Bugatti Centodieci Supersportler mit 1.600 PS
Erster Kunde klont seinen EB110

Bugatti baut mit dem Centodieci eine moderne EB110-Interpretation mit 1.600 PS. Der erste Kunde treibt das Konzept auf die Spitze – und andere verkaufen ihren bereits wieder.

Bugatti Centodieci
Foto: Bugatti

Bugatti besinnt sich auf seine Tradition und legt mit dem Centodieci (übersetzt: "110") einen limitierten Supersportwagen auf, der eine Hommage an den legendären Bugatti EB110 aus den 1990er-Jahren darstellt. Wenngleich der EB110 damals im italienischen Campogalliano vom Band rollte, so wird der Centodieci am Stammsitz im französischen Molsheim gefertigt. Er kommt extremer und sportlicher als der Divo und eleganter als der La Voiture Noire daher.

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Innerhalb weniger Stunden nach seiner Präsentation war der acht Millionen Euro teure Supersportler (zzgl. Steuern) ausverkauft. Und das gezeigte Modell war bei seinem Debüt weit von einem fahrfertigen Auto entfernt. Erst nach der Vorstellung begannen die Ingenieure mit den Berechnungen für Karosserie, Aerodynamik sowie Motor und Getriebe. Auch das Styling musste finalisiert werden, in einem nächsten Schritt baute Bugatti dann das Exterieur auf. Nach weit über einem Jahr hatte das Team zunächst einen ersten Prototyp des "few-off-Projektes" aufgebaut. Mit dem "Rolling Chassis" überprüften die Entwickler alle Funktionen des Antriebsstrangs.

1.600 Auto-PS vs. 9.300 Windkanal-PS

Bei aerodynamischen Tests ging es für den Centodieci in den Windkanal. Dort musste sich der Superportler für den letzten Karosserie-Feinschliff der 9.300 PS starken Windmaschine stellen. Der acht Meter große Propeller erzeugt einen so starken Windzug, dass selbst Flugzeuge abheben würden. Um durch den externen Antrieb der Räder keine Kräfte in das Fahrzeug einzuleiten, wurden extra für die Messung die Antriebswellen demontiert. Das Fahrzeug wurde dann nur noch von vier kleinen Pins im Unterboden fixiert und die Standhöhe gemäß Versuchsplanung variiert.

Bugatti Centodieci
Bugatti
Der Bugatti Centodieci im Windkanal.

Bei 140 km/h ermittelten die Bugatti-Ingenieure zunächst mit einem Standard-Set-up einen Vergleichswert zu anderen Bugatti-Modellen. Dann fuhren sie verschiedene Versuche bis zur maximalen Geschwindigkeit des Prüfstandes. Entscheidend für den Thermohaushalt des W16-Motors ist auch die seitliche Luftanströmung, weil dadurch Motor- und Getriebeölkühler mit Luft versorgt werden. Anhand von speziellen Nebelbildern überprüften die Ingenieure im Windkanal außerdem die Bremsenkühlung für die leistungsstarke Anlage. Bei weiteren Versuchen traf der Wind in verschiedenen Winkeln seitlich auf die Karosserie, um auch das Fahrverhalten bei schnell gefahrenen Kurven mit Lastwechsel zu simulieren. Den letzten Fahrdynamik-Feinschliff erhielt der Centodieci selbstverständlich auf der Nordschleife des Nürburgrings.

Erstexemplar im ikonischen EB110-Blau

Nun hat Bugatti das erste von nur zehn Exemplaren an seinen Besitzer ausgehändigt. Und der hat die Sache mit der EB110-Neuinterpretation besonders ernst genommen. Sein Centodieci trägt exakt denselben Farbton seines Bugatti EB110 GT, der entsprechend "EB110 Blue" heißt. Die Lackierung gilt als Synonym für den Vorfahren, der bei seiner Präsentation exakt diese Farbe trug. Das Neunziger-Jahre-Supercar wurde einst in Italien sogar in einem teilweise blau gestrichenen Werk gefertigt ("Fabbrica Blu"; siehe Fotoshow am Ende des Artikels). Auch der silberne Farbton der Räder stimmt zwischen Urahn und Neuauflage überein.

Zwei andere der zehn Centodieci-Käufer – einer aus dem französischen Bons-en-Chablais, ein anderer aus Bologna in Italien – haben sich dagegen entschlossen, die Produktionsslots für ihre Modelle zu verkaufen. Natürlich gewinnbringend: Das aus Frankreich angebotene Modell wurde für 10,5 Millionen Euro angeboten. Das italienische Pendant, das derzeit auf der Luxus-Artikel-Verkaufs-Website "James Edition" auf Interessenten wartet, soll sogar 12,5 Millionen Euro kosten. Dafür konnten und können die Bugattis noch komplett nach den eigenen Wünschen individualisiert werden. Falls Sie also interessiert sind, können Sie sich ja hier melden.

