Ken Block im Interview
"Ja, ich verdiene ein bisschen Geld"

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Ken Block ist ein Grenzgänger: Die Youtube-Gemeinde vergöttert ihn als driftenden Action-Helden, die Rallye-Fans schätzen ihn als ambitionierten WRC-Piloten.

Ken Block, San Francisco, Driften
Foto: TopSpeed Vanda Borsos
Sie sind ein wahrer Youtube-König. Kennen Sie den aktuellen Stand, wie oft ihre Drift-Videos im Internet aufgerufen wurden?

Neulich waren es 240 Millionen Clicks, wenn man alle Videos zusammenzählt. Das ist echt irre. Ich kann es selbst kaum fassen, dass diese Videos so extrem populär sind.

Auf der anderen Seite wurde das spektakuläre Video von Ihrem Fünffach-Überschlag bei der Portugal-Rallye 2011 nur ein paar tausend Mal aufgerufen. Kennen Sie die Leute nur als Actionheld - aber nicht als ernst zu nehmenden Rallye-Fahrer?

Unglücklicherweise steht die Rallye-WM nicht so sehr im Rampenlicht wie noch vor ein paar Jahrzehnten. Mit den neuen Medien ist es ziemlich leicht, eine Menge Leute zu begeistern, sofern die Videos interessant sind, so wie meine Gymkhana-Filme. Zu dem Unfall von 2011: Dieser Crash war nicht von schlechten Eltern. Es war echt Pech, aber solche Dinge passieren nun mal im Rallyesport. Zum Glück haben sich weder mein Beifahrer Alex Gelsomino noch ich verletzt. Und deshalb heißt es: Weitermachen!

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Wie sind Sie überhaupt auf die Idee gekommen, im hohen Alter von 38 Jahren als Neuling in die Rallye-Szene einzusteigen und gegen wesentlich jüngere Fahrer anzutreten?

Ich war immer ein großer Rallyefan, schon als Kind. Motorsport hat mir immer schon mehr bedeutet als alles andere auf der Welt. Leider hatte ich nie die Chance, bereits als Schüler das Fahren auf Schotter, Schnee und Eis zu lernen, so wie all die Skandinavier. Ich war schon 39 Jahre alt, als ich in die WRC kam. Ich hatte zuvor schon einige Erfolge in den USA eingefahren, aber ich wusste natürlich, dass ich Probleme haben würde, nicht zuletzt weil mir die Erfahrung fehlte. Das hat sich vor allem beim Aufschrieb bemerkbar gemacht. Trotzdem ging für mich ein Traum in Erfüllung. Ich habe mich auch stetig verbessert und bin einer von nur vier Amerikanern, die es je geschafft haben, in der Rallye-WM Punkte zu holen.

Was ist das nächste Ziel: Podiumsplatzierungen in der Rallye-WM?

Das wird kaum funktionieren. Wer in der WM ganz vorn mitfahren will, muss bei allen Läufen antreten, und er muss extrem viel testen. Das geht bei mir schon deswegen nicht, weil ich eine Menge andere Sachen mache, die mir auch großen Spaß bereiten. Ich starte zum Beispiel bei der Global RallyeCross-Serie und bei den Gymkhana-Drift-Events. Unter diesen Voraussetzungen ist es völlig unmöglich, mit den Top-Burschen in der Rallye-WM mitzuhalten.

Können Sie sich an den ersten Drift Ihres Lebens erinnern? Sind Sie absichtlich gedriftet oder aus Versehen ins Schleudern geraten?

Ich war 15 oder 16 Jahre alt, als ich es zum ersten Mal probiert habe. Ich war damals ein riesiger Rallye-Fan und habe mir eines Tages einfach das Auto meiner Eltern geschnappt. Ich wollte unbedingt so fahren wie die damaligen Rallyehelden, mit Ziehen an der Handbremse und langen Drifts. Ich habe den Ford-Pickup meines Vaters damals regelrecht missbraucht auf den kleinen Straßen in Kalifornien. Zum Glück war meinen Eltern niemals klar, was ich mit dem Auto trieb. Ich hatte auch nie einen Unfall.

Welche Sportarten haben Sie als junger Mann betrieben?

Ich bin mit dem Skateboard und mit dem Snowboard gefahren, aber nur zum Spaß, nicht als Leistungssportler. Im Motocross fuhr ich später auf dem sogenannten Intermediate-Level, also eine Stufe unter den Experten. Aber richtig ernst genommen habe ich auch das nicht wirklich.

Stattdessen waren Sie ein strebsamer Student der Architektur. Wie kommt man dann plötzlich auf die Idee, Sportschuhe zu entwerfen?

Design und Architektur waren immer ein wichtiger Teil meines Lebens. Ich war schon in jungen Jahren ein Fan von Industrie-Design und 3D-Darstellungen. Damals kamen die ersten Apple Macintosh heraus. So hatte man ganz andere Möglichkeiten, Sachen zu entwerfen. Ich habe T-Shirts und Schuhe designt. Das hat mir gefallen. Zufällig wurde daraus ein ziemlich großes Geschäft.

Man tut, was einem Spaß macht und verdient dann Millionen von Dollars. Das klingt so simpel. Was war Ihr Erfolgsgeheimnis?

Viel harte Arbeit, natürliches Talent, aber auch der Umstand, dass ich die richtigen Leute kannte. Mein Partner Damon und ich kannten viele Jungs aus der Skateboarder-Szene, und wir konnten sie davon überzeugen, unsere Produkte zu benutzen.

2004 haben Sie Ihre Firma DC Shoes an Quicksilver verkauft. Mit nicht mal 40 Jahren waren Sie ein gemachter Mann, ein Dollar-Millionär.

