Fans beim 24h-Rennen Nürburgring 2019
Ein Dachs für Breidscheid

Das 24-Stunden-Rennen schreibt auf und abseits der Rennstrecke seine großen und kleinen Geschichten. Auf den Campingplätzen verwandeln die Fans den Nürburgring zu einem großen Rummelplatz. Wir haben uns umgesehen.

ADAC Total 24h Rennen 2019. EUROPA, Deutschland, Rheinland Pfalz, Nuerburg, Nuerburgring, Nordschleife, 22.06.2019 Copyright Guido ten Brink / SB-Medien
Foto: Guido ten Brink / SB-Medien

Es ist kurz nach 19 Uhr. Das 24h-Rennen läuft seit dreieinhalb Stunden. Auf dem Campingplatz nahe der Breidscheid-Brücke, dieser kniffligen Doppellinks, liegt ein Fan in der Wiese. Sombrero. Orange Sonnenbrille mit schwarz getönten Gläsern. Graues T-Shirt. Kurze rote Hose. Adiletten. Im Hintergrund trällert Kurt Cobain einen Nirvana-Schlager, der sich unter die Motorengeräusche mischt.

Lange wird der Mann mit dem Sombrero nicht mehr ruhen. Sein Kumpel stellt sich mit einem wassergefüllten Kanister neben ihn. Platsch. „Kann ich nicht mal eine Minute in Ruhe schlafen.“ Sagts und lacht. Es sind die Fans, die mit ihren kleinen Streichen und ihrer Leidenschaft das 24h-Rennen am Nürburgring zu etwas Besonderem machen. Wir waren auf den Campingplätzen unterwegs und haben drei bunte Geschichten gesammelt.

Unsere Highlights
Fans - 24h-Rennen Nürburgring 2019 - Nordschleife
Stefan Baldauf / Guido ten Brink
Alter Golf, der jetzt als Grill herhält.

1986er Golf als Grill

Früher war der Golf mal ein ganzes Auto. Tiefergelegt, mit Schalensitzen und Sportlenkrad. Sein Besitzer Marco hat ihn für 300 Euro erworben. „In einer Party-Nacht zusammen mit einem Kumpel. Unsere Freundin war betrunken und wir haben den Deal eingetütet.“

Der 1986er Golf hatte erst 55 PS, dann 75, dann 90 PS. Und irgendwann ging die Freundschaft kaputt. Da entschloss sich Marco, aus dem Kompakten einen Grill zu machen. „Ich habe den Golf mit einer Säbelsäge geteilt.“ Sein Freund Torsten unterstützte beim Umbau, ist aber nicht mehr an der Strecke. Torsten musste vorzeitig abreisen. Magen-Darm.

Die Scheinwerfer leuchten, die Motorhaube ist geöffnet und mit Holz ausgekleidet. In zwei Ausbuchtungen wird das Schichtfleisch gegrillt. Unten ein bisschen Kohle, darüber ein bisschen, dazwischen das Fleisch geschichtet mit Zwiebeln Paprika und oben drauf eine Ladung Speck. Zwei Tage zuvor hatte Marco im Golf Lachs geräuchert.

Das Fleisch dauert noch 90 Minuten. Die 12er Gruppe am Adenauer Forst freut sich aufs Essen. Vor ein paar Jahren wäre der ungewöhnliche Grill beinahe abgefackelt. „Wir haben Kuchen gebacken, als er plötzlich Feuer fing. Das war 2013. Damals war der Golf noch Weiß.“

Fans - 24h-Rennen Nürburgring 2019 - Nordschleife
Stefan Baldauf / Guido ten Brink
Der Dachs wacht und schaut sich das Geschehen auf der Rennstrecke an.

Wie der Fuchsschwanz

Der Dachs wacht wie ein Hund auf einem Holzstumpf. Das ausgestopfte Tier trägt eine lilafarbene Leine um den Hals, eine gelbe Sonnenbrille und eine blonde Perücke. Wir sind in Breidscheid. Hier hat sich eine Gruppe ein Ziel gesetzt. Der Dachs soll bekannt werden. Einen eigenen Hashtag hat der Vertreter der Marderfamilie bereits. Spenden sammelt das Tier auch schon. Und irgendwann soll es wie der Fuchsschwanz am Opel Manta ein Auto schmücken. Oder im Innenraum mitfahren.

„Ich wandere jedes Jahr zu Fuß aus Euskirchen mit dem Dachs an den Nürburgring“, erzählt Sven, 33 Jahre alt. „Der Dachs gehorcht ohne Widerwort.“ Die Distanz zwischen Euskirchen und dem Ring beträgt etwa 60 Kilometer. Ob Sven es ernst meint? Wir glauben ihm mal.

Der Dachs jedenfalls gehörte einst dem Vater von Jochen, 43 Jahre alt. „Mein Vater hat viele ausgestopfte Tiere“, erzählt er. „Aber das Ding kriegste keinem verkauft. Also nehmen wir es mit an den Nürburgring. Der Dachs darf jeden Abend mit ins Zelt.“ Was 1994 mit einer Gruppe von vier Männern anfing, ist inzwischen auf 15 Personen gewachsen. Jochen hat dieses Jahr seine Tochter mitgebracht. Deshalb musste der Simulator daheimbleiben. „Wir müssen die nächste Generation heranziehen, damit wir irgendwann nicht mehr aufbauen müssen“, scherzt er. „Im Vito liegt die Matratze. Sobald meine Tochter alt genug ist, im Zelt zu schlafen, packen wir den Simulator wieder in den Bus.“

Der Holzverschlag, den die Gruppe aufgebaut hat und der für die Tage am Nürburgring ihr zuhause ist, bezeichnen sie als Dauerbaustelle. Manch Handwerker wäre froh darum. Immerhin gibt es einen beheizten Pool auf der Terrasse. „31 Grad ist der warm.“

Fans - 24h-Rennen Nürburgring 2019 - Nordschleife
Stefan Baldauf / Guido ten Brink
Simulatorfahren für den guten Zweck.

17 Meter hoher Funkmast

Im Schwalbenschwanz schallt der Hit „Auf uns“ von Andreas Bourani durch die Lautsprecher. Ein Mann tanzt auf einem Stehtisch und heizt die Meute an. Rund 40 Mann reisen die Arme in die Höhe, hüpfen und singen mit. Es ist Zeit für die Flaggenparade. Ein Brauch, den Torsten und seine Jungs seit 2014, seit dem WM-Sieg der deutschen Fußballnationalmannschaft, zelebrieren. Und für den sie kurz ihr Spiel unterbrechen. Zuvor hatten sie mit Mais und Reis befüllte Säcke auf zwei Rampen mit kleinem Loch in der Mitte geschmissen. „Ein Morz-Gaudi.“ Cornwhole nennt sich das Spiel.

Die F/One Crew, wie sie sich nennen, startete ihre gemeinsamen Motorsportreisen bei der Formel 1. „Die war uns aber zu leise.“ Lieber besuchen sie das 24-Stunden-Rennen. Und dort sticht ihr 17 Meter hoher Funkmast mit dem Blaulicht auf der Spitze aus all den Verrücktheiten heraus. Dieses Jahr gab es deshalb zunächst Zwist mit der Security. „Sie wollten, dass wir den Mast auf eine Höhe von sieben Metern zurückrüsten.“

Dieses Mal, führt Torsten aus, habe es ein paar Beschwerden gegen. „Die Musik sei zu laut. Die Nebelmaschine störe die Fahrer. Aber aus Ärger wurde Wohlgefallen. Wir haben den Mast freiwillig abgebaut, als es gewitterte. Das war uns zu gefährlich. Am nächsten Tag kam die Security auf uns zu und hat uns dafür gelobt. Zum Ende der Woche wurden wir alle lockerer. Und jetzt steht auch wieder der Mast.“

Im Hinterzelt sammelt die Gruppe für den wohltätigen Zweck. Dort können Fans gegen eine kleine Spende eine Viper auf der Nordstrecke im Simulator fahren. Das gesammelte Geld kommt der Organisation „Skate aid“ zugute. „Die Spardose wurde schon abgeholt. Jetzt zählen sie aus und geben uns Bescheid. Ich schätze, es sind zwischen 300 und 500 Euro zusammengekommen. Ein Security hat 50 Euro reingeschmissen.“

Noch ein paar Fun Facts. Die Gruppe hat in der Nürburgring-Woche zehn 50-Liter-Bierfässer getrunken. Dazu 38 Paletten-Dosenbier und weitere alkoholische Getränke. Ach ja. Ihren eigenen Energy-Drink haben sie auch. Für jede Ausgabe designen sie eine neue Dose.