E-Limousinen von Hyundai, Nio & Polestar im Test
Elektrisches aus China und Korea - was ist besser?

In unserem jüngsten Elektroauto-Vergleichstest strömungsgünstiger Limousinen treten Nio ET5, Hyundai Ioniq 6 und Polestar 2 in den Ring. Zwei E-Autos chinesischer Provenienz und eines aus Korea. Welches schneidet am besten ab?

Hyundai Ioniq 6, Nio ET5, Polestar 2
Foto: Achim Hartmann

Kürzlich an der Ladesäule: "Nio? Nö, noch nie gehört. Wo kommen die her? Aus China? Aha. Soso. Und wie schnell lädt der?" "Mit 125 Kilowatt." "Aha, ach so. Das können andere besser, oder? Aber adrett sieht er schon aus." Kein Scherz. Zwei derartige Unterhaltungen konnten wir führen. Am gleichen Tag, am gleichen Ort, an der gleichen Säule.

Warum? E-Fahrer sind immer interessiert, und aus unerfindlichen Gründen bricht ebendieser Nio alle zehn Minuten die Laderei wieder ab. Die Säulen drum herum? Alle belegt. Umso höher natürlich die Neugier, das verspürte Mitleid und die Pein für den Fahrer, der sich noch wundert, warum der ET5 die mögliche Reichweite vorzugsweise nach WLTP berechnet und nur in einem Bordcomputer-Untermenü die "geschätzte Reichweite" mitteilt.

Unsere Highlights

Von 0 auf 100 km/h rennt der Hyundai in 5,1 Sekunden.

Der Hyundai Ioniq 6 lädt besonders schnell

Aber dazu später mehr. Hier folgen wir dem Abc. Also checken wir zunächst den Hyundai Ioniq 6 mit einem cW-Wert von 0,21, bleiben aber erst mal an der CCS-Säule. Die Stromzufuhr beherrscht der Allradler im Gegensatz zum Nio exzellent. 240 kW Ladeleistung sind trotz zahlreicher Newcomer immer noch top. In nur 18 Minuten füllt der Ioniq 6 4WD seine Zellen (77,4 kWh Batteriekapazität) von 10 auf 80 Prozent.

An das rasante Spurtvermögen von Nio ET5 und Polestar 2 kommt der aktuell stärkste Hyundai Ioniq dagegen nicht ran. Seine Motoren belassen es im Verbund bei 239 kW und 605 Nm. Doch das gesunde Maß zahlt sich mehrfach aus. Passend zum gediegenen Auftritt und einem in diesem Trio eher komfortbetonten Fahrwerk beschleunigt der Hyundai kräftig, homogen und bleibt bei zügigen Autobahnfahrten immer sehr leise.

Der große Radstand garantiert den Fondinsassen ein luftiges Raumgefühl und viel Beinfreiheit.

Mit vorbildlich niedrigen Verbräuchen (25,5 kWh/100 km im Test und 18,5 auf der Eco-Runde) unterbietet er seine Gegner zudem sehr deutlich. Neben der bewusst aerodynamischen Form und fünf stimmigen Rekuperationsstufen spielt da gewiss sein Gewicht eine Rolle. Trotz längerer Karosserie bringt der Hyundai nur 2.070 Kilo auf die Waage. Nio Et5 100 kWh und Polestar 2 L. R. D. M. Perf. liegen weit drüber. Der große Radstand garantiert den Fondinsassen wiederum ein luftiges Raumgefühl. Der Kofferraum verträgt rund 400 Liter. Nur der Ladeboden – eine dünne Matte mit angeklebten Schaumstoff-Elementen – wirkt wie eine Notlösung aus dem Baumarkt.

Die Klimaanlage muss ohne Drehregler auskommen, die Fensterheber- plus Türverriegelungs-Tasten befinden sich in der Mittelkonsole.

Also die große Klappe zu, bitte vorne Platz nehmen, und manch ein Hyundai-Kenner blickt sicher verwundert drein. Die Klimaautomatik muss ohne Drehregler auskommen, und die Fensterheber- plus Türverriegelungs-Tasten finden sich in der Mittelkonsole zwischen den gemütlich ausgeformten Sitzen. Als Fahrer eines alten Saab 900 bereitet dir das kein Problem, für andere ist es womöglich etwas befremdlich. Schön, dass ein Fach unterhalb der Konsole viel Stauraum bietet.

