Vorschau 24h-Rennen Nürburgring
Wer bezwingt die Hölle?

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24h-Rennen

Porsche, Audi, Mercedes und BMW gehören beim 24h-Rennen Nürburgring (22./23. Juni) zum Favoritenkreis. Doch wer davon wie gut aufgestellt ins Rennen geht, ist schwierig zu sagen.

Porsche 911 GT3 R - Startnummer #912 - 24h-Rennen Nürburgring 2018 - Nordschleife - Sonntag 13.5.2018
Foto: Porsche

Es scheint verhext zu sein. Jedes Jahr gleicht die Prognose für das 24h-Rennen einem Blick in die Glaskugel. In diesem Jahr waren die speziellen Wetterbedingungen und die Leistungskürzung von fünf Prozent für die Top-Autos Faktoren, die Verwirrung brachten. Wenn man Herstellervertreter nach ihrer persönlichen Einschätzung fragt, wer beim großen Wagenrennen besonders gut dastehen könnte, erntet man in diesem Jahr oft ein Schulterzucken.

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Oft wurde mehrheitlich mit dem Finger auf ein oder zwei Marken gezeigt, heuer haben die wenigsten ein klares Bild. So mancher fragt sich sogar, wo man selbst überhaupt steht. Zunächst wirbelte die FIA gemeinsam mit dem DMSB alles durcheinander, indem man dem Technikausschuss nahelegte, die Leistung der Top-Autos um fünf Prozent aus Sicherheitsgründen zu reduzieren.

Im zweiten Schritt sorgte Petrus für allgemeine Belustigung: Der VLN-Saisonauftakt war wegen Nebel verkürzt, das zweite Rennen wurde wegen Schneefalls nach nur einer Runde gestoppt, im dritten Lauf regnete es. Lediglich das Qualirennen bot halbwegs vernünftige Bedingungen, sich auf den Langstreckenklassiker in der Grünen Hölle vorzubereiten. Aber da fehlten einige Mannschaften, weil gleichzeitig das ADAC GT Masters in Most stattfand. Dadurch vermisste man auch die ein oder andere Top-Besetzung, was das Bild für die Erstellung der Balance of Performance nicht unbedingt klarer machte.

VLN 3 - Nürburgring-Nordschleife - 27. April 2019
Stefan Baldauf / Guido ten Brink
Die VLN-Rennen warteten mit einigen Wetterkrapriolen auf.

Yokohama überrascht

Zumindest in einem Punkt hatte man das Gefühl, es werde einfacher, die einzelnen Hersteller hinsichtlich ihrer Leistung besser bewerten zu können: bei den Reifen. Hier hat Michelin das Monopol wieder, das die Franzosen vor der Einführung der neuen Reifen-Regeln (jeder Hersteller kann Reifen des anderen kaufen) schon hatten. Bei Porsche, Audi und Mercedes rollen alle werksunterstützten Autos auf den Michelin-Gummis – mit Ausnahme von Falken. Bei BMW haben die beiden Rowe-Autos und der Schnitzer-M6 ebenfalls Michelin aufgezogen. Lediglich Walkenhorst Motorsport brachte beim 24h-Qualirennen so richtig Salz in die Suppe. Seit jeher schwört man auf Yokohama-Pneus. Bisher waren die auch auf eine Runde extrem schnell, hinsichtlich der Betrachtung eines gesamten Stints nahm man die Yokohama-Reifen allerdings nie so richtig ernst. Sie brachen meist ein. Das hat sich nun geändert.

Walkenhorst fuhr im Qualirennen den Sieg ein und demonstrierte mit den Rundenzeiten, dass Michelin sich warm anziehen muss. Vor allem in Sachen Traktion und Grip in langsameren Kurven war der Yokohama-Pneu überlegen. „Wir haben über den Winter vor allem in Hinblick auf den Longrun viel entwickelt“, sagt Walkenhorst-Stammfahrer Christian Krognes. „Durch den vielen Regen bei den Vorbereitungsrennen, wussten wir aber nicht so genau, wo wir stehen.“

BMW M6 GT3 - Startnummer #34 - Walkenhorst Motorsport - SP9 Pro - VLN 2019 - Langstreckenmeisterschaft - Nürburgring - Nordschleife
Stefan Baldauf / Guido ten Brink
Der Walkenhorst-BMW M6 GT3 überraschte beim Quali-Rennen mit den Yokohama-Reifen.

Top-Qualifying nicht mehr auf 30 Autos begrenzt

Die Frage, die sich nun viele stellen: War das eine Eintagsfliege? Passte der Yokohama-Pneu womöglich einfach genau in dieses Temperaturfenster – und ist man beim 24h-Rennen bei anderen Bedingungen mit anderen Mischungen nicht mehr so überlegen? Vor allem für den Technikausschuss um Norbert Kreyer eine schwierige Frage. „Wir müssen immer das schnellste Auto für unsere Beurteilung heranziehen“, erklärt er.

Michelin stellt den Teams die Reifenmischungen Soft, Medium und Hart zur Verfügung, einen „Full Wet“-Regenreifen sowie einen „Drying Wet“-Regenreifen. Der Slick unterscheidet sich vom Modell im Vorjahr: Die Temperaturfenster der einzelnen Mischungen sollen überlappender sein. Die neue Version wird aber nicht von allen Herstellern gefahren. Weil zu wenig Zeit blieb, sich mit dem neuen Slick-Reifen von Michelin vertraut zu machen, hat man sich bei Mercedes dazu entschieden, mit der Version aus dem Jahr 2018 zu fahren. Bei den Regenreifen gibt es nur die aktuelle Version.

