola-Termin damit einsatzbereit gewesen. William segnete ein jüngste Aero-Paket schon vor dem GP Bahrain ab und war erst zum GP Kanada damit fertig. Und dabei gab es nur ein Kit für Alexander Albon.

Williams-Fabrik Grove
Williams
Ein Blick auf die Fabrik in Grove aus der Luft. Windkanal, Simulator, Prüfstände - es fehlt an allen Ecken und Enden.

Williams in vielen Bereichen veraltet

Die Software für die Digitalisierung des Teile-Umlaufs ist kein Schnäppchen, weil sie für Bedürfnisse des Kunden maßgeschneidert werden muss. Sie kostet eine zweistellige Millionensumme. "Dazu kommen noch elf Millionen für einen Simulator, zwölf Millionen für einen Getriebeprüfstand und so weiter", rechnet Vowles vor.

Mit dem bestehenden Finanz-Reglement bräuchte Williams zehn Jahre, um das zu stemmen. Und dann wäre man wieder hinten dran. Der neue Teamchef in Grove kämpft deshalb für mehr Gleichberechtigung im Feld: "Ich will nur die gleiche Startbasis wie alle anderen Teams."

Aston Martin und McLaren hatten Glück, weil Teile der Aufrüstung noch vor der Kostendeckel-Ära in Angriff genommen wurden und sie sich mit dem Segen der anderen Teams eine Sonderregelung erstritten hatten. Bei Williams ist diese Bereitschaft nicht mehr uneingeschränkt vorhanden. Man will sich nicht einen zusätzlichen Konkurrenten ins Boot holen. Alpine zum Beispiel braucht selbst einen neuen Simulator und Getriebeprüfstand. "Das würden sie auch uns zugestehen, mehr aber nicht", bedauert Vowles.

Im Moment hat er nur zwei Verbündete für seinen Wiederaufbau-Plan: Aston Martin und Sauber. Die einen als Gegenleistung dafür, dass Williams dem eigenen Projekt in den letzten Jahren nicht im Weg stand, die anderen, weil Audi bei Sauber in den nächsten Jahren auch massiv aufrüsten muss.

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223 Millionen in 15 Jahren

Um dem Gleichstellungsantrag mehr Nachdruck zu verleihen, präsentiert Williams die Summen, die andere Teams seit 2006 in die Hand genommen haben, um ihre Standorte zu modernisieren. Sie sind bei der englischen Handelskammer mit Sitz in London für jedermann einsehbar.

Red Bull hat demnach in dieser Zeitspanne 223 Millionen Pfund investiert, Mercedes 190, Alpine 105 und McLaren 87. Williams ist unter den englischen Teams mit 61 Millionen das Schlusslicht. Deshalb findet es Vowles nur gerecht, wenn die FIA, die Formel 1 und die anderen Teams einer Ausnahmeregelung zustimmen. "Wir wollen nur, was andere auch hatten."

McLaren-Teamchef Andrea Stella zeigt bedingt Verständnis: "Wir verstehen das Anliegen von Williams, weil wir selbst einmal in dieser Situation waren. Jetzt befinden wir uns mit Windkanal und Simulator auf der Zielgerade und operieren im Rahmen der CapEx-Grenzen. Ich sympathisiere damit, diese Regeln etwas aufzulockern." Wie weit, lässt er offen.

Alpine-Kollege Otmar Szafnauer sieht ein: "Die Topteams haben vor der Kostendeckelung aufgerüstet, weil sie immer das Geld hatten. Einige andere, dazu zählen auch wir, haben erst jetzt das Kapital, um so aufzurüsten wie die Topteams." Alpine ist dabei allerdings schon einige Schritte weiter als Williams. Das Investitionsvolumen fällt deutlich geringer aus.

Williams-Museum - Grove
Williams
Ein Blick ins Museum. Kann Williams noch einmal an die alten Glanzzeiten anknüpfen?

Der CapEx-Trick der Topteams

Williams würde am liebsten sofort loslegen. Der Teamleitung läuft ein bisschen die Zeit davon. "Wenn ich morgen grünes Licht bekomme, haben wir in zwölf Monaten Windkanal und Simulator, alles andere in zwei Jahren." Vermutlich kommt die FIA um eine Änderung der Finanzregeln nicht herum. Es wäre nur fair, wenn jedes Team technisch die gleichen Voraussetzungen schaffen könnte, sofern das Geld vorhanden ist.

Ansonsten schafft an anderer Stelle der Budgetdeckelung Ungleichheiten, die man eigentlich damit beseitigen wollte. So sind zum Beispiel einige Topteams, die nicht mehr groß in Infrastruktur investieren müssen und deshalb bei Anschaffungen Luft nach oben haben dazu übergegangen, eigene Software-Firmen zu gründen.

Dorthin verschieben sie die Ingenieure, die vorher die gleiche Aufgabe für das Team, aber unter dem Budgetdeckel erledigt haben. Das Team kauft stattdessen bei der neu geschaffenen Firma Software ein und verbucht den Kaufpreis in den CapEx-Bereich. Damit hat man im operativen Geschäft einige Millionen gespart.

Teams wie Williams können die Kosten nicht verschieben, weil ihr Bedarf an Infrastruktur die CapEx-Obergrenze bereits sprengt. So kann sich die Konkurrenz unliebsame neue Gegner vom Hals halten. Vowles fürchtet: "Gemessen an dem, was wir haben, vollbringen wir Wunder. Wir liegen nur 1,2 bis 1,5 Sekunden hinter der Spitze. Das wissen auch die anderen Teams. Vielleicht wollen sie deshalb, dass Williams nicht zu stark wird."