Die verrückteste Rennstrecke der Welt
Der Wahnsinns-Stadtkurs in Macao

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Der Straßenkurs in Macau ist eine gewaltige Mutprobe, die jährlich neue Legenden produziert. Vier Rennfahrer aus den vier Fahrzeugklassen Tourenwagen, Formel 3, GT und Superbike enträtseln für sport auto den Mythos Macau.

Macao, Unfall
Foto: LISTER

Man muss an dieser Stelle gestanden sein, wenn das Motorradrennen startet, um die Schippe Wahnsinn zu begreifen. Die erste Kurve des Guia Circuit in Macau ist zwar nichts Besonderes, und kaum ein Fahrer würde je über sie sprechen. Die Linkskrümmung nach Start und Ziel geht in den Autos mit Dach immer voll, vermutlich auch bei Schneetreiben. Bei den Verrückten der Verrückten, den Motorradfahrern, ist das schon etwas Anderes. Wer jedenfalls beim Veranstalter lange genug bettelt, bekommt ein gelbes Leiberl, auf dem Official draufsteht. Dann darf man sich beim Start zu den macanesischen Streckenposten in Turn 1 gesellen.
Den Startvorgang zum Macau Motorcycle Grand Prix sieht man von dieser Position nicht. Was man hört ist das Aufheulen der Motoren, wenn die roten Lichter vor dem Start aufblinken, ein langer, stechender Dauerton. Gegenüber springen die wie immer enthusiastischen und frohgemuten Zuschauer auf den Tribünen auf und johlen asiatische Aaahs und Ooohs.

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Motorradfahrer werden zu Geschossen

Grün. Der Dauerton der giftigen Vierzylinder-Sirenen wechselt in einen schnell auf- und absteigenden Sound, Gänge werden durchgeladen, Motoren schnalzen auf 13.000 Umdrehungen. Im vierten Gang donnert die Meute auf die erste Kurve zu. 25 kunterbunte Helme rasen an einer massiven, dreistöckigen Stahlleitplanke vorbei, im Abstand von wenigen Zentimetern.
Das dröhnende Spektakel dauert keine Sekunde, dann sind sie wieder weg. Erst in zweieinhalb Minuten werden die Biker wieder wie Pistolenkugeln an der Ballustrade vorbeifeuern, und man denkt unweigerlich: Hoffentlich kommen sie auch alle vollzählig wieder zurück.

Ritter im Nahkampf mit den Leitplanken

Die Superbikes sind ohne Frage die groteske Übertreibung von Macau. Wer hier stürzt, zahlt die Rechnung mit dem Körper - kein Sicherheitskäfig, keine Deformationsstruktur, kein Gurt, gar nichts. Die anderen Teilnehmer am bunten Macau-Rennwochenende aus den Klassen Tourenwagen, Formel 3 und GT ziehen wenigstens mit einer modernen Ritterrüstung aus Metall und Kevlar in den Nahkampf mit den Leitplanken.
Macau erinnert an die Gewalt der Geschwindigkeit, denn Macau ist eine kleine Zeitreise. Der Motorsport begann einst auf öffentlichen Straßen, die Zuschauer waren durch loses Flatterband von den Rennwagen getrennt, und die Fahrer starben wie die Fliegen. Die Zivilisation hat den Irrsinn gebändigt, vernünftig gemacht: Fangzäune, Auslaufzonen und Crashboxen sorgen für Sicherheit, und die Zuschauer sind keine lebenden Leitplanken mehr.
In Macau prallt die Vergangenheit auf die Gegenwart - historische Strecke gegen moderne Renn-Geschosse. Das Rennen steht am Rande der Vernunft. Gibt es sie überhaupt im Motorsport, die Grenze, an der man sagen sollte: Hier ist Schluss?
Michael Rutter versteht die Frage gar nicht. Der stämmige 40-Jährige startete heuer zum 18. Mal beim Motorradrennen in Macau und sollte in diesem Jahr zum achten Mal siegen - einsamer Rekord. Der Macau-Canyon aus Mauern und Leitplanken ist ihm lieb und teuer. „Straßenrennen wie Macau sind die Essenz des Motorsports“, raunt Rutter. „Von A nach B, so schnell wie möglich unter den gegebenen Bedingungen und ohne Fehler - das ist die Aufgabenstellung.“
Fehler hat er bei 18 Teilnahmen kaum je fabriziert. Und warum hat er acht Mal gewonnen? „Auf so einem Straßenkurs kannst du nie voll fahren, weil es keine Auslaufzonen gibt. Man muss alles unter Kontrolle haben, das ist für alle gleich. Ich fahre unter diesen Bedingungen vielleicht mit 94 Prozent.“ Pause, dann ein breites Grinsen: „Aber meine 94 Prozent sind offenbar etwas schneller als die 94 Prozent meiner Gegner.“