Etwas Lob verdient auch der faire Preis. Für das Topmodell Uniq ruft Hyundai 64.200 Euro auf. Dazu acht Jahre Garantie auf Fahrzeug und Batterie (Letztere bis 160.000 km). Schwer zu toppen? Abwarten.

Der ET5 macht richtig Druck

447 km weit kommt der Nio in unserem Eco-Testverbrauch. Damit sichert er sich den ersten Platz vor Hyundai (433 km) und Polestar (384 km).

Nio gibt sich mit drei Jahren jedenfalls zurückhaltender. Aus unserer Sicht keine gute Idee, schließlich setzen die Chinesen zunächst auf Online-Vertrieb, einen entsprechenden Hol- und Bring-Service und wenige Nio-Houses, in denen die Kunden die Modelle beschnuppern können. Der ET5 zählt dort mit einer Länge von 4.790 Millimetern zu den handlichsten Nio, wobei sich alle im Unterbau sehr ähneln.

Gut für den ET5, denn so profiliert sich die Limousine mit werbewirksamen Daten. Vorn eine fremderregte Maschine mit 150 kW, im Heck ein 210 kW starker permanenterregter Synchronmotor und dazwischen Batteriezellen mit einer Bruttokapazität von 100 kWh. 0–100 km/h: 3,9 Sekunden. 160 knackt er nach 9,9 Sekunden. Entsprechend mitreißend der Effekt auf der Geraden. Doch auf dem Land, in langen Wechselkurven, gerät der schwere und wankende Wagen schnell ins Trudeln. Zu schnelles Einfahren bestraft er mit heftigem Untersteuern, der tauben Lenkung fehlt es an Präzision, und aus der Kurve heraus kratzen bei kräftig gedrücktem Fahrpedal schon mal die Vorderräder. Hyundai Ioniq 6 4WD und Polestar 2 kurven da deutlich entspannter und sind trotzdem schnell.

Große Shortcuts (teils in der Farbe des Polestar-Systems) erleichtern die Wahl der Fahr- und Rekuperationsmodi.

Überschaubare Reichweite beim ET5

Die Rekuperation lässt sich nur via Touchscreen in drei Stärken variieren. Freies Rollen erlaubt der Nio Et5 100 kWh leider nicht. Das kostet Punkte im Umweltkapitel, Stichwort Leistungsaufwand bei 130 km/h.

Immerhin kann der Fahrer mittels fünf Fahrmodi die Leistung reduzieren und nachdrücklich zähmen. Sehr zu empfehlen ist beispielsweise der Komfort-Betrieb (laut Werk: 7,9 s auf 100 km/h). Dann passt die Kraftentfaltung besser zum Fahrverhalten und der ohnehin hohe Energiekonsum steigt nicht weiter. Mit 29,4 kWh liegt der üppig ausstaffierte Allradler weit über dem Hyundai. Auch der Polestar – so viel sei verraten – bleibt trotz ähnlich starker Maschinen knapp darunter. Entsprechend fährt der hinreichend komfortabel federnde ET5 nur bei zahmer Fahrweise über 333 Kilometer hinaus, trotz des großen Energievorrats.

Am Lader fordert der Nio Geduld

Nomi, der digitale Sprach-Assistent unterstützt in Sachen Navigation, Telefonieren und Musik. Alles andere übersteigt ihr Talent.

Der wiederum füllt sich sehr zäh. Je nach Entwicklungsstand der Zellen liegt die Ladeleistung zwischen 125 (wie beim Testwagen) und 180 kW. Während der Ioniq-Fahrer schon nach 14 Minuten genug Energie für 200 Kilometer gebunkert hatte, muss sich der Nio-Fahrer doppelt so lange gedulden. Wie schön, wenn wenigstens Nomi, dieses kleine digitale Sprach-Smiley im Armaturenbrett, ein paar Witze erzählen oder im Web recherchieren könnte. Aber nein. Navigation, Telefonieren und Musik liegen ihr am Herzen, für alles andere fehlt ihr das Talent. Zumindest an diesem Testtag. In anderen Modellen gab sich Nomi unterhaltsamer. Am Infotainment mit dem großen Touchscreen gibt es dagegen wenig zu meckern. Die Bedienung der unterschiedlichen Menüebenen ist nicht weiter kompliziert, und die Anzeigen für den Ladestand sind sehr plakativ.