Das Design

Chef-Designer Achim Anscheid stand bei dem Projekt vor der Herausforderung, das Design des sehr flachen und keilförmigen EB110 in die Neuzeit zu transferieren, ohne sich vom historischen Vorbild zu sehr einvernehmen zu lassen. Dazu musste der Designer auch noch die modifizierte Technik des Chiron – insbesondere die aerothermischen Anforderungen – in eine stimmige Optik fassen.

Bugatti Centodieci leaked
leaked
Links Bugatti EB110, rechts Bugatti Chiron

So entstand ein Modell, das über einen flachen und natürlich hufeisenförmigen Kühler verfügt. Der Frontspoiler ist pfeilförmig ausgeprägt, dessen unterer Splitter nahezu zu schweben scheint. Auffällig ist das deutlich kleinere Hufeisen, dass den EB110 zitiert. Auf der Fronthaube prangt der Markenschriftzug, der von extrem schlitzförmigen und am Ende nach hinten ragenden LED-Scheinwerfern flankiert wird. Gänzlich aufgelöst haben die Designer das typische C-Element an der B-Säule, das alle modernen Bugattis tragen. Stattdessen ist die Form an dieser Stelle kantiger – fünf runde Einsätze in einer Raute saugen die Frischluft für den 16-Zylinder-Motor an.

Antrieb und Aerodynamik

Am Heck verlässt das Design dann die Hommage an den EB110, auch um den Abluftstrom des Motors optimal zu halten. Dieser darf sich zwar wie beim Vorbild hinter einer transparenten Abdeckung präsentieren, die heiße Luft atmet er jedoch über zahlreiche Öffnung aus. Ein einziges großes Lüftungsloch kaschieren die Designer mit acht doppelreihigen LED-Heckleuchten. Darunter kommt ein Diffusor für den Abtrieb zum Einsatz sowie zwei übereinander angeordnete schwarz matt eloxierte Auspuffendrohre.

Als Reminiszenz an den Urvater ist der riesige Heckspoiler fest montiert, dessen Anstellwinkel aber einstellbar bleibt. Ganz im Gegenteil zum V12-Motor des EB110 verbaut Bugatti im Centodieci den bekannten 8,0 Liter großen W16-Motor. Er leistet nunmehr 1.600 PS bei 7.000/min. Das Leistungsgewicht liegt bei 1,13 Kilo pro PS.

Leistungsdaten

Für den Spurt auf 100 km/h nimmt sich der Supersportler 2,4 Sekunden Zeit, 200 km/h sind nach 6,1 Sekunden erreicht und die 300-km/h-Marke fällt nach 13,21 Sekunden. Die Höchstgeschwindigkeit gibt Bugatti mit 380 km/h an, wobei hier ein elektronischer Riegel den Vortrieb begrenzt. Im Vergleich zum Chiron wiegt der Centodieci 20 Kilo weniger, dank leichterer Scheibenwischer und Karbon-Stabilisatoren.

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Bugatti Centodieci
Das Pebble-Beach-Sondermodell 2019

Historie

1991 schuf Roman Artioli mit dem Bugatti EB110 eine Supersportwagen der Superlative – ohne einen Vorgänger. Entsprechend frei waren Technik und Optik. Befeuert von einem 3,5-Liter-V12 und mit vier Turboladern bestückt, reichte der die Wucht von 560 bis 811 PS permanent auf alle vier Räder. In 3,3 Sekunden ging es auf Tempo 100, Top-Speed ist auch für heutige Verhältnisse mit 351 km/h ein Spitzenwert. Bis 1995 entsteht der Supersportwagen in Handarbeit im italienischen Campogalliano. Lediglich 128 Modelle wurden aufgebaut und blieben bei einem Preis von mindestens 450 Millionen Lira beziehungsweise 550 Millionen Lira für den EB110 GT oder den EB110 SS einem sehr exklusiven Kundenkreis vorbehalten.

Fazit

Und wir dachten, nach dem La Voiture Noire ist das Ende der Preis-Fahnenstange erreicht. Weit gefehlt. Indem sie acht Millionen Euro zuzüglich Steuern an Bugatti überweisen, haben zehn Kundinnen und Kunden die Möglichkeit, sich ein automobiles Denkmal in die Garage zu stellen. Inwieweit die Marke Bugatti mit dem inzwischen recht durchgenudelten W16-Motor und 1.600 PS noch Kunden auch auf lange Sicht locken kann, sei jedoch dahingestellt. Auch scheint das Thema Leichtbau mittlerweile an seine Grenzen zu stoßen. Was bleibt? Design, das können und konnten sie bei Bugatti – und Tradition. Da gibt es sicher noch einige Modelle in der Firmengeschichte, die man modern interpretieren kann – aber wann kommt denn nun der erste elektrische Bugatti?

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AUTO MOTOR UND SPORT 10 / 2024
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Erscheinungsdatum 25.04.2024

148 Seiten