Was das Reglement betrifft, haben sich im Vergleich zum Vorjahr zwei besondere Änderungen ergeben. Zum einen ist das Top-30-Qualifying nicht mehr auf 30 Fahrzeuge festgelegt, muss also nur noch Top-Qualifying heißen. 17 Autos haben bereits bei den VLN-Rennen und dem 24h-Qualirennen ihre Eintrittskarten gelöst, die weiteren Plätze werden im kombinierten Qualifying beim 24h-Rennen anhand der theoretischen Bestzeiten vergeben. Die Anzahl der zu vergebenen Startplätze ist begrenzt auf jeweils maximal 80 Prozent der PRO-Nennungen und 80 Prozent der PRO-AM-Nennungen. Prominente Namen, die noch kein vorzeitiges Ticket haben, sind zum Beispiel der Car Collection-Audi (Winkelhock/Rast/Haase/Fässler), der Falken-BMW mit Dusseldorp/Dumbreck/Imperatori und Klingmann, die beiden KCMG-Nissan oder der HTP-Mercedes (Hohenadel/Marciello/Götz/Arnold).

5-Runden-Pflicht am Start

Zweite Neuerung: Alle Fahrzeuge aus der SP9-Klasse, also GT3, dürfen in den ersten fünf Runden nicht tanken. Was steckt hinter dieser Idee? Man will vermeiden, dass Taktikspielchen betrieben werden. Heißt: Man könnte bewusst im Qualifying bluffen, um für das Rennen keine Veränderungen bei der BoP zu riskieren, und den schlechten Startplatz damit wettmachen, dass man sich mit einem frühen Stopp aus dem Verkehr herauszieht. Wobei man diesen Joker theoretisch auch im zweiten Stint ziehen könnte. Wer beispielsweise früh einen Reifenschaden hat, kann natürlich an die Box kommen, hat jedoch den Nachteil, nicht im selben Schritt tanken zu können.

Von den insgesamt rund 160 Startern sind aus der GT3-Clique 34 Vertreter dabei. Die Vorjahressieger von Manthey Racing treten in derselben Besetzung mit Richard Lietz, Frédéric Makowiecki, Nick Tandy und Patrick Pilet an. Das Schwesterauto teilen sich Earl Bamber, Michael Christensen, Laurens Vanthoor und Kévin Estre. Auch Frikadelli Racing hat mit Romain Dumas, Matthieu Jaminet, Sven Müller und Matt Campbell eine reine Werksfahrer-Besetzung am Start. Daneben zählt der Falken-Porsche zu den Favoriten. Die neue Generation des Porsche 911 GT3 R wird sich dabei in der Grünen Hölle beweisen müssen.

Audi mit kleinerem Aufgebot

Bei Mercedes setzt man auf vier werksunterstützte heiße Eisen im Feuer. Drei Mercedes AMG GT3 kommen von Black Falcon, ein Auto von HTP. Das ist mit der Kombi Christian Hohenadel, Raffaelle Marciello, Lance-David Arnold und Maxi Götz ebenso stark besetzt wie bei Black Falcon das Quartett Maro Engel, Adam Christodoulou, Manuel Metzger und Dirk Müller.

Bei Audi ist das Engagement deutlich geschrumpft. Waren im Vorjahr noch die beiden Mannschaften WRT und Mücke am Start, begrenzt sich der werksunterstützte Einsatz nun auf Car Collection, Land und Phoenix Racing mit jeweils einem Audi R8 LMS. Christopher Haase und René Rast haben sogar eine Doppelrolle und sind sowohl bei Car Collection als auch bei Land gemeldet. BMW hat die beiden Rowe-BMW M6 GT3 gemeldet (Catsburg/Wittmann/Krohn/Edwards und Eng/De Phillippi/Blomqvist/Jensen), von Schnitzer kommt lediglich ein Auto (Scheider/Tomczyk/Farfus/van der Linde), plus der Falken-BMW. Und dazu eben das schwarze Pferd, der Walkenhorst-M6 auf Yokohama-Reifen,der mit Nick Yelloly auch mit einem Fahrer aus dem BMW-Fahrerpool besetzt ist.

BoP vor dem 24h-Rennen

Vor dem Pfingstwochenende wurde die BoP für das 24h-Rennen veröffentlicht. Im Vergleich zum 24h-Qualirennen haben sich folgende Änderungen ergeben: Audi und Porsche dürfen 15 Kilogramm ausladen, BMW muss 5 Kilogramm einladen und verliert durch die Anpassung der Zündwinkel circa 15 PS, was zwei Sekunden entsprechen soll. Mercedes bekommt einen um 0,5 Millimeter größeren Air-Restriktor und die 2018er Version des Ferrari 488 GT3 muss mit 10 Millibar weniger Ladedruck auskommen. Die angepassten Zündwinkel bei Mercedes resultieren aus dem Wunsch, in dieser Saison ein anderes Kennfeld zu fahren, um nicht zu viel Motorleistung bei heißen Temperaturen zu opfern.