Aber zurück zu den Ladezeiten. Schließlich kann ein Nio ET5-Fahrer seinen Akkublock an Power Swap Stations (PSS) vollautomatisch tauschen. Nach rund fünf Minuten Wartezeit sitzt im Unterboden ein bis zu 90 Prozent gefüllter Block. Elf PSS sind in Deutschland derzeit aktiv. Je nach Typ lagern bis zu 21 Batterien in den Regalen.

Allerdings dürfen hier nur Batteriemieter einlaufen (289 Euro im Monat). Wer seine Zellen kauft, zahlt einmalig 21.000 Euro. Plus die Ladekosten. Für den Mieter sind (je nach Lockangebot) zwei Wechsel im Monat im Preis mit drin. Der Basispreis des ET5 liegt oder besser lag ohne Batterie bei 47.500 Euro. Aktuell sind nur Bestandsfahrzeuge zu haben, und eine eigene Konfiguration ist nicht möglich.

Polestar 2: Schwede mit chinesischen Wurzeln

Rund 700 Kilometer südöstlich gen Küste, am Ostchinesischen Meer, da rollt der Polestar 2 vom Band. Ja, richtig gelesen: Die kantig-coole Limousine im Volvo-Style erreicht Europa nur per Frachter. Vielleicht sogar Heck an Nase mit einem Nio? Egal, denn so erhalten alle drei Limousinen für ihre langen Transportwege nur einen Punkt. Sonderlich viele Polestar dürften aktuell an Bord gar nicht sein. Vor ein paar Wochen verkaufte Volvo 30 Prozent seiner Anteile an Geely, während eine Investorenrunde aus zwölf Banken 950 Millionen Dollar Entwicklungshilfe leistet.

Den Wagen selbst trifft keine Schuld. Seit vier Jahren auf dem Markt, hat er schon so manchen Vergleich tapfer gemeistert, und seit einer umfassenden Modellpflege lockt die kompakte Limousine mit einem neuen Antriebskonzept. Seither gilt ein Heckmotor (215 kW) als primärer Antreiber, während ein fremderregter Asynchronmotor (135 kW) an der Vorderachse nur bei Bedarf gehörig mitpowert. Mit Fahrmodi will er seinen Piloten nicht animieren. Lenkung weicher oder verbindlicher – das war’s. Stört aber nicht. Im Gegensatz zum Nio Et5 100 kWh lässt sich seine massive Schubkraft ohne Schulungsmaßnahmen sanfter dosieren.

Knappe 380 km schafft der Polestar, selbst bei verhaltenem Fahrstil und untätigem Frontmotor.

Aber nicht falsch verstehen – mit 350 Kilowatt Leistung und 740 Nm liegt er absolut auf dem hohen Level des stürmischen ET5. Der Fahrer sitzt tief unten (genauer: neun Zentimeter näher am Asphalt als im Nio), schön integriert zwischen massiger Mittelkonsole und weich gepolsterten Auflagen in den satt zufallenden Türen. Gelungen auch die mit Nappaleder bezogenen und seitenhaltstarken Sitze. Für die gemütliche Ausfahrt mit den Großeltern zum Kuchenessen auf die Schwäbische Alb ist der enge Polestar 2 L. R. D. M. Perf. dennoch nur eine Notlösung. Der Schwede aus China rumpelt in der Stadt gehörig über jede Fuge und teilt auch bei flotter Fahrt über Land oder Autobahn kräftig aus. Maßgeblich verantwortlich für den herben Federungskomfort ist das Performance-Paket für 6.500 Euro. Beinhaltet es doch spezielle Öhlins-Stoßdämpfer, die per Werkzeug – wie im Motorsport – in Zug- und Druckstufe verstellbar sind, 20 Zoll große Räder und kräftig zupackende Vierkolbenbremsen von Brembo.

