Ford Tourneo Custom & VW T7 Multivan im Test
Wer ist hier der Bus?

Während Ford mit dem neuen Tourneo Custom einen klassischen Transporter-Ableger mit langem Radstand und bis zu neun Sitzen baut, erfindet VW den siebensitzigen Multivan samt langem Überhang mit dem T7 neu.

Ford Tourneo Custom L2, VW T7 Multivan lang
Foto: Rossen Gargolov

Wie jetzt? Der Bulli war doch schon immer ein VW Bus und kein Ford. Nun, da haben Sie recht – oder besser: hatten. Denn künftig baut die Transporter-Variante des Bulli auf den Transit. Und der zeigt hier schon mal als ziviler Tourneo Custom, was er auf dem Kasten hat.

Bus ist eben nicht gleich Bus. Diese Erkenntnis stellen wir gleich an den Anfang des Vergleichs mit dem VW Multivan T7. Beide treten hier zwar mit Maximalbestuhlung und Dieselmotoren an. Doch die Unterschiede sind schon auf den ersten Blick ersichtlich: Der Ford Tourneo übertrifft den VW T7 nicht nur in der Höhe, sondern ragt mal eben knapp einen halben Meter aus der Standard-Parklücke heraus. Nun, Platz kann man nie genug haben. Das wissen gerade Sie, liebe Mehrfach-Kindergeld-Bezieher. Schließlich müssen hin und wieder nicht nur die eigenen Kids, sondern halbe Fußballmannschaften transportiert oder schwedische Möbelhäuser geplündert werden. Für solche Aufgaben drängt sich die Multivan-Alternative von Ford förmlich auf, die sich hier mit 3,50 Metern Radstand auf 5,45 Meter streckt und optional neun je 95 Kilogramm schwere Erwachsene beherbergt.

Unsere Highlights

Einsteigen bedeutet für den Busfahrer des Tourneo Custom vor allem aufsitzen. Allerdings erklimmen Sie über die Trittstufe nun ein Pkw-hafteres Interieur. Okay, das besteht hauptsächlich aus robustem Plastik, fügt sich jedoch knarzfrei zusammen – was nicht selbstverständlich ist in dieser Fahrzeugklasse. Das mehr eckige als runde Lenkrad sitzt zwar sehr nahe an der vorderen Achse, liegt aber gut in der Hand und gibt den Blick auf digitale Instrumente mit wenig variablen Anzeigen sowie den Bordcomputer frei.

Eine ganz große Nummer ist der 13-Zoll-Infotainment-Touchscreen in der Mitte. Er unterhält mit Fords aktueller Sync-4-Software, gliedert sich logisch, verbindet kabellos Android Auto oder Apple CarPlay und setzt Sprachbefehle schneller um als die meisten Pubertiere. Ford verzichtet jedoch weitestgehend auf klassische Bedientasten. Lediglich ein Lautstärkeregler ist geblieben. Große Kacheln erleichtern zwar die Auswahl, doch die Flächen für die Klimaautomatik sollten größer ausfallen.

Kleinbus? Platz ohne Ende!

Ford Tourneo Custom L2
Rossen Gargolov

Den Tourneo Custom gibt es mit zwei Radständen (3,1 und 3,5 Meter).

Neben dem elektrisch verstellbaren Fahrersitz samt Lordosenstütze und zwei herunterklappbaren Armlehnen für 922 Euro nehmen gleich zwei Copiloten Platz. Sie haben lieber etwas Abstand? Dann sparen Sie sich doch einfach die Mittelplatz-Option, oder klappen Sie einfach die mittlere Rückenlehne für eine zusätzliche Ablagefläche herunter.

