Ford Focus ST mit Launchcontrol
Handschalter fixer als Automatik - noch

Eigentlich hatten wir uns daran gewöhnt, dass es andersherum ist – doch im Fall des neuen Focus ST ist man mit manueller Box schneller auf 100 als mit der Siebengang-Automatik.

Ford Focus ST 2019
Foto: Charlie Magee

Da sind wir doch wirklich ein bisschen stutzig geworden, als wir die technischen Daten des neuen Ford Focus ST durchgegangen sind. Da steht tatsächlich schwarz auf weiß, dass Handschalter und Automatik drei Zehntel beim Sprint von null auf hundert auseinander liegen. Allerdings zu ungunsten der Siebengang-Automatik – sowohl beim Fließheck ( 5,7 Sekunden zu 6,0 Sekunden) als auch bei der Kombi-Variante (5,8 Sekunden zu 6,1 Sekunden). Hat sich der Hersteller hier etwa mit seinen Angaben vertan? Ein Zahlendreher?

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Ist das wirklich wahr? Man darf sich über Fahrspaß dank Handschalter freuen und ist auch noch schneller unterwegs als mit einem Automatikgetriebe?

Die einzig relevante Option

Eine Antwort auf diese Frage finden wir im Konfigurator. Dort lässt sich der Focus ST wahlweise als Benziner mit 2,3-Liter-Benziner mit 280 PS auswählen oder als Diesel mit 190 Pferden. Uns geht es aber um das Ecoboost-Aggregat. Eigentlich sorgt die Kombination mit einer Automatik für die flinkeren Werte. Schlicht und ergreifend deshalb, weil die menschliche Hirn-Hand-Fuß-Kombination gar nicht in der Lage ist, einen Gangwechsel schneller auszuführen als die Maschine. Doch hier spielt die Abgasgesetzgebung der Automatik nicht in die Karten, kostet Drehmoment und steigert den Verbrauch.

Obwohl bei der Applikation der Wandlerautomatik im Focus ST durchaus auf Sportlichkeit geachtet wird. Eigentlich handelt es sich hier nämlich um das vom Ford Konzern global genutzte Achtgang-Wandler-Getriebe, dessen Kennfelder optimiert und Schaltzeiten verkürzt wurden. Aber die Siebengang-Automatik ist im Focus ST eine Achtgang-Automatik. Auf Nachfrage teilt uns Ford mit: "Wir verzichten auf die Anwahl des zweiten Gangs. Wegen der Getriebeabstufung und dem hohen Leistungsgewicht brächte diese Fahrstufe keinen Vorteil mit sich." Im Sperren von Gängen hat der Hersteller Erfahrung. Beim Mustang nennt sich das Prinzip "Skip Shift" und überspringt per Magnetsperre je nach Kraftbedarf und Drehzahl einzelne Fahrstufen.

Aber des Rätsels Lösung liegt aktuell im Einbuchen der für den ST einzig relevanten Option: Dem Performance-Paket für 1.200 Euro. Angeboten wird es für beide Motor-Getriebe-Konfigurationen, doch der Leistungsumfang ist im Zusammenspiel mit der Automatik reduziert. Die Launchcontrol umfasst das Paket nur in Verbindung mit der manuellen Sechsgang-Schaltung. Dieses Performance-Extra pendelt im aktivierten Zustand den Antrieb so ein, dass beim Anfahren die für eine Beschleunigung optimale Raddrehzahl anliegt. Dafür steht der Fahrer gleichzeitig auf Gas und Bremse, das System fixiert die Drehzahl im Optimalbereich und schließlich muss nur noch der linke Fuß gehoben werden und ab geht die Post. Mit der Automatik lässt sich das in der Praxis zwar ähnlich umsetzen, explizit auswählen kann man die Funktion allerdings nicht.

Ford Focus ST, Exterieur
Achim Hartmann
5,7 Sekunden benötigt der manuell geschaltete Focus ST dank Launchcontrol aus dem Stand bis auf Tempo 100. Mit Automatik dauert es drei Zehntel länger.

Immer unter Druck

Was ebenfalls nur dem Handschalter vergönnt ist, ist die Zwischengas-Funktion, und für die Beschleunigung noch entscheidender: Die Anti-Lag-Funktion. Diese Technik übernimmt der Focus vom WRC-Fiesta und dem Ford GT. Sie sorgt dafür, dass beim Gangwechsel während des Hochschaltens die Schaufeln des Turboladers weiter angetrieben werden, um das Druckniveau hoch zu halten. Das würde ansonsten bis zum erneuten Kraftschluss abfallen, so aber kommen Sie bereits mit ausreichend Druck auf der nächst höheren Fahrstufe an. Und genau hier schlummern in Summe die drei Zehntel Differenz im Sprint. Allerdings, so äußert sich Ford, sei man zum Zeitpunkt der ersten öffentlichen Kommunikation noch nicht auf dem Serienstand der Motorkalibrierung gewesen. Es könnten also auch mit der Automatik Sprintwerte auf Handschalter-Niveau erreicht werden, vermutet man beim Hersteller.

Spricht dann eigentlich überhaupt etwas für die 2.000 Euro teure Automatik? Ja, der Komfortgewinn, wenn man die Schaltarbeit für lästig erachtet. Einen reduzierten Spritverbrauch kann die Siebengang-Automatik aber nicht vorweisen. Im WLTP-Zyklus verbraucht der Handschalter auf 100 Kilometern im Schnitt mit 7,9 Litern immerhin 0,3 Liter weniger. Gut, mit der Automatik ist der Kompakte Kölner auch etwas schwerer, und das Auslassen des zweiten Ganges sorgt bei der Beschleunigung für höhere Drehzahlen, was wie üblich mit einem erhöhten Verbrauch bezahlt wird. Dass der Focus ST gerade als Handschalter auch abseits eines Sprints für mächtig gute Laune sorgt, können Sie sich in unserem Fahrberichts-Video anschauen.

Fazit

Drei Zehntel im Sprint sind sicher kein alltagsrelevanter Wert für ein ansonsten sehr fahrspaßiges Fahrzeug wie den Focus ST. Aber wenn man sich schon für einen sportlichen Kompakten entscheidet, dann ist es durchaus gut zu wissen, dass man sich die Freuden einer manuellen Schaltung nicht mit Einbußen bei den Sprintwerten erkauft.