Analyse 24h-Rennen Nürburgring 2021
Diskussionen rund um Rennabbruch

24h-Rennen

In unserer Rennanalyse zum 24h-Rennen Nürburgring klären wir die offenen Fragen des Rennens. Welche Strategiekniffe gab es? Wie hat sich der Kampf um Rang drei entschieden? Und warum wurde über die neuen Regeln beim Rennabbruch diskutiert?

Kévin Estre -Porsche 911 GT3 R - Manthey-Racing - Startnummer #911 - 24h-Rennen Nürburgring - Nürburgring-Nordschleife - 6. Juni 2021
Foto: Stefan Baldauf

Das 24h-Rennen Nürburgring dauerte in diesem Jahr zwar nur 9,5 Stunden, war aber nicht minder spannend. Porsche siegte vor BMW und Mercedes. Die Fragen zum Rennen...

Warum blieb der Manthey-Porsche beim vorletzten Stopp länger draußen?

Der #911 Manthey-Porsche und der #98 Rowe-BMW fuhren in der finalen Phase ein Duell um den Sieg miteinander aus und waren im selben Boxenstopp-Rhythmus. In Runde 45 splitteten sich allerdings die Strategien. Zu diesem Zeitpunkt lagen der führende Porsche und der BMW 5,5 Sekunden auseinander. Die #98 kam nach einem 6-Runden-Stint in die Box zum Service, die #911 blieb draußen. Warum? Die #98 profitierte bei diesem Undercut natürlich von einer besseren Track-Position. Das macht ein Jäger natürlich eher als der Führende.

Unsere Highlights

Der Grund: Beim Rowe-Team hatte man auf dem Schirm, dass es mit der Standzeit, die ab der 69. Minute vor Schluss mit einer speziellen Tabelle geregelt wird, eng wird. Plus: Man wusste, je später man reinkommt, desto knapper wird es, in der abnehmenden vorgegebenen Zeit zu tanken. Also zog man den letzten Stopp künstlich vor. Zudem war zu diesem Zeitpunkt gerade eine Code 60-Phase angesagt. "Wir dachten, dass wir so beim Stopp einen Vorteil haben, weil wir nicht so viel Zeit verlieren und der Porsche vielleicht in die Code 60 reinfährt", sagte Rowe-Pilot Connor de Phillippi. Letztlich wurde die Code 60 aber wieder zu schnell aufgehoben, als dass es einen Unterschied gemacht hätte.

Porsche 911 GT3 R - Manthey-Racing - Startnummer #911 - 24h-Rennen Nürburgring - Nürburgring-Nordschleife - 6. Juni 2021
Stefan Baldauf
Der Manthey-Porsche blieb im vorletzten Stint länger auf der Strecke.

Warum waren Audi und Mercedes nicht stärker?

Nach 9,5 Stunden Gesamtfahrzeit waren auf dem Podium drei Marken zu finden. Porsche vor BMW und Mercedes. Der beste Audi landete auf dem fünften Platz. Das wirkt auf den ersten Blick sehr ausgeglichen. Tatsächlich waren Porsche und BMW von Anfang des Rennens an aber immer besser aufgestellt, was die gesamte Schlagkraft anging. Audi und Mercedes mussten vor allem in den Anfangsstunden Federn lassen. Nach zwei Stunden waren vier Porsche, drei BMW, zwei Audi und ein Mercedes in den Top-Ten.

Die Speerspitze von Mercedes war die ganze Zeit der #4 Mercedes-AMG GT3 von HRT – bis zum Abflug von Maro Engel in Runde 38 am Sonntagmittag. Zuvor gab es bereits in der Anfangsphase Probleme am #8 GetSpeed-Mercedes, weil sich Rauch im Cockpit bildete. Beim Schwesterauto mit der #7 hatte man eine falsche Reifenwahl zum Start des Rennens getroffen, später hatte Raffaele Marciello einen Dreher.

Bei Audi war es ähnlich. Christopher Mies im #29 Land Audi startete aus der Boxengasse nach, weil man von Regenreifen auf geschnittene Slicks wechselte. Robin Frijns hatte früh einen Dreher mit dem werksunterstützten Phoenix-Audi #15 und die #2 von Car Collection hatte sich mit den Regenreifen am Start genauso verzockt und später rumpelte Nico Müller durch die Wiese. Auch wenn der Abbruch die Abstände schließlich wieder eliminierte, hatte man bei Porsche und BMW mehr Autos in den Top 10 in Schlagdistanz. Zudem waren BMW und Porsche auch in Sachen Speed gut aufgestellt.

Warum wurde das Rennen so lange unterbrochen?

