Dacia Logan in der NLS
Wie geht es nach dem Totalschaden weiter?

Mannschaften, die ganz gewöhnlich ihr Rennfahrzeug auf dem Anhänger zum Ring ziehen, sind vom Aussterben bedroht. Doch es gibt sie noch – die Kleinen. Das Team Olli’s Garage ist mit dem Einsatz des Dacia Logan bekannt geworden. Doch für den Publikumsliebling nahm das 24h-Rennen kein gutes Ende. Wie geht's jetzt weiter?

Dacia Logan - Team Olli’s Garage - Nürburgring-Nordschleife - 2023
Foto: BR Foto

Die Fans des Dacia Logan sind auf den ersten Blick zu erkennen: "Dacia vs. Goliath" lautet das Motto, das auf ihren Käppis prangt. Beim 24h-Rennen mussten die Dacia-Jünger aber ganz stark sein. Als sie morgens auf den Campingplätzen verknittert aus ihren Schlafsäcken stiegen und auf die Strecke schauten, hatte der Dacia bereits aufgehört, seine Kreise zu ziehen.

Der Fahrerkollege von Teamchef Oliver Kriese, Max Weissermel, war in der Nacht von einem GT3-Porsche im Bellof-S heftig aufgespießt worden. Weissermel, der sowohl Erfahrung in RCN als auch NLS hat, wurde in die Leitplanken geschleudert. "Mit dem 24h-Rennen ist für mich ein Traum in Erfüllung gegangen", erzählt Weissermel und bekommt dabei Gänsehaut. "Dieser Moment hat sich aber angefühlt, als wäre ein Sprengsatz explodiert."

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Der 36-Jährige hatte Glück im Unglück. Der Dacia musste zwar aufgebrochen werden, um den Fahrer zu befreien, doch Weissermel blieb unverletzt – dank des Sicherheitskonzepts aus Käfig, Hans-System und FT3-Tank. Der Fahrer des Porsche wurde von den Sportkommissaren hinterher bestraft. "Für mich gab es da auch kein Missverständnis", sagt Weissermel.

Dacia Logan - Team Olli’s Garage - Nürburgring-Nordschleife - 2023
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Beim 24h-Rennen wurde der Dacia zum Totalschaden.

Ist der Dacia auf der Nordschleife fehl am Platz?

Mit dem Unfall entfachte erneut die Diskussion, ob ein Auto wie der Dacia überhaupt etwas auf der Nordschleife verloren hat. Man müsse schon einen Nagel im Kopf haben, um so ein Projekt überhaupt aus der Taufe zu heben. Allerdings wird der Renner oft unterschätzt. Wo Dacia draufsteht, ist nicht nur Dacia drin.

Der Motor ist identisch mit dem, der in der Straßenversion Renault Clio RS und im Clio Cup 3 steckt und zwischen 201 und 206 PS leistet. Kabelbaum, elektrische Lenkung und Getriebe stammen ebenfalls aus dem Clio und wurden von Kriese, der eine freie Werkstatt in Münster betreibt, zusammengepuzzelt.

"In einer Quali-Runde schaffen wir eine Zeit von knapp über elf Minuten", sagt er. Zum Vergleich: Ein unverbastelter Cup Clio kommt auf eine Rundenzeit von knapp unter zehn Minuten. Die Differenz trotz gleicher Motorleistung ergibt sich daraus, dass im Dacia kein sequenzielles Getriebe verbaut ist, dieses anders übersetzt ist, das Fahrwerk aus dem Dacia stammt und die Reifen auch nicht so breit sind. So fehlt in Streckenabschnitten wie Kesselchen der Wumms.

"Natürlich gewinnst du keinen Blumentopf damit, aber mein Herz hängt daran", sagt der Kfz-Techniker. Und zwar so fest, dass der Dacia als Totalschaden zwei Monate später noch auf einer seiner drei Hebebühnen steht. "Er kann sich nicht trennen", sagt seine Frau und Teamchefin Sabine.

Dacia Logan - Team Olli’s Garage - Nürburgring-Nordschleife - 2023
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Teamchef Olli (mi.) hängt genauso wie die Fans am Dacia.

Gibt es doch ein Comeback?

Kurz nach dem Unfall verkündete man, dass die Kult-Semmel nicht neu aufgebaut wird, weil der Motor nicht mehr neu zu haben ist. Danach stand das Telefon bei den Krieses nicht mehr still. Es meldeten sich Sponsoren, Sportwarte, Firmen und Fans: Sie alle wollen den Dacia zurück. Der Instagram-Account explodierte von knapp 4.000 Followern auf über 11.000. Es gab sogar Spendenaufrufe Dritter, die das Team aber schnell beendete.

Stattdessen versteigerte man bei eBay etwa eine Tür des Originals, um sich für künftige Projekte ein Polster zu verschaffen. 1.380 Euro brachte sie ein. Zur Abholung fuhr ein netter Herr mit einem Porsche Cayman vor. Der muss wiederkommen, weil sie nicht in sein Auto passte. Was zeigt: Die Faszination für den Dacia zieht sich durch alle Schichten. Es gibt sogar eigens einen Fanclub, der sich "Dacia Ultras" getauft hat und beim 24h-Rennen ein Lied für das Team dichtete.

So ganz aufgegeben hat Kriese tatsächlich nicht. In seiner Jäger-und-Sammler-Halle steht noch eine Dacia-Karosse. "Mehr sagen wir nicht", gibt er sich geheimnisvoll. Seit NLS 4 muss ein Renault Mégane als Ersatz herhalten. Immerhin im traditionellen Design des Dacia beklebt. Auf dem Heck steht in großen Lettern "Reha-Vertretung".

Den Franzosen, der zuvor im Besitz des NLS-Teams Keeevin Sports & Racing war, zauberte man nicht überraschend aus dem Hut. Der 265 PS starke Sportler war bereits seit Februar im Besitz von Olli’s Garage.

Dacia Logan - Team Olli’s Garage - Nürburgring-Nordschleife - 2023
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Der Renault Mégane ist die Reha-Vertretung.

Pardon, könnte es sein, dass es da eine spezielle Verbindung zu Renault gibt? Kriese lacht. Denn auch ein Clio gehört zu seinem Sammelsurium. "Angefangen hat es 1981 mit einem Renault Fuego", erinnert er sich. "Das war damals eine Rostlaube, und alle haben mich ausgelacht. Das hat mich noch mehr bestärkt. Seitdem habe ich eine Schwäche für Autos mit der Raute drauf." Zur Erinnerung: Dacia ist ursprünglich eine rumänische Marke, gehört aber zu Renault.

Team kommt aus Amateursport

Eher durch einen Zufall und Bekannte, die ihn überreden, kommt Kriese dazu, zunächst ein Kartrennen und später im ADAC Bördesprint und in einer Langstreckenserie in Holland einen Dacia Logan Cup zu fahren. Damals mit 87 PS. Randnotiz: Audi-Werksfahrer Christopher Haase machte mit genau diesem Modell seine ersten Schritte im Motorsport.

Für Kriese ruft schließlich die Nordschleife. In der RCN tastet man sich zunächst mit der alten Version heran, ehe ein Umbau erfolgt. Es zieht der 2.0-Liter-Motor aus dem Clio Williams ein, der insgesamt 165 PS leistet. Damit bestreitet das Team 2021 das erste Mal das 24h-Rennen. 2022 kommt mit einem neu aufgebauten Auto das Upgrade auf 201 PS.

Auch wenn manche Kritiker fordern, der Dacia habe in der NLS nichts zu suchen, fühlt sich Kriese mit seinem Team in genau dieser Serie besonders wohl. "Es geht einfach sehr familiär zu", sagt er. "Da ist mehr Gemeinschaftsgefühl als in anderen Serien. Und du hast eben den Vorteil, dass du in einer Box stehen kannst." All das bezahlt Kriese nicht mal eben aus der Portokasse. Obwohl sich der Aufwand drumherum in Grenzen hält. Klappzelt aus dem Baumarkt, ein paar Bierbänke, ein Grill – fertig.

Dacia Logan - Team Olli’s Garage - Nürburgring-Nordschleife - 2023
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Das "Hotel" des Teams Olli's Garage.

Beliebt bei Fans und auf Social Media

Dazu kommt das Hotel, ein Mercedes-Benz Atego, Baujahr 2000. Hier ist Platz für vier Leute. Ein 24h-Rennen ist trotzdem kein Schnäppchen. Kriese kalkuliert mit dem Dacia Logan zwischen 40.000 und 50.000 Euro. "Ohne Sponsoren wäre das alles nicht möglich", sagt er.

Um die kümmert sich seine Frau Sabine. Genauso wie um Social Media und Co. Da bleibt die Frage, wie man es in der heutigen Zeit schafft, überhaupt solche Sponsoring-Summen aufzutreiben. "Ich weiß auch nicht, wie sie es macht, aber sie bekommt es immer wieder hin", sagt Kriese und lacht.

Vielleicht liegt das Geheimnis darin, dass man nicht der zwölfte BMW oder der zwanzigste Cup-Porsche ist. Sondern nur ein Dacia Logan. Ein Auto für jedermann. Für ganz normale Leute, die sich für Motorsport begeistern. Und der bisher auf einem ganz normalen Hänger ins Fahrerlager kam.

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AUTO MOTOR UND SPORT 10 / 2024
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Erscheinungsdatum 25.04.2024

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