Komfort ist also Nebensache. An Handlingtalent fehlt es dagegen nicht. Der flache Viertürer liegt sehr satt auf der Straße, neigt sich kaum zur Seite, verkneift sich heftige Aufbaubewegungen. Zudem profitiert der Pilot von einer direkten und feinfühligen Lenkung. Entsprechend toppt der Polestar seine Kontrahenten in den Fahrversuchen, insbesondere im doppelten Spurwechsel. 136 km/h zu 130 im Nio – das ist durchaus mal eine Ansage. Bei zackiger Fahrt ergibt auch das straffe Fahrwerk Sinn, zumindest für alle, die in diesem Segment ein besonders querdynamisches Fahrzeug suchen.

Viele Grüße von Volvo

405 Liter Volumen bietet der Polestar, davon 43 Liter in einem tiefen Unterbodenfach.

Vorzüglich, insbesondere im Segment dieser kleineren Limousinen, ist das Laderaum-Konzept. 405 Liter Volumen, davon 43 Liter in einem tiefen Unterbodenfach, sind absolut okay und die Deckel-in-Deckel-Ablage mit Spannnetz im Alltag sehr hilfreich. Als Einziger verfügt der Polestar zudem über eine kleine Durchlade und einen ausreichend großen Frunk (41 Liter) vorne. Im Gegensatz zu dem des Hyundai passen hier auch mal zwei Ladekabel rein. Und: überall kein nacktes Blech zu sehen, sondern penibel eingepasste Teppichware. Ohnehin überzeugt die 65.275 Euro teure Limousine mit einer ansehnlichen Materialqualität, zumal Polestar (dank Volvo) in der Auswahl an Textilien, Stoffen, Lederwaren ja ziemlich kreativ unterwegs ist. Nur die schroffen Kanten an der erwähnten ablagenarmen Konsole passen nicht ins Bild. Doppelt schade, schließlich kommt man mit ihr tagtäglich in Kontakt.

Gelungen sind auch die mit Nappaleder bezogenen und seitenhaltstarken Sitze im Innenraum des Polestar.

Ansonsten macht der Polestar in der Long-Range-Variante mit 82-kWh-Akku vieles richtig gut. Der Energiekonsum hält sich trotz der hohen Performance mit 28,2 kWh in Grenzen, der Energiespeicher ist zügig wieder voll, und eine etwas versteckte App im sonst übersichtlich strukturierten Infotainment berechnet anhand des Fahrstils der letzten 20, 40 oder 100 Kilometer die noch verbleibende Reichweite. Viel mehr als 380 Kilometer sind allerdings selbst bei verhaltenem Fahrstil und untätigem Frontmotor nicht drin. Eine clevere Sprachbedienung und eine sehr schnelle Routenführung (dank Google) unterstützen dafür bei einer verlässlichen Ladeplanung.

Und wie lautet das Fazit für die Kaufplanung? Der Newcomer Nio ET5 braucht viel Feinschliff. Die beiden Routiniers liegen klar vorn, und am Ende gewinnt der Hyundai.

Fazit

1. Hyundai Ioniq 6
582 von 1000 Punkte
2. Polestar 2
576 von 1000 Punkte
3. Nio ET5
519 von 1000 Punkte
Technische Daten
Hyundai Ioniq 6 4WD UNIQPolestar 2 Long Range Dual Motor Performance PerformanceNio ET5 100 kWh
Grundpreis64.200 €65.275 €68.500 €
Außenmaße4855 x 1880 x 1495 mm4606 x 1859 x 1473 mm4790 x 1960 x 1499 mm
Kofferraumvolumen401 l405 bis 1095 l386 l
Höchstgeschwindigkeit185 km/h205 km/h200 km/h
0-100 km/h5,1 s4,2 s3,9 s
Verbrauch0,0 kWh/100 km0,0 kWh/100 km0,0 kWh/100 km
Testverbrauch25,5 kWh/100 km28,2 kWh/100 km29,4 kWh/100 km
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AUTO MOTOR UND SPORT 10 / 2024
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Erscheinungsdatum 25.04.2024

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