Von 15.30 Uhr bis 21.29 Uhr wurde den Zuschauern zuhause und auf den 10.000 Tribünen-Plätzen Action vom Feinsten geboten. Doch dann entschied sich die Rennleitung für die rote Flagge. Die Sichtverhältnisse waren so schlecht geworden, dass rund ein Drittel der 25,378 Kilometer langen Strecke unter Code 60 gestellt wurde. Daraus resultierte, dass sich die Reifen stark abkühlten. Das Risiko wollte man nicht eingehen und die Rennleitung hatte sich deshalb entschieden, das Rennen abzubrechen. Es war ohnehin mehr Nebel angesagt, daher gab es auch keinen Hoffnungsschimmer mehr, dass sich die Lage bessert.

Erst um 12 Uhr am Sonntagmittag ging es weiter. Für die übrigen dreieinhalb Stunden. Damit hatte das 24h-Rennen in diesem Jahr nur 9,5 Stunden effektive Rennzeit. Die tief hängenden Wolken verzögerten vorher den Restart am Sonntagmorgen immer weiter nach hinten. Der früheste Zeitpunkt für eine neue Formationsrunde war ursprünglich für 7 Uhr angesetzt gewesen. Mit einer Streckendistanz von lediglich 59 Runden und 1.497,302 Kilometern war die 49. Auflage schlussendlich die bislang kürzeste überhaupt.

Mercedes-AMG GT4 - Schnitzelalm Racing - Startnummer #34 - 24h-Rennen Nürburgring - Nürburgring-Nordschleife - 6. Juni 2021
Stefan Baldauf
Die Mechaniker warteten auf immer wieder neue Durchsagen der Rennleitung.

Warum war der Kampf um Platz drei so spannend?

Während an der Spitze nach dem finalen Stopp klar war, dass der #911 Porsche das Rennen vor dem #98 Rowe-BMW für sich entscheiden würde, flogen dahinter die Fetzen. Gleich fünf Autos balgten sich um den dritten Platz: der #7 GetSpeed-Mercedes, der #44 Falken-Porsche, der #2 Car Collection-Audi, der #20 Schubert-BMW und der #8 GetSpeed-Mercedes. Diese Autos kamen innerhalb von sechs Sekunden ins Ziel.

Das entscheidende Manöver lieferte Raffaele Marciello im Streckenabschnitt Schwedenkreuz. Der Italiener überholte den Falken-Porsche mit Sven Müller am Steuer außen herum. Marciellos Teamkollege Maxi Götz erklärte den Husarenritt: "Er hat dabei vom so genannten Side-Draft-Sog-Effekt profitiert." Den kennt man auch aus der NASCAR. "Weil er direkt aufgemacht hat, kam das andere Auto in die Dirty Air. Das ist eben der Trick."

Wieso wurde so viel über die Regelung zur roten Flagge diskutiert?

Anfang der Woche versetzte das sogenannte "Bulletin 1" die Hersteller in Aufruhr. Darin ging es um das Prozedere, wie im Fall einer roten Flagge verfahren wird. Die Intention des neuen Regelwerks: Mehr Gerechtigkeit. Doch das erfordert so komplexe Maßnahmen, dass selbst die Experten der Hersteller mehrmals beim Veranstalter ADAC Nordrhein nachfragen mussten. Kurz gesagt galt wie früher schon: Die Abstände der Autos werden eliminiert, es gibt kein Parc fermé und die Wertung für den Neustart erfolgt nach dem Stand der vorletzten Runde. So weit so gut. Neu: Die Boxenstopp-Rhythmen sollten erhalten bleiben, damit niemandem ein Nachteil entsteht. Es gab lediglich die Erlaubnis 20 Liter Benzin nachzutanken, um damit die Formationsrunde zu absolvieren.

In diesem konkreten Fall kam es aber zu einem Szenario, das so vorher wohl nicht komplett durchdacht war. Am #1 BMW von Rowe Racing schieden sich die Geister. Nach Runde 36 wurde abgebrochen, die absolvierte 34. Runde für die Wertung herangezogen. Zu diesem Zeitpunkt war die #1 aber gerade beim Boxenstopp. Ein Sonderfall. Denn während für die Berechnung der Mindeststandzeiten bei allen anderen beispielsweise die fünf im Stint gefahrenen Runden plus zwei Runden (eben die, die abgezogen wurden) herangezogen wurden, ergaben sich bei der #1 nach dieser Rechenmethode acht gefahrene Runden plus zwei.

Das machte insgesamt 10 Runden und beim nächsten Stopp nach dem Restart nach weiteren sechs Runden eine Mindeststandzeit für 16 gefahrene Runden. Damit stand man länger als alle anderen. BMW argumentierte, man hätte den Stint nullen müssen. Die Rennleitung änderte die Regeln aber nicht. Hätte man es doch getan, wäre die #1 mit über einer Minute Vorsprung vorne gewesen. So verlor man de facto über 160 Sekunden und erwischte den Worst Case. Am Ende schied man ohnehin wegen eines Elektrikdefekt an einem Kabel im Motorenbereich aus.