Natürlich hat der Familientransporter noch mehr Variabilitätstricks drauf: Vorne gibt’s gleich zwei Handschuhfächer. Der Zustieg hinten gelingt mit optionaler Schiebetür links (774 Euro) noch bequemer. Die drei Einzelsitzplätze der zweiten Reihe lassen sich selbst von Kinderhand leicht verschieben und mit ein wenig erwachsenem Krafteinsatz gegen die Fahrtrichtung drehen, ohne dass die Beinfreiheit leidet. Mit umgeklappter Rücksitzlehne ergibt sich auf der Rückseite des Mittelplatzes ein Tisch samt Becherhalter. Die dritte Reihe ist zweigeteilt, lässt sich ebenfalls leichtestens umklappen – jedoch nur durch Möbelpacker ausbauen. Selbst wenn alle Sitze belegt sind, bleibt noch viel Platz für Gepäck. Sind alle Fondsitze demontiert, stehen rund sieben Kubikmeter Laderaum und 861 kg Zuladung bereit. Puh, da kann der T7 einpacken. Wobei Sie die rund vier Kubikmeter und 641 kg auch erst mal auslasten müssen.

Für die Generation Z gibt es hinten im Ford ausreichend USB-C-Anschlüsse an der Rückseite des Fahrersitzes sowie an der C-Säule und dazu Smartphone-Ablagen. Bis auf die kleinen Fächer unter den Sitzen und Energydrink-Dosenhalter sind im Fond Ablagen jedoch eher spärlich gesät. Im Kofferraum fehlen Haken für Taschen oder eine Hutablage. Blöd auch: Das Klimamodul im Fond ist wie beim Bulli lediglich von der zweiten Reihe aus erreichbar, und die optionalen Panorama-Glasdächer besitzen keine Rollos.

Ford: müder Top-Diesel

Ford Tourneo Custom L2, VW T7 Multivan lang
Rossen Gargolov

6,5l/100 km Diesel konsumiert der T7 Multivan auf der Eco-Runde. Im Testschnitt sind es 8,2 l. Der Tourneo Custom verbraucht bestenfalls 7,3 l, auf der Autobahn wird es schnell zweistellig.

Na, das sind ja gute Aussichten: Tatsächlich lässt sich Fords Fünfeinhalb-Meter-Kasten trotz breiter Dachsäulen bestens überblicken und zentimetergenau rangieren. Flottes Kurven erfordert jedoch Mut, denn der turnhallenartige Aufbau schwankt, und die Lenkung gibt wenig Feedback. Zudem verzögert der 2,4-Tonner mit seiner "Cargo"-Bereifung mit 40 Metern aus 100 km/h schlecht. Der T7 steht dagegen nach akzeptablen 35,6 Metern. Immerhin bietet der Tourneo Custom dank nun schraubengefederter Hinterachse seinen Insassen durchaus passablen Federungskomfort. Nur über Querfugen rollt der mit optionalen 19-Zöllern bestückte Testwagen etwas ungehobelt, jedoch ohne Fahrwerkspoltern.

Unter der Ford-Haube arbeitet hier der Top-Diesel mit 170 PS. Der Zweiliter fährt im Stop-and-go-Betrieb erfreulich flott an, läuft aber etwas rau und wirkt obenrum nicht nur subjektiv schlapp. Selbst unbeladen benötigt er 12,9 Sekunden auf 100 km/h. Ab 130 km/h bricht sich der Wind an den großen Doppelspiegeln und der Vortrieb nimmt weiter merklich ab. Die Höchstgeschwindigkeit von 175 km/h erreicht der Bus nur mit langem Anlauf und Orkanböen im Rücken, bei Seitenwind werfen ihn solche auch leichter aus der Bahn.

Auf der Autobahn steigt der Dieselkonsum schnell ins Zweistellige; mit 9,9 Litern im 100-km-Testschnitt ist der Transporter ohnehin nicht gerade sparsam. Zumal sich der VW im direkten Vergleich mit fast zwei Litern weniger begnügt. Ja, der T7 lässt sich im Alltag fast so sparsam bewegen wie ein Dieselkombi (Eco-Runde 6,5 l/100 km). Auf der Messstrecke beschleunigt er dabei den Werten nach nur einen Hauch zügiger und kann sich erst bei den Zwischenspurtwerten nennenswert absetzen. Das ist nicht relevant bei einem Familienbus? Nun, fahren Sie mal voll bepackt in den Urlaub und bleiben Sie kilometerlang hinter einem Lkw auf der Landstraße, weil die Kraft nicht zum Überholen reicht.