Ich war dankbar, dass es uns gelungen ist, so eine coole Firma aufzubauen. Und auch dafür, dass es uns gelungen ist, eine Belohnung dafür zu bekommen. Ich arbeite übrigens nach wie vor für DC Shoes. Ich entwickle zum Beispiel Ideen fürs Marketing.

Vielleicht ist Ihnen die Frage peinlich: Verdienen Sie als Actionheld und als Rallyefahrer Geld?

Ich bin bei fast allen Aktivitäten in der Gewinnzone. Ja, ich verdiene ein bisschen Geld.

Ein bisschen? Nach Millionärs-Maßstäben?

Das Geld kommt rein, und ich gebe es wieder aus. So habe ich zum Beispiel ein tolles neues Hauptquartier für mein Hoonigan-Team gebaut, mit Werkstatt, Büros und so weiter. Es fehlt uns an nichts. Wir haben auch ein sehr schönes Motorhome. Und beim Reisen legen wir Wert auf Komfort.

Wie schwierig ist es für Sie, die Verkehrsregeln zu beachten?

Ich habe so viel Spaß im Rallyeauto, da brauche ich wirklich nicht im Straßenverkehr mitzumischen. Da bin ich eher zurückhaltend, und Sicherheit steht für mich an erster Stelle. Ich drifte nur auf den abgesperrten Trainingsgeländen.

Ihr Team heißt Hoonigan-Racing. Was beutet Hoonigan?

Das Verb "to hoon" kommt aus dem Australischen, aber dort hat es einen eher negativen Beigeschmack. Es steht für Leute, die sehr aggressiv fahren, Burnouts machen und immer zu schnell unterwegs sind. Es gibt sogar sogenannte Anti-Hoon-Gesetze in Australien. In den USA hat es eine andere Bedeutung, viel positiver. Es steht mehr für den Spaß am Auto. Ich liebe es Rallye zu fahren, aber ich freue mich auch ganz einfach an der Technik der Straßenautos.

Wie viel Leistung hat Ihr Drift-Auto?

Das Driftauto ist das gleiche Auto, das ich auch für Rallyecross verwende. Da kommt bloß ein anderer Turbolader drauf, dann leistet der Motor etwas über 600 PS.

Das WRC-Auto hat aber bloß 300 PS. Wird das Fahren dadurch schwieriger?

Ich weiß es nicht, denn ich bin ja nie mit 600 PS Rallye gefahren. Aber der Fahrstil ist ganz anders. Beim Gymkhana-Auto geht es darum, so quer wie möglich zu fahren. In der Rallye-WM muss ich versuchen, einen möglichst sauberen Strich zu fahren. Nur so ist man in der WRC schnell. Das Rallye-Fahren ist definitiv schwieriger, weil man extrem exakt fahren muss.

Ihre schwierigste Erfahrung?

Definitiv WRC in Schweden. Ich fuhr das erste Mal auf Spikes. Ich hatte kaum Erfahrung auf Schnee - eine große Herausforderung. Vielleicht mache ich es eines Tages wieder. Man muss dort als Neuling sehr vorsichtig zur Sache gehen. Die Rallye ist extrem schnell und man hat viele Gelegenheiten, böse Fehler zu machen. Auch auf Asphalt fehlt es mir an Erfahrung, nur auf Schotter fühle ich mich richtig wohl. Da weiß ich genau, wie ich das Auto abstimmen muss.

Wie kamen Sie auf die Idee, diese berühmten Gymkhana-Videos zu drehen?

Ich habe mich beruflich mit dem Marketing von Sportschuhen und Skateboards beschäftigt. Wir haben eine Menge Videos produziert - da kenne ich mich gut aus. Das ist Standard-Marketing. Mein allererstes Gymkhana-Video entstand aber trotzdem rein zufällig: Wir haben einfach zum Spaß ein Video gefilmt.

Würde es Sie reizen, bei der Baja 1000 zu starten?

Die Baja bin ich mal gefahren, weil mein Sponsor Monster das wollte. Das hat mir nicht besonders viel Spaß gemacht, aber ich weiß zu würdigen, was die Fahrer dort leisten. Dinge wie präzises Fahren sind da nicht besonders gefragt. Ich habe bei der Baja eine Menge Staub gefressen, weil ich als 16. In meiner Klasse gestartet bin. Es hat nicht lange gedauert, bis ich führte. Dann ging das Auto kaputt und ich musste drei Stunden warten, bis mir jemand geholfen hat.

Was war das Gefährlichste, was Sie je gemacht haben?

Die großen Sprünge sind alle heikel. Wir haben mal in Neuseeland ein Video produziert, auf Schnee mit ein paar Snowboardern. Auf der Rampe war ich um eine Spur zu schnell, bin 30 Meter weit geflogen. Leider ist das Auto auf der Nase gelandet und wurde abrupt gestoppt. Dabei habe ich mir einen Wirbel angebrochen, das war zwar ziemlich schmerzhaft. Am nächsten Wochenende bin ich schon wieder bei einer Rallye gefahren.

STECKBRIEF Ken Block

Geburtsort Long Beach, Kalifornien
Alter 45
Familienstand Verheiratet mit Lucy
Kinder Drei Kinder
Beruf Gymkhana-Profi; Teilnehmer bei der Global RallyeCross-Serie und in der Rallye-WM, Starts bei den X-Games

Ken Block ist ein Tausendsassa des Motorsports: In seiner Jugend fuhr er erfolgreich Motocross, später wechselte er auf vier Räder und wurde durch seine Gymkhana-Drift-Videos weltberühmt. Seit 2007 startet er auch in der Rallye-Weltmeisterschaft, im Rallyecross und bei den X-Games, wo er 2012 beim Rallyecross-Lauf hinter Weltmeister Sébastien Loeb Zweiter wurde.

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Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten