Mercedes-GT3 ohne Restriktionen bricht Rekord
Monster-AMG bezwingt Aussie-Nordschleife

Zur Feier von 130 Jahren Motorsport schickte Mercedes nicht nur Rennwagen, sondern auch ein radikales Rekordauto zum 12-Stunden-Klassiker im australischen Bathurst. Dank ungezügelter V8-Power und DRS pulverisierte der Über-AMG den alten GT-Bestwert mit Leichtigkeit. Neben weiteren Performance-Verbesserungen enthielt der Extrem-GT3 auch ein Geschenk an die Fans.

Die ganze Radikalität des Mount Panorama Circuit lässt sich mit einer Anekdote aus der Videospielwelt zusammenfassen. Als Gran Turismo im Jahr 2013 in Form eines Videos ankündigte, den Kurs aufzunehmen, kommentierte ein Nutzer: "Die Strecke ist ja wirklich grandios. Aber wäre es nicht besser, wenn man anstatt einer Fantasie-Strecke eine echte genommen hätte?" Obwohl der 6,213 Kilometer lange Kurs wie aus einem Traum entsprungen wirkt, ist er genauso real wie seine Konsequenzen.

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Australiens Antwort auf den Nürburgring wurde im Jahr 1938 eröffnet und ist allen voran für ihr extrem technisches, von Mauern eingezäuntes Geschlängel entlang einer Hügelkante bekannt. Dazu kommen zwei Vollgas-Sprints: eine die – liebevoll als Berg bezeichnete – Anhöhe hinauf und eine hinunter. Letztere ist aus ähnlichen Gründen wie in Le Mans seit 1987 durch eine Schikane unterbrochen. Doch anstatt die Hatz zu entschärfen, machte sie den Kurs wohl noch herausfordernder.

12 Stunden von Bathurst 2024 - Mercedes-AMG-Rekordauto - Jules Gounon
Mercedes-AMG

Der Mount Panorama Circuit gehört zu den brutalsten Strecken des Motorsports. Mercedes ließ ein Monster auf ihn los.

Rund 650 PS und Carbonbremsen

Dass die Traditionspiste schon mit "normalem" Gerät ein riskantes Spiel am Limit ist, zeigen alljährlich das 1000-Kilometer-Rennen der heimischen Tourenwagen-Serie und das deutlich jüngere Sportwagen-Event. Dort knallt es wenn so richtig. Dementsprechend mutig war das Vorhaben von Mercedes-AMG, im Rahmen der 130-Jahre-Party des silbernen Rennbetriebs nochmal einen draufzulegen. Die Affalterbacher reisten mit einer Über-Version ihres Kundenrenners an, die sich für die Rekordfahrt am Samstag (17.2.) komplett ihrer Fesseln entledigte.

So ist die Silhouette zwar noch nahe an den Renngegenstücken dran, aber die Ingenieure besserten gleich an mehreren Stellen radikal nach. Am einfachsten gelang es beim Motor. Ohne die im Sportalltag vorgeschriebenen Luftmengenbegrenzer leistet der 6,2-Liter-V8-Motor rund 650 PS – also bis zu 100 Pferdestärken mehr. Um den erhöhten Vorwärtsdrang kontrolliert einzufangen, bestehen die Bremsen nun aus Carbon-Komponenten. Im GT3-Sport ist der kostspielige Luxus verboten.

Obwohl die Optik grundsätzlich unangetastet blieb, veränderten sich mehrere Details. Die Aerodynamiker passten die Frontschürze, den Splitter, die Seitenschweller sowie den Heckdiffusor an die Rekordaufgabe an. Insgesamt wuchs der Unterboden des Autos zugunsten der Downforce an. Die erhöhte physikalische Last erforderte schließlich sogar den Wechsel auf andere Felgen. Das beste Beispiel für die intensive Suche nach Zehntelsekunden findet sich bei den Spiegeln, die ähnlich wie zu Class-One-DTM-Zeiten als Flügelemente fungieren.

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DTM-DRS und Straight-Pipes

Stichwort Flügel: Auch beim Heck bedient sich der Brutalo-Benz bei der DTM-Vergangenheit. Das Drag-Reduction-System (DRS), das die Endplatte nach hinten klappt, wird sowohl über die Gas-/Bremsangabe als auch über einen Knopf am Lenkrad angesteuert. Wenig überraschend hält sich der AMG-GT3-Plus so auch nicht an Vorgaben im Bereich der Fahrzeughöhe. Zumindest beim Gewicht ist er trotz der Änderungen aber nahe an der Basis.

Als akustische Willensbekundung verbaute AMG zusätzlich Straight-Pipes. Die gerade herausgeschossenen Abgasströme lassen sich in Europa, wo der Rekordler im Vorfeld getestet wurde, angesichts strenger Vorgaben nur schwer umsetzen. Im V8-Paradies Bathurst nimmt man es hingegen nicht ganz so streng – zumindest über einige wenige Runden hinweg.

12 Stunden von Bathurst 2024 - Mercedes-AMG-Rekordauto - Jules Gounon
Mercedes-AMG

Dank all seiner Erfahrung setzte Jules Gounon die hohen Erwartungen in ihn perfekt um.

GT3-"Weltmeister" am Limit

Als Fahrer wählte Mercedes den in Andorra beheimateten GT3-Ausnahmekönner Jules Gounon aus. Der amtierende Meister der Quasi-WM "Intercontinental GT Challenge" und dreifache Bathurst-Sieger war auch beim 12-Stunden-Rennen selbst am Start. "Es ist gar nicht so einfach für mich, zwischen den Autos zu wechseln", erzählte der 29-Jährige diesbezüglich noch nach dem ersten Test am Freitag. "Die Unterschiede beim Grip und bei der Leistung sind ordentlich. Aber der Slot morgen ist wunderbar, hoffentlich wird es kalt sein."

Der Wunsch nach einem kühlen Sommermorgen drei Autostunden westlich von Sydney wurde erhört. Nachdem Gounon schon beim Shakedown eine neue Bestzeit gesetzt hatte, legte er am Samstag um 9:20 Uhr Ortszeit nach. Bei 21 Grad Celsius Luft- und 30 Grad Celsius Asphalttemperatur pulverisierte er die 1.58,679 Minuten eines Brabham BT62 endgültig. Innerhalb von 1.56,605 Minuten (191,82 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit) ließ Gounon keinen Zweifel aufkommen, wer der neue "King of the Mountain" ist. Zum Vergleich: Die diesjährige Pole-Zeit lag bei 2.01,981 Minuten und wurde von einem BMW M4 GT3 herausgefahren.

Die allerschnellste Runde der bisherigen Historie ist hingegen weit entfernt. Jenson Button brauchte 2011 in einem McLaren MP4-23 1.48,88 Minuten. Zwar war auch da schon ein Mercedes-Aggregat verbaut, doch vielleicht hat man in Stuttgart nun Lust bekommen, mit einem Werksrenner nachzulegen. Bis zum nächsten Jahr darf man sich aber erstmal auf die weiteren Abenteuer des 130-Jahre-Rekordlers freuen.

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Erscheinungsdatum 08.05.2024

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