Toyota bleibt trotz Niederlage Top-Favorit
Ferrari dominiert Hypercar-Quali

24h Le Mans 2023

Zwar gewinnt man über das Zeittraining, wo nur eine schnelle Runde zählt, keine 24h-Rennen, aber man lernt immer etwas. Die Fragen nach dem Hypercar-Qualifying in Le Mans lautet: Warum dominierte Ferrari das Qualifying mit gut 1,5 Sekunden Vorsprung? Warum war Toyota so weit weg? Und wie steht es um das LMDh-Duell zwischen Cadillac und Porsche?

Le Mans 2023 - Peugeot, Cadillac, Ferrari, Porsche, Toyota
Foto: xpb

Ferrari-Pilot Antonio Fuoco strahlte über beide Backen: Der Italiener holte sich mit einer perfekten Runde die Pole Position beim 100. Geburtstag des 24h-Rennens in Le Mans. Mit einer Rundenzeit von 3.22,982 min distanzierte er den prominenten LMH-Hersteller Toyota um 1,5 Sekunden. Noch besser für die Roten: Ferrari-Teamkollegen Alessandro Pier Guidi kam im zweiten Ferrari 499P mit einem Rückstand von sieben Zehntelsekunden auf Platz zwei – eine rote erste Startreihe zum Le-Mans-Jubiläum.

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Was bedeutet das für das Rennen? Relativ wenig, denn für den Qualifying-Speed gibt es keinen direkten Übertrag ins Rennen: Erstens sind die Autos abgetankt und damit sehr leicht, gleichzeitig haben die Teams extra für die Hyperpole zwei frische Satz Michelin-Reifen gratis. Und drittens wird der Luftdruck nicht gecheckt, die Mindestvorgabe fürs Rennen liegt bei 2,0 bar, aber bezogen auf den Durchschnitt im Stint. Da im Qualifying nur drei Runden mit einem Satz Reifen gefahren werden, wird der Luftdruck ignoriert.

Ferrari dominiert die Hyperpole

Dass Ferrari stark über eine schnelle Runde ist, haben sie bereits mit der Pole Position beim Saisonstart in Sebring unter Beweis gestellt. Weil Toyota über die letzte BOP-Rochade kurz vor Le Mans 37 Kilo zuladen musste, war generell kein One-Lap-Wonder der Japaner zu erwarten. Und dass die LMDh-Hersteller Cadillac und Porsche beim rohen Speed nicht würden mithalten können, war ebenfalls keine Überraschung.

Ferrari 499P - Antonio Fuoco - Le Mans 2023 - Hyperpole
Motorsport Images
Ferrari dominierte das Qualifying in Le Mans und startet von den Plätzen 1 und 2 in die Jubiläums-Ausgabe.

Die offensichtliche Frage: Wo war Ferrari schneller? Besonders im zweiten Sektor, auf der langen Hunaudières-Geraden, wo Fuoco den Toyota alleine sechs Zehntel auftischte. Dazu war der Italiener der einzige Topfahrer, der alle besten Sektorzeiten in eine Runde packte. Kamui Kobayashi (Toyota #7) wäre alleine neun Zehntel schneller gewesen, hätte er seine Bestzeiten in den drei Sektoren in eine Runde gepackt. Dazu hatte man beim Topspeed die Oberhand und markierte mit 340,2 km/h mit beiden Autos die Bestwerte. Ein Toyota war dank Windschatten nur zwei km/h weg vom Bestwert, dem Schwesterwagen fehlten aber schon sieben km/h, Cadillac und Porsche rund fünf km/h.

Reifenverschleiß spricht für Toyota

Dass beide Toyota 1,5 bzw. 1,9 Sekunden auf Ferrari verloren, war eine Überraschung. Toyota war etwa so schnell wie im Qualifying im letzten Jahr, doch über den Winter hat man alleine beim Powertrain 30 Kilo abgesteckt. Andererseits musste man wegen der BOP wieder 40 Kilo einladen. Es gibt Schlaumeier im Fahrerlager, die behaupten, Toyota habe den Speed im Hyperpole-Qualifying gemanagt, mit dem Ziel, die letzte BOP-Änderung als Fehler zu entlarven. Das mag um drei Ecken gedacht sein, aber es bleibt Fakt, dass Toyota bei der Renn-Pace wettbewerbsfähig sein wird.

Dazu hatte Toyota in der WM-Saison den besseren Reifenverschleiß, auch wenn das BOP-Zusatzgewicht etwas Konstanz gekostet haben könnte. Bei der Zuverlässigkeit ist Toyota Benchmark im Le-Mans-Feld, weil sie bereits im dritten Jahr mit dem Hypercar fahren, dazu war Toyota bei Boxenstopps, Strategie und anderen relevanten Kriterien bisher herausragend. Rein bezogen auf die Renn-Pace und die Zuverlässigkeit bleibt Toyota der Favorit, aber Ferrari ist näher dran.

Porsche vor Cadillac

Die beiden LMDh-Marken Porsche und Cadillac wären zeitlich beide ungefähr auf dem Niveau des besten Toyotas gewesen, allerdings wurde die gute Zeit von Sébastien Bourdais (Cadillac #3) gestrichen, weil ein Feuer an seinem Auto eine rote Flagge auslöste. Porsche-Pilot Felipe Nasr war deshalb auf Platz 4 mit einem Rückstand von 1,549 Sekunden bester LMDh-Pilot.

Inkludiert man die Bourdais-Zeit in die Bewertung, hätten alle vier Marken in zwei Sekunden gelegen, wobei aber Ferrari 1,5 Sekunden Vorsprung hatte. Im Qualifying zur Hyperpole-Session lagen acht Autos von vier Marken in acht Zehntelsekunden – nicht schlecht für eine BOP, die aus der Not geboren wurde.

Porsche 963 - Felipe Nasr - Le Mans 2023 - Hyperpole
Porsche
Felipe Nasr stellte den Porsche 963 auf Startplatz 4.

Wechselhaftes Wetter in Le Mans erwartet

Wird die BOP das Rennen entscheiden? Ziemlich sicher: Nein! Erstens stehen den Fans wechselhafte Witterungsbedingungen bevor, Regenschauer sind sehr wahrscheinlich und könnten das Feld durcheinander würfeln. Zweitens liegen die vier Topmarken Ferrari, Toyota, Porsche und Cadillac bezogen auf die Renn-Pace vermutlich recht nahe beieinander – viel näher als noch bei den ersten drei WM-Rennen. Drittens werden die neuen Safety-Car-Regeln dafür sorgen, dass man relativ easy in der Führungsrunde bleibt, zumindest dann, wenn es einige Gelbphasen gibt, was wegen des Wetters zu erwarten ist.

Last but not least sind die Autos von drei der vier Topmarken neu, das heißt, die Zuverlässigkeit wird wichtiger sein als der reine Nettospeed. Nur Toyota hat ein voll erprobtes Fahrzeugkonzept – und deshalb bleiben die Japaner der Favorit beim 100. Geburtstag des 24h-Rennens in Le Mans.

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