Kurven mit Mauerkontakt nehmen

Nur wenige konnten Rutter in Macau das Wasser reichen. 2007 beispielsweise wurde er nur Zweiter: Der TT-Held Steve Plater überholte ihn zu Rennbeginn und fuhr weg. Rutter bolzte den Rückstand zu, in der vorletzten Runde war er dran. Aber der Kollege Plater sendete Signale, und Rutter verstand sie: „In den letzten zwei Runden klatschten Lackpartikel auf mein Visier, da wusste ich: Der Bursche meint es ernst.“ Plater nahm die Kurven in direktem Kontakt mit Mauern und Leitplanken, die Farbe auf der rechten Helmseite war wegrasiert, die Lederkombi war wüst angeschliffen.
Man kann diesen Burschen die Bewunderung nicht versagen. Honda-Pilot Rutter wurde bereits im jüngsten Alter auf Straßenrennen gepolt: Sein Vater Tony Rutter siegte sieben Mal bei der legendären TT, und Sohnemann Michael krabbelte als Einjähriger um die Bikes. „Als ich zum ersten Mal selbst dort fuhr, habe ich mir vor Angst in die Hose geschissen“, lacht Rutter. „Heute habe ich einfach nur Spaß auf solchen Kursen, auch wenn das ein wenig schräg klingen mag.“

Wahnsinn oder Dummheit?

Ist es einfach nur Wahnsinn und grenzenloser Mut, mit einem 240-PS-Bike bei Straßenrennen zu fahren? Oder vielleicht sogar Dummheit? „Es geht um Kontrolle, Erfahrung und 100 Prozent Selbstvertrauen. Mich bringen immer nur die unerwarteten Sachen aus dem Tritt. Bei der TT auf der Isle of Man habe ich mal eine Kontaktlinse verloren und sah in Linkskurven nichts mehr - das war wirklich gefährlich!“
Rutter ist ein großer Name bei den insgesamt 12 irischen Straßenrennen, die von April bis Oktober ausgetragen werden. Wer sich Videos vom North West 200 oder dem Ulster GP anschaut, dem wird schlagartig klar, dass Rutter und Konsorten in Macau eigentlich unterfordert sind. Denn in Irland werden auf Landstraßen fünfter Ordnung Topspeeds von deutlich über 330 km/h erzielt. In Macau stehen am Ende der langen Geraden vor der Lisboa-Kurve gerade mal 280 Sachen auf der Uhr. „In Irland sorgst du dich vor allem um die Bordsteinkanten, in den Highspeed-Passagen fährt man aber quasi im freien Gelände - abgesehen von den Bäumen.“ Natürlich. „Macau ist auch einzigartig, ein Bobkanal aus Leitplanken und Mauern, der maximale Präzision erfordert, um die Superbikes millimetergenau hindurchzufädeln.“

