FIA-Pläne zur Neuordnung des Tourenwagen-Sports
Tourenwagen-WM auf DTM-Basis?

Marcus Schurig über den Wunsch der FIA-Spitze, das (noch nicht eingeführte) Class-One-Reglement der DTM in der Tourenwagen-WM zu übernehmen – und warum das völlig unrealistischer Kokolores ist. Kommentar.

Lucas Auer - DTM Hockenheim - Finale - 2016
Foto: Wilhelm

„Online hat wieder zugeschlagen“, schrieb der Kollege und mailte mir Links. Die Story ging so: François Ribero, der wegen mangelnder Konsistenz seiner Serie in Bedrängnis geratene Promoter der TW-Weltmeisterschaft, und Hans-Werner Aufrecht, der halbwegs kaltgestellte ITR-Chef, wollen in Zukunft gemeinsame Sache machen. Das Class-One-Reglement, über das viel Papier zerknüllt wurde, das 2017 in der DTM hätte eingeführt werden sollen, aber eher später oder vielleicht niemals eingeführt werden wird, soll das TC1-Reglement in der Tourenwagen-WM ersetzen – und das bereits 2018!

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Motorsport berühmt für seinen Blödsinn

Das klingt weltfremd, aber muss es deshalb falsch sein? Da ist Vorsicht geboten, der Motorsport ist berühmt für seinen Blödsinn. Ich habe die Story erstmals im Mai 2016 gehört, und mir versichern lassen, es handele sich um den Versuch der FIA, alle nicht lahmenden Kühe, die auf der Weide stehen, zu melken.

Will sagen: Die FIA braucht Geld, daher will man gleich zwei WM-Titel unters Volk bringen. Eine GT-WM auf Basis von GT3-Plus-Autos und eine TW-WM auf Basis des unfertigen und nicht umgesetzten Class-One-Regelwerks, auf das sich die Japaner aus der Super GT und die Deutschen aus der DTM irgendwie geeinigt haben sollen – oder auch nicht. Also alter Wein in neuen Schläuchen? Die erstaunliche Antwort: Nein! FIA-Präsident Jean Todt will die WM in der Tat installieren, weil das WM-Prädikat Einnahmen in Millionenhöhe in die Schweizer FIA-Tresore spült.

Nur Mercedes fand die Idee toll

Es hätte sogar fast ein offizielles Statement von der FIA dazu gegeben, anlässlich des Pariser Autosalons im Oktober 2016. Das wäre aber peinlich geworden, daher hat man den Versand gestoppt. Denn es hätte doof ausgesehen, wenn eine Fahrzeugklasse, die nur auf dem Papier existiert, in den WM-Rang erhoben worden wäre, obwohl das Feedback all jener Hersteller, die theoretisch daran teilnehmen könnten, verheerend ausfiel, mit Ausnahme von Mercedes, die die Idee wie immer toll fanden. Gar nicht zu reden von jenen Herstellern, die jetzt in der TW-WM starten, und die ihre Werksprogramme dann kurzerhand einstampfen müssten.

Gehen wir die Sache mal logisch an: Ist ein WM-Prädikat erstrebenswert? Redet man mit ehemaligen und aktuellen Ausrichtern von Weltmeisterschaften, so lautet die Antwort: Nein. Die Kosten für ein FIA-Prädikat sind viel zu hoch, die Gegenleistungen zu gering. Wie in der Sportwagen-WM: Die FIA kassierte vom Promoter ACO zum Beispiel im Jahr 2016 eine Summe von weit über zwei Millionen Euro – doch das FIA-Handling der BOP in der GT-LM-Klasse war eher Kreisliga.

DTM-Hersteller bezahlen zwischen 50 und 70 Mio.

Und wie sähe das aus DTM-Sicht aus? Die DTM ist ein deutsches Ding, jede Form von Internationalisierung ist gescheitert, egal ob Auslandsrennen oder globale Expansion. Der Hersteller, der die Internationalisierung einst forderte, nämlich BMW, macht in Zukunft werksseitig internationalen Sport – in der GT-Klasse. Und warum sollte eine Fahrzeuggattung in den WM-Rang erhoben werden, bei der es sich gar nicht um Tourenwagen handelt – sondern um Prototypen?

Noch wichtiger: Warum sollten die DTM-Hersteller das Zepter aus der Hand geben – und auch noch dafür bezahlen? Denn mit dem WM-Prädikat hat die FIA die Finger auf dem Reglement. Dann kann man das technische Reglement nicht mehr kurzfristig umbiegen, wenn ein Hersteller darauf pocht – so wie bei BMW 2016. Dazu müsste die WM offensichtlich die DTM ersetzen, und bei Starts auf vier Kontinenten wird das ziemlich teuer.

Bereits heute betragen die jährlichen Kosten der DTM-Hersteller je nach Zählweise zwischen 50 und 70 Millionen Euro – schon allein das macht die WM-Planspiele von FIA-Boss Jean Todt zu haltlosen Hirngespinsten. Fazit: Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer – und sicher auch keine WM.