Rennanalyse 24h Nürburgring 2019
Warum nicht der Schnellste siegte

Dieses Jahr ging es beim 24h-Rennen Nürburgring ums nackte Überleben. Porsche und Mercedes verschenkten den Sieg, Audi griff dankbar zu. In unserer Rennanalyse klären wir die offenen Fragen zum Rennen.

Audi R8 LMS - Startnummer #4 - 24h Rennen Nürburgring - 23. Juni 2019
Foto: Stefan Baldauf / Guido ten Brink

Wie hat Audi das Rennen gewonnen?

Audi hatte mit dem Phoenix-R8 LMS von Frédéric Vervisch, Pierre Kaffer, Frank Stippler und Dries Vanthoor die besten Karten, obwohl man nicht mal den schnellsten R8 stellte. Während man in der Nacht noch über vier Minuten Rückstand auf die Spitze hatte und maximal mit einem Podium liebäugelte, weil man die Pace von Porsche und Mercedes nicht über die gesamte Distanz mitgehen konnte, überschlugen sich die Dinge am Sonntagvormittag.

Unsere Highlights

Im Grunde genommen war man einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Am Sonntag gegen 10 Uhr sah es noch nach einem Porsche-Doppelsieg des Manthey-Porsche #911 und des Frikadelli-Porsche #31 aus, nachdem der HTP-Mercedes #48 aufgrund eines Folgeschadens einer Kollision sich verabschiedete. Kurz darauf erwischte es den Frikadelli-Porsche mit einem Reifenschaden und nur wenige Minuten später wurde eine Strafe wegen eines Gelb-Vergehens gegen den Manthey-Porsche ausgesprochen.

Aus der Porsche-Doppelführung wurde eine theoretische Audi-Doppelführung (der Porsche trat seine Strafe von 5.32 Minuten erst später an) mit dem Land-Audi an der Spitze. Doch auf dem Führenden schien in diesem Rennen ein Fluch zu lasten. Denn den Land-Audi erwischte 2,5 Stunden vor Schluss ebenfalls ein Reifenschaden. Der Phoenix-Audi rückte auf und konnte den Platz an der Sonne halten, obwohl der Manthey-Elfer nach der absolvierten Zeitstrafe noch bis auf auf 46 Sekunden auf den Fersen war. Am Ende hat sich das Rennen den Sieger sozusagen ausgesucht und der Phoenix-Audi von einigen glücklichen Umständen profitiert.

„Wir hatten keinen Unfall, keinen Reifenschaden und es war auch Glück dabei”, sagte Phoenix-Teammanager Dirk Theimann. “Aus eigener Kraft hätten wir das Rennen nicht gewinnen können. Das Podium war das Ziel.” Auch Frédéric Vervisch sah diese Faktoren als entscheidend und ergänzte: „Das Wichtigste: Wir hatten keine Fahrfehler, keinen Reifenschaden und kein mechanisches Problem.”

Audi R8 LMS - Startnummer #4 - 24h Rennen Nürburgring - Nürburgring-Nordschleife - 23. Juni 2019
Stefan Baldauf / Guido ten Brink
Der Phoenix-Audi hielt sich aus allem Trubel raus.

Warum schieden in kurzer Zeit so viele Top-Favoriten aus?

Das Massaker, das sich am Sonntagmorgen abspielte, machte vor fast keinem Hersteller Halt. Dabei war in Sachen Reifenschäden auch eine Kettenreaktion im Spiel. Mit jedem Unfall, der sich auf der Strecke ereignete, lagen mehr Trümmerteile auf der Bahn und damit stieg das Risiko, eines der Teile aufzusammeln. Besonders für die GT3-Fahrzeuge, die um die kleinen Autos zu überholen, neben der Ideallinie durch den Dreck fahren mussten.

Das Reifen-Schicksal erwischte den Konrad-Lambo gegen Mittag, er schleppte sich mit beschädigter Karosserie um die Strecke. Kurz darauf traf es den Frikadelli-Porsche (#31) hinten rechts, der sich in Folge dessen das Sperrdifferenzial beschädigte und schließlich komplett aufgeben musste. Eine Stunde später erwischte es auch den Land-Audi (#29) hinten rechts, dessen komplette rechte Seite aufgrund des zerfetzten Reifens zerstört wurde.

Mercedes eliminierte sich teilweise selbst. Nachdem die #2 von Black Falcon schon am Samstagabend nach einem Treffer durch ein anderes Fahrzeug aufgeben musste, ereilte die #48 von HTP ein ähnliches Schicksal am Samstagmorgen. Gegen 9.10 Uhr bekam Raffaele Marciello einen Schlag auf das linke Vorderrad von einem Porsche Cayman beim Einlenken in die Dunlop-Kehre. In der Folge stand das Lenkrad schief und Maxi Götz merkte im Bereich Hohe Acht rund eine Stunde später nur noch wie es “Knack” machte und geradeaus ging.

Der ebenfalls aussichtsreich gelegene Mercedes von Black Falcon mit der Startnummer 6 brockte sich mit einem Zickzack-Manöver auf der Döttinger Höhe gegen René Rast im Land-Audi ebenfalls einen Reifenschaden ein, da Rast nicht mehr ausweichen konnte und auffuhr. Das endgültige Ende verursachte Teamkollege Nico Bastian auf Platz vier liegend als bester Mercedes 2,5 Stunden vor Schluss mit einem Abflug in Eschbach.

Wie hat Porsche den Sieg verschenkt?

Eigentlich hätte Porsche das Rennen gewinnen müssen. Der Manthey-Porsche #911 gab nach 105 Runden und 16,5 Stunden in Führung liegend in Runde 141 den Platz an der Sonne etwas mehr als zwei Stunden vor Schluss an den Phoenix-Audi ab. Zuvor konnte nur der Black Falcon-Mercedes #2 dem Quartett Kevin Estré, Laurens Vanthoor, Earl Bamber und Michael Christensen wirklich Paroli bieten. Die verabschiedeten sich aber schon gegen 23 Uhr, weil das Lenkgetriebe in Folge einer Berührung mit einem Toyota Supra Schaden nahm.

Am Ende kostete die Zeitstrafe von 5.32 Minuten den Sieg. Die wurde verhängt, weil Laurens Vanthoor in einer Doppel-Gelb-Phase statt mit 120 mit 172 km/h unterwegs war und ein langsam fahrendes Auto überholt hat. Das Strafmaß ist in einem Katalog je nach Höhe des Geschwindigkeitsvergehens geregelt. Untersucht wurde der Fall ab 9.51 Uhr, die Strafe wurde um 12.29 ausgesprochen.

Warum es so lange dauerte? Weil die Situation nicht ganz einfach zu beurteilen war. Laut GPS-Daten und Protokoll der Streckensicherung war an der betreffenden Stelle Eschbach Doppelt-Gelb, es gab allerdings kein Onboard-Video im Manthey-Porsche. In einem Video aus der Helikopterperspektive sind auf den ersten Blick keine gelben Flaggen zu sehen.

„Ich habe mit einem langsameren Auto gekämpft und es einfach übersehen. Es war keine Absicht, ich respektiere natürlich die Flaggen. Es soll auch keine Ausrede sein. Ich habe einfach einen Fehler gemacht”, sagte Vanthoor.

Porsche 911 GT3 R - Startnummer #911 - 24h Rennen Nürburgring - Nürburgring-Nordschleife - 23. Juni 2019
Stefan Baldauf / Guido ten Brink
Der Manthey-Porsche wurde bestraft, weil eine Doppelt-Gelb-Phase nicht beachtet wurde.

Warum war BMW chancenlos?

Für BMW war dieses 24h-Rennen ein Debakel. Los ging es mit den durchwachsenen Startplätzen im Top-Qualifying. Während die Bayern nach dem 6h-Qualirennen von der Konkurrenz als haushoher Favorit tituliert wurden, schien die letzte BoP-Änderung vor dem Rennen den weiß-blauen mehr weh zu tun als vermutet. Walkenhorst stellte den BMW M6 GT3 auf Platz 13, Schnitzer landete auf Platz 16 und Rowe nur auf 20 und 21. Der Falken-BMW schaffte es erst gar nicht, sich für das Top-Qualifying zu qualifizieren.

Damit hatte man eine denkbar schlechte Ausgangsposition, denn wer keine freie Fahrt zu Beginn des Rennens hat, kann den Rückstand, der sich durch das Slalomfahren durch den Verkehr im Pulk ergibt, nur schwierig aufholen. Deshalb bog sowohl der mit Yokohama bereifte BMW schon nach 5 Runden an die Box ab, als auch der #98 Rowe-BMW. Die antizyklische Strategie hätte helfen können, doch es dauerte nicht lange, ehe sich das Strategie-Thema erledigt hatte.

Der Rowe-BMW #98 schied nach 7 Runden aus, weil in Folge eines Unfalls von Jesse Krohn kurz nach der Boxenausfahrt der vordere Radträger beschädigt wurde. Es folgte das Walkenhorst-Auto in Runde 12. David Pittard verlor das Auto, weil er auf der eigenen Kühlflüssigkeit ausrutschte. Offenbar hatte sich eine Schelle gelöst. Kurz darauf erwischte es das zweite Rowe-Auto. Mikkel Jensen war einem anderen Auto aufgefahren und dabei der Kühler so stark beschädigt, dass man aufgeben musste. Nach 3,5 Stunden verblieb nur noch der Schnitzer-BMW als Top-Auto. Doch schon eine Stunde später war es auch um den geschehen. Timo Scheider kam im Brünnchen mit einem anderen Auto aneinander und musste aus einem Haufen Schrott aussteigen.

Ausgerechnet der Falken-BMW rettete die Ehre noch mit Platz 6. Im Vergleich mit den anderen Herstellern war BMW sicher in Sachen Balance of Performance am wenigsten gesegnet, weil diese im Vergleich zum 6h-Qualirennen noch einen Joker in der Hinterhand hatten. Da half selbst die Anpassung vor dem Rennen nicht mehr, denn das Kind war auch schon durch das durchwachsene Top-Qualifying in den Brunnen gefallen. Für eine finale Beurteilung hätte man allerdings mehr Kilometer von den BMW sehen müssen.