Motorräder zählen zu den langsamsten

Die Motorräder haben zwar den höchsten Topspeed und die beste Beschleunigung im Teilnehmerfeld von Macau, aber sie sind im Vergleich mit den anderen Klassen fast die langsamsten: Die GT3-Wagen sind auf dem 6,12 Kilometer langen Kurs vier Sekunden schneller, und die zierlichen F3-Wägelchen wedeln sogar 14 Sekunden schneller durch das Leitplanken-Gewirr.
Leistung und Gewicht sind eben nur ein Kriterium für Rundenzeiten. Die vierrädrigen Rennwagen haben breitere Reifen und damit mehr Aufstandsfläche und mehr Grip. Und sie haben Abtrieb, das bringt massive Vorteile in den Kurven. In der schnellsten Kurve des Guia Circuits, Mandarin Corner, fahren die GT-Rennwagen fast voll - Speed: gut 250 km/h. Die Bikes müssen bremsen, herunterschalten und pfeilen nur mit knapp 220 Sachen ums Eck. 500 Meter später, am Ende der Geraden, sind die Bikes dann schon wieder fast exakt gleich schnell ...
Rutter nickt und kommentiert lapidar: „Beim North West 200 hätten die Autos null Chance gegen die Bikes!“ Der Unterschied liegt nämlich in der Streckenführung: In Irland dominieren enge Kurven und extrem lange Geraden. Doch der Guia Circuit besteht genau genommen aus zwei Strecken: Der Mittelteil führt in einer endlosen Abfolge von zumeist langsamen Kurven, unterbrochen durch wenige mittelschnelle Passagen und mit einer teilweise beängstigend schmalen Streckenbreite von gerade mal sieben Metern den Guia-Berg hinauf und auf der anderen Seite wieder hinunter. Die seitliche Begrenzung ist links verrammelt mit Mauern und rechts mit dreistöckigen Leitplanken. Dieser technisch anspruchsvolle Teil misst 3,135 Kilometer - also fast exakt die Hälfte der Strecke.
Die restlichen 2.985 Meter sind flüssig, kurvenarm und megaschnell. Während im zweiten Sektor über den Guia-Berg Handling, Einlenkverhalten und Kurvenspeed zählen, sind Beschleunigung und Topspeed in den Sektoren 1 und 3 kriegsentscheidend.

Straßenkurs in Macao sorgt für Spannung

Heute sind Stadtkurse ein Ort der Ödnis. Pau und Monaco sind die prominentesten Feinde des Überholmanövers, eine krachlaute Prozession von Rennwägelchen ohne viel Action. Macau folgt dem ursprünglichen Konzept von Straßenrennen, mit langen Geraden - deshalb kann überholt werden. Das ist kein Zufall, wie ein Blick in die lange Historie des Macau Grand Prix erweist: Die Streckenführung entspricht nämlich fast eins zu eins jener vom ersten Rennen aus dem Jahr 1954. Damals hatten reiche Hongkong-Chinesen die Idee wohlhabender Macanesen unterstützt, in der portugiesischen Kronkolonie eine Schnitzel-Jagd auf abgesperrter Strecke zu veranstalten. Wer Aufnahmen von der Premiere aus dem Jahr 1954 sieht, stellt verwundert fest, dass die Kurvenabfolge wirklich vollkommen unverändert ist.
Die Strecke blieb gleich, aber die Stadt hat sich in 60 Jahren drastisch verändert. 1954 war Macau ein verschlafenes Nest, die höchsten Gebäude zählten drei Stockwerke. Heute ist Macau ein glitzerndes Hotelparadies, die großen Ketten aus Las Vegas wie MGM, Sands und Wynns haben die Regie am Perlflussdelta übernommen und riesige Hotelbunker mit noch riesigeren Casinos auf das Eiland geklotzt. Denn Macau hatte dank einer Sondergenehmigung lange das Monopol für Glücksspiel. Heute ist Macau eine asiatische Kopie von Las Vegas.
Der Renn-Event passt prächtig zum chaotischen
Zockerparadies. Wer seine Jetons auf Michael Rutter als Sieger des Motorradrennens gesetzt hatte, lag goldrichtig. Wer auf Rob Huff als TW-Weltmeister setzte, bekam nur eine magere Siegquote. Bei der Tourenwagen-WM, die seit 2005 ihr Saisonfinale in Macau ausrichtet, war die Luft nämlich schon vorher raus: Zu dominant waren die Werks-Chevy in der Saison 2012. Und nur weil der unumschränkte Herrscher im Chevrolet-Camp, der Franzose Yvan Muller, drei Mal grandios patzte, hatte Huff seine Chance.

Mehr Autos auf der Strecke als im Ziel

Die Super2000-Autos sind in Macau nicht nur wegen des WM-Status die heimlichen Stars, sondern auch, weil es immer handfest kracht und scheppert. Nach den beiden WM-Läufen kehrten mehr Rennwagen auf dem Abschleppauto zurück ins Fahrerlager als auf vier Rädern. Zu den Enttäuschten gehörte auch Stefano d‘Aste, der italienische Pilot im deutschen Wiechers-Team aus Nienburg. Das Privatteam brachte 2012 das Kunststück fertig, zwei Siege gegen Chevrolet zu erringen. „Damit sind wir das zweiterfolgreichste Team in der TW-WM“, frohlockt Teamchef Dominik Greiner.
Zum Titel in der Privatfahrerwertung hat es in Macau nicht gereicht, unter anderem vereitelten unverschuldete Unfälle den Titelanlauf. „Macht aber nichts“, sagt Stefano d‘Aste, „die Siege sind mehr wert als jeder Titel.“ Man mag es auf den ersten Blick kaum glauben, aber die 330 PS starken und zwischen 1.150 und 1.200 Kilo schweren WM-Wagen stellen die langsamste Gattung im bunten Fahrzeug-Strauß von Macau.
Denn die TW haben so gut wie keinen Abtrieb, wiegen relativ viel bei eher schlapper Motorleistung. Stefano d‘Aste schaffte im ersten Qualifying eine beste Rundenzeit von 2.32,945 Minuten. Rutter war auf seiner Honda fast fünfeinhalb Sekunden schneller. Fast die gesamte Differenz büßte d‘Aste in den schnellen Sektoren 1 und 3 ein, während im zweiten, kurvigen Sektor Gleichstand herrschte: 1.34,957 (d‘Aste) zu 1.33,753 (Rutter). Rob Huff war in seinem überlegenen Chevrolet Cruze mit 1.32,694 Minuten übrigens sogar eine volle Sekunde schneller als der Biker Rutter.
„Natürlich sind die Bikes auf den Geraden unschlagbar“, sagt d‘Aste. „Sie wiegen weniger und haben ein viel besseres Leistungsgewicht. Damit beschleunigen sie schneller, und beim Topspeed sind sie dank der kleinen Stirnfläche auch überlegen.“
Die hohe Kunst beim Tourenwagen ist das Setup: Schon minimale Änderungen führen zur Verschiebung von Stärken und Schwächen. „Wir nennen das trade-off, also einen Kompromiss“, erklärt Dominik Greiner. „Im Prinzip legen wir fest, in welchen Kurven wir maximal schnell sein wollen. Das sind jene Kurven, die auf die langen Geraden münden. In Macau müssen wir mit der längsten Getriebübersetzung fahren, und für die wichtigen Kurven wie Fisherman-Bend und die R-Kurve auf Start-und-Ziel passen wir Setup und Übersetzung so an, dass wir schnell herauskommen, auch wenn das einen Kompromiss für andere Kurven bedeutet.“

Macau ist ein Ritt auf der Rasierklinge

Für den zweiten Sektor steht dagegen die Abstimmung von Federn und Dämpfern ganz oben auf der To-Do-Liste, denn der Fahrer benötigt ein gutes Feedback und ein schnelles, verzögerungsfreies Einlenken. „Wenn man im zweiten Sektor nur wenige Millimeter von der Ideallinie abkommt, dann hängt man sofort in der Wand“, sagt d‘Aste. Der Italiener liebt Straßenkurse wie Macau, Porto oder Pau: „Ich komme aus dem Rallye-Sport, da gibt es auch keine Auslaufzonen. Es zählen Perfektion und Präzision. Macau ist ein Ritt auf der Rasierklinge - wie eine Wertungsprüfung im Rallyesport.“
Der amtierende König von Macau würde vorbehaltlos zustimmen: Audi-Werkspilot Edoardo Mortara siegte heuer zum vierten Mal in Folge, zwei Mal in der Formel 3 und nun zum zweiten Mal beim GT-Rennen. Mortara hat ganz offenbar einen Narren an Macau gefressen und setzt seine Streckenkenntnis in brutal schnelle Rundenzeiten um. In diesem Jahr schaffte er im Zeittraining im Audi R8 LMS eine Rundenzeit von 2.20,617 Minuten. Die Schlüsselstelle für Mortara ist die ultraschnelle Mandarin-Kurve: „Da hältst du im Auto wirklich die Luft an, denn mein Audi R8 wiegt laut Reglement hier über 1.300 Kilogramm - und ich fahre die Ecke voll!“
Da hat der gute Edoardo allerdings leicht geflunkert, was sein Brötchengeber Audi später sogar noch ungewollt enthüllte, weil man Onboard-Aufnahmen der entscheidenden Pole-Runde ins Netz stellte. Und darauf ist deutlich zu erkennen, dass Mortara sehr wohl lupfte: Von 260 km/h sackte die Tachonadel vor der Kurve auf 250 km/h.
Dennoch ist Mortara der Super-Star in Macau, was auch Romain Dumas neidlos anerkennt. Der Franzose ist stolzer Eigner eines Porsche 911 GT3 R und wollte sich mal wieder ein Rennen auf der Strecke von Macau gönnen, wo er letztmals 1995 angetreten war. Wie sich herausstellen sollte, kann sich auch ein Ass wie Dumas ohne Anlauf nicht in Macau behaupten. „Ich musste die Strecke komplett neu lernen, was nicht so einfach ist, weil ich im Training wegen der vielen Unterbrechungen und eines Unfalls nur 24 Runden drehen konnte“, erklärt der sympathische Franzose.
Das führte dazu, das Dumas immer schneller wurde - aber das Setup und die Gangübersetzungen immer einen Schritt hinterherhinkten. Im Zeittraining schaffte Dumas eine Rundenzeit von 2.26,633 Minuten, aber im Rennen war er über drei Sekunden schneller. „Du musst Auto und Strecke perfekt kennen, sonst bist du mit der kurzen Trainingszeit verloren. Das Vertrauen muss sich aufbauen.“ In der Mandarin-Kurve schaffte Dumas einen Bestwert von 227 km/h, ganze 23 Stundenkilometer langsamer als Mortara. Fairerweise muss man hinzufügen, dass Mortara auf Entwicklungsreifen fuhr und der Audi R8 prinzipiell ein High-Downforce-Auto mit viel Abtrieb ist, während der Porsche 911 GT3 R eher in die Kategorie wenig Abtrieb gehört.

Die Kleinsten sind in Macau die Größten

Die Kleinsten sind in Macau mit Abstand die Größten: Die F3-Autos sind am schnellsten, obwohl sie kaum mehr Leistung haben als die Superbikes. Dafür wiegen sie mit 550 Kilo (inklusive Fahrer) nur einen Bruchteil der GT- und TW-Wagen. „Das niedrige Gewicht ist verantwortlich für den Rundenzeitenunterschied zu den anderen Fahrzeugklassen“, erklärt F3-Teamchef Peter Mücke. Unter fahrdynamischen Aspekten punkten die F3 zudem mit tiefem Schwerpunkt, ausgewogener Gewichtsverteilung und einer ordentlichen Schippe Abtrieb.
So schlägt die große Stunde der Formelflitzer im zweiten Sektor, wenn die wendigen Monoposti den Guia-Berg hinaufwedeln, elegant wie Gazellen. Die Datenanalyse macht es deutlich: Die GT-Autos verlieren zehn Sekunden auf die F3 - acht davon im zweiten Sektor. Die Superbikes verlieren 14 Sekunden auf die F3 - zwölf davon im zweiten Sektor. Die TW verlieren fast 20 Sekunden auf die F3-Flitzer - und auch hier gehen 13 Sekunden im zweiten Sektor flöten. „Die Physik kann man eben nicht austricksen“, konstatiert F3-Teamchef Peter Mücke.
Der Berliner konnte mit seinem F3-Team in Südostasien groß auftrumpfen: Mit Felix Rosenqvist und Pascal Wehrlein hatte er zwei viel versprechende Toptalente am Start, die auch lieferten: Der Schwede Rosenqvist schaffte im Hauptrennen Platz zwei, der Deutsche Wehrlein immerhin Platz vier.
„Das ist ein gutes Team-Resultat, trotzdem hätten wir lieber gewonnen“, bedauert Mücke. Rosenqvist war im Training beständig auf Platz eins oder zwei, doch im zweiten Qualifying lief er mit seiner besten Runde in eine rote Flagge: „Das wäre die Runde meines Lebens geworden“, so Rosenqvist, „die wäre locker fünf Zehntel schneller gewesen als die Pole-Zeit.“ Teamchef Mücke lässt das so nicht gelten: „Hätte, Wäre, Wenn - das höre ich an jedem Rennwochenende.“ Rosenqvist lag in beiden Rennen nach dem Start in Führung, verlor den Platz an der Sonne aber jeweils an den späteren Gesamtsieger António da Costa.
Die F3-Rennen waren geprägt von erstaunlich wenigen Überholmanövern. „Bei den neuen Dallara-Chassis ist die Getriebeübersetzung festgelegt, daher kann man beim Topspeed nicht mehr pokern“, klärt Mücke auf. „Und alle Top-Teams sind praktisch mit derselben Heckflügeleinstellung gefahren, da waren maximal zwei Grad Differenz. Deshalb fuhren alle auf der Geraden gleich schnell, und wegen der festen Getriebeübersetzung steht man auch im Windschatten an. Plätze kann man also nur noch beim Start selbst sowie in der ersten Kurve nach dem Start gutmachen. Wenn die Gegner keinen Fehler machen, dann ist der Fisch da schon geputzt.“
Peter Mücke trat mit seinem Team erst zum zweiten Mal in Macau an. „Macau geht immer auf Kosten der Saisonvorbereitung, weil die Autos so lange weg sind. Andererseits wollen alle Fahrer dort starten, und dem tragen wir jetzt halt Rechnung.“ Die Diskussionen um die Sicherheit der Strecke kann Newcomer Mücke nicht nachvollziehen: „Wenn man in einen Fischladen geht, dann stinkt es nach Fisch. Und wenn man nach Macau geht, dann stehen dort eben Mauern.“

Das Risiko fährt in Macao mit

Die 59. Ausgabe des Macau-GP 2012 sorgte sogar im fernen Europa für Schlagzeilen, wenngleich negativer Art. Denn binnen zwei Tagen kamen zwei Teilnehmer ums Leben, was sofort die Frage aufwarf: Sind Rennen auf dieser Strecke noch zeitgemäß? Der portugiesische Motorradpilot Luis Carreira stürzte am Freitag zu Tode, als seine Bremsen vor der Fisherman‘s-Kurve versagten. Einen Tag später verunglückte der Honkong-Chinese Philipp Yau Wing-Choi, als er in seinem Chevrolet Cruze bei einem lokalen TW-Rennen den Randstein in der Mandarin-Kurve berührte und auf der Gegenseite mit über 200 km/h einschlug. Beim Aufprall brach die Sitzbefestigung. Beide Piloten waren erfahrene Macau-Starter.
Die Statistik der tödlichen Rennunfälle in Macau ist trotz der bedauerlichen Vorfälle eigentlich recht gut: Den letzten Todessturz gab es in Macau vor sieben Jahren, als der französische Motorrad-Pilot Bruno Bonhuil in der Mandarin-Kurve ums Leben kam. Für die Zeit davor muss man in den Annalen sogar bis 1994 zurückblättern.
Ein Grund für die moderate Bilanz sind die jährlichen Inspektionen durch die FIA, die sicherstellen, dass die Strecke für Formel 3-Wagen und die TW-WM geeignet ist. Das Hauptproblem sind die Motorradrennen, denn Sturzräume sind so gut wie nicht vorhanden. „Wenn hier etwas richtig schiefgeht, hast du keine Chance“, so Motorrad-Sieger Michael Rutter. „Aber in den Alpen sterben pro Jahr über 300 Menschen bei Sportunfällen. Das ist eben alles relativ.“

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Erscheinungsdatum 04.02.2022

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