Da nützt es wenig, dass im Ford Mercedes-Gefühle wegen des Automatik-Wählhebels hinter dem Lenkrad aufkommen. Damit könnten Sie auch manuell die Gänge wechseln. Nötig wäre das bei den oft trägen Schaltvorgängen. Doch der Konjunktiv ist bewusst gewählt, denn das Drehen am Hebel für manuelle Schaltvorgänge ist wegen der Positionierung umständlich. Zudem ruckelt es vor allem beim Einlegen der D-Fahrstufe nach dem Kaltstart kräftig im Antriebsstrang.

Ebenso nervig wäre auch die Deaktivierung des Geschwindigkeitsassistenten in fünf Touch-Bedienschritten. Wie gut, dass sich Ford einen Shortcut überlegt hat. Dabei deutet der Kölner Tempolimits meist korrekt und hält sicher den Abstand zu anderen Verkehrsteilnehmern auch im Stau. Jedoch kostet die Komfortassistenz genauso wie flexibles LED-Licht beim Titanium extra. Dabei ist der Testwagen mit mehr als 62.000 Euro kein Schnäppchen.

T steht nicht für "Transport"

VW T7 Multivan lang
Rossen Gargolov

Gegen die Fahrtrichtung gedreht bleibt im VW-Fond nur wenig Beinraum und ganz hinten weniger Platz für Gepäck als im Tourneo.

Leider ist das nichts Neues bei den Kleinbussen. Neu ist hingegen, dass VW den T7 zwar als gut ausgestatteten Edition ähnlich bepreist, aber noch mehr Optionen bietet, die den Preis locker über die 70.000 Euro pushen. Verzicht muss hier jedenfalls niemand mehr üben, sodass der Fahrer gerne um-, aber nicht so hoch aufsteigt. In der ersten Reihe sitzen Sie immer noch Van-artig, weshalb die Aussicht über die nasenbärige Haube dank durchbrochener A-Säulen ähnlich grandios ist wie im Ford-Bus. Zudem rücken Pilot und Co mehr in die Fahrzeugmitte und thronen auf elektrisch verstellbaren sowie massagefähigen Sitzen samt besser justierbaren Armauflagen.

Dabei richtet VW den Multivan nach Art des Hauses ein: hier zum Glück mit echten Tasten auf dem Lenkrad, einem übersichtlichen digitalen Cockpit sowie einem kleinen, aber feinen Head-up-Display in der weit nach vorn zulaufenden Frontscheibe. Dazu verteilen die Hannoveraner – bei ihnen wird der T7 gebaut – großzügig Ablagen und installieren eine induktive Ladestation. Überhaupt liegt qualitativ eine ganze Klasse zwischen VW und Ford, auch wenn sich die gefärbten Kunststoffe vor allem im Fond hart anfühlen. Wie gelangt man dorthin? Entweder durch eine der beiden serienmäßigen Schiebetüren, die sich optional elektrisch auf Knopfdruck oder – wie praktisch – via Fernbedienung öffnen. Oder man drückt sich zwischen den Sitzen der ersten Reihe hindurch, was uns lieber ist. Schließlich wintert es draußen ordentlich. Dagegen hilft übrigens die optionale Dreizonen-Klimaanlage samt Standheizung im Testwagen.

Zwar fehlen dem Multivan in Summe zwei Sitzplätze, dafür schafft VW mit dem beweglichen Tisch für 720 Euro einen Kinder-Spiel-, Ess- sowie Business-Arbeitsplatz im Fond. Hier hinten reisen alle auf den fünf Einzelplätzen spürbar bequemer, zumindest solange alle Sitze in Fahrtrichtung zeigen. Denn in Vis-à-vis-Position müssen Erwachsene ihre Füße gut sortieren. Immerhin gelingt das Drehen, Aus- oder Umbauen der Sitzmöbel noch leichter und erfordert keine Präzisionswerkzeuge mehr, um die Sitzschienen zu treffen, wie es bei den Vorgängern der Fall war. Der T7 ist also noch praktikabler: Alle Sitze verfügen hier über Isofix-Bügel und lassen sich umgeklappt als Ablage nutzen. Den Laderaum hinter der dritten Sitzreihe teilt eine Hutablage; Taschenhalter, Untersitzfächer und die herausnehmbare Taschenlampe organisieren ihn. Schade nur, dass VW ebenfalls kaum Ablagen für Fondpassagiere vorsieht.

VW: Van es denn sein muss

VW T7 Multivan lang
Rossen Gargolov

Im Multivan reisen Pilot und Co auf bequemen Sitzen fast Pkw-artig. Das gilt fürs gesamte Fahrverhalten.

Fahrdynamisch erfindet VW den Bulli völlig neu. Denn der T7 fährt sich nicht mehr wie ein Transporter, sondern eher wie ein Van. Er lenkt zielgenauer, wenn auch nicht übertrieben gefühlvoll oder präzise, wankt spürbar weniger und umrundet Pylonen somit flotter. "Nur" 1,9 Meter Fahrzeughöhe, 9 cm geringere Breite und der 1,5 m weniger ausladende Wendekreis nehmen selbst Altstadt-Tiefgaragen fast ihren Schrecken. Gleiches gilt für desolate Landstraßen: Der T7 poltert unbeladen mit seinen 17-Zoll-Winterrädern zwar etwas mit der Hinterachse über Querfugen, dennoch federt er insgesamt homogener, obwohl VW im Testwagen noch nicht mal das Adaptivfahrwerk eingebaut hatte. Den Reisekomfort steigert zudem die bessere Geräuschdämmung, die auch die Kommunikation zwischen der ersten und letzten Reihe erleichtert, während das Harman-Kardon-Soundsystem im Gegensatz zur Billiganlage des Ford stets den richtigen Surround-Ton trifft.

Apropos: Der 2,0-Liter-Vierzylinder hält sich angenehm zurück. Er hadert zwar TDI-typisch mit flottem Anfahren, dafür hängt er, einmal in Bewegung, besser am Gas. Das Siebengang-DKG schaltet nicht nur in S-Stellung erfreulich flott, sondern akzeptiert auch manuelle Eingriffe via Schaltwippen.

Wie im Ford übernimmt die Fahrassistenz im vorauseilenden Gehorsam Tempolimits. Dank Travel Assist bleibt der T7 selbstständig in der Spur und verzögert mit aktivierter Navigation sogar automatisch auf den Verzögerungsstreifen von Autobahnabfahrten, die die beim Edition-Modell serien- mäßigen Matrix-LED-Scheinwerfer nachts bestens ausleuchten.

Klar also, wer am Ende im Rampenlicht steht, und damit auch, wer hier der Bus ist.

Fazit

1. VW Multivan T7 lang 2.0 TDI
513 von 1000 Punkte
2. Ford Tourneo Custom 2.0 L2
430 von 1000 Punkte
Technische Daten
VW Multivan T7 lang 2.0 TDI EditionFord Tourneo Custom 2.0 L2 Titanium
Grundpreis61.555 €59.679 €
Außenmaße5173 x 1941 x 1909 mm5450 x 2032 x 1993 mm
Hubraum / Motor1968 cm³ / 4-Zylinder1996 cm³ / 4-Zylinder
Leistung110 kW / 150 PS bei 3000 U/min125 kW / 170 PS bei 3500 U/min
Höchstgeschwindigkeit190 km/h175 km/h
0-100 km/h12,9 s
Verbrauch6,6 l/100 km8,0 l/100 km
Testverbrauch9,9 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 10 / 2024
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Erscheinungsdatum 25.04.2024

148 Seiten