Chef der BMW M-GmbH im Interview
Kommt ein eigener M-Sportwagen?

Der neue Geschäftsführer der M GmbH, Markus Flasch, über ein eigenständiges Modell der Submarke, die Herausforderungen der Elektrifizierung und den Spaß am Auto.

M GmbH Geschäftsführer Markus Flasch im Interview
Foto: Bernhard Limberger
Die ersten Wochen als Chef der M GmbH liegen hinter Ihnen. Welche Erfahrungen, im positiven wie im negativen Sinn, haben Sie gemacht?

Das klingt jetzt vielleicht etwas pathetisch, aber BMW war schon immer mein Wunsch-Arbeitgeber. Zuletzt durfte ich den neuen 8er verantworten, und das war schon ein Traumjob. Die jetzige Position setzt dem Ganzen die Krone auf. Es macht riesigen Spaß, ist aber auch eine große Verantwortung. Schließlich verkörpern unsere M Modelle den Kern von „Freude am Fahren“. Natürlich sind wir aber nicht nur die Spaßfraktion. Auch bei uns geht es um Leistung, um Wettbewerb und selbstverständlich auch ums Geld verdienen.

Unsere Highlights
Müssen Sie das Ihren Mitarbeiten täglich bewusst machen?

Nein. Das schöne ist, dass unsere Mitarbeiter intrinsisch motiviert sind und Wettbewerb als etwas Gesundes ansehen, nicht als Bürde. Die Racer-Mentalität ist hier ganz stark ausgeprägt. Viele der Kollegen sind auch privat mit ihren Fahrzeugen auf Rennstrecken unterwegs oder auf andere Art sportlich, bringen also eine entsprechende Grundeinstellung zusammen mit der Leidenschaft für die Marke mit. Das macht es vergleichsweise einfach, zu führen.

M GmbH Geschäftsführer Markus Flasch im Interview
Bernhard Limberger
Neben den SUV X3, X4, X5 und X6 in der M-Variante debütieren in diesem Jahr noch die drei Karosseriederivate des M8. Markus Flasch und Redakteur Jens Dralle plauderten bei einer Ausfahrt durchs Voralpenland im noch getarnten Gran Coupé.
Vorgänger von Ihnen haben sich hinter vorgehaltener Hand schon mal darüber beklagt, dass viel Arbeit in die Basismodelle gesteckt werden muss. Bessert sich das mit der aktuellen Fahrzeuggeneration?

Wir haben mit den aktuellen BMW Modellen eine hervorragende Basis für unsere M Modelle. Warum entscheidet man sich für einen BMW? Neben dem Design ist es vor allem das Fahrerlebnis. Das war schon immer so, und ist auch heute nach wie vor extrem wichtig. Der neue 3er ist dafür ein gutes Beispiel. Hier ist es den Kollegen gelungen, ein Fahrgefühl zu schaffen, das andere eben nicht hinbekommen.

Der 3er ist tatsächlich ein gutes Beispiel. Ich war beeindruckt, was der M340i auf der Rennstrecke kann, obwohl der ja gar kein M-Modell ist…

Auch der BMW M340i ist ein M Modell. Bei den M Performance-Modellen geben wir, die M GmbH, die Entwicklungsziele vor, von den Produktanforderungen über das Design bis zum Gesamtcharakter. Umgesetzt wird das dann gemeinsam mit den Kollegen der BMW AG.

Wollen Sie die M Performance-Modelle nicht doch stärker in die M GmbH integrieren?

Wir sind sehr erfolgreich mit unseren M Performance Modellen. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass wir künftig beispielsweise beim Design noch stärker von den BMW AG Modellen und unseren M Sportpaketen differenzieren.

M GmbH Geschäftsführer Markus Flasch im Interview
BMW
In der Individualisierung sieht Flasch mehr Potenzial. Hier: Konsole des BMW 8er Night Sky.
Ihr Vorgänger war rund vier Jahre im Amt. Das ist ja durchaus üblich bei BMW. Reicht so eine Zeitspanne, um den Charakter der M-Modelle zu prägen und wann sehen wir ihre Handschrift in den Produkten?

Auch wenn andere Kollegen Projekte angestoßen haben, gibt es viele Möglichkeiten bei der Ausgestaltung und Umsetzung. Nehmen Sie beispielsweise die nächste Generation M3 / M4. Hier ist noch genügend Zeit bis zum Produktionsstart, um mitzugestalten. Und es wird sicher auch das eine oder andere Sondermodell geben, das klar meine Handschrift trägt. Darüber hinaus steht der M GmbH dieselbe Transformation ins Haus, mit der sich die gesamte Branche auseinandersetzen muss.

Sie sprechen die Elektrifizierung an.

Ja. Wir haben vollen Zugang zur Konzern-Technologie, können in alle Regale greifen, uns aber auch außerhalb bedienen. Dieses Paket zu schnüren und den Zeitpunkt festzulegen, wann es das M-Logo verdient, das wird die Herausforderung meiner Amtszeit.

Hätte die Elektrifizierung nicht schon stattfinden müssen?

Wenn es nur darum ginge, die ersten zu sein, dann schon. Doch darum geht es nicht. Wir bei der M müssen nicht dogmatisch als Erste eine neue Technologie einsetzen. Aber ich muss sehr wohl die Anforderungen unserer Kunden an unsere Produkte, also vor allem hinsichtlich Präzision und auch Rennstreckentauglichkeit, erfüllen. Hier müssen sich bestimmte Technologien erst noch bewähren.

Ja was fehlt denn da noch?

Nehmen wir das Leistungsgewicht: Mit einem 2,5 Tonnen schweren Auto über die Nordschleife zu fahren, macht meiner Meinung nach nicht so viel Spaß. Zudem muss am Degradationsverhalten gearbeitet werden. Wir haben hohe Anforderungen an thermische Stabilität, damit man auch über einen längeren Zeitraum anspruchsvoll fahren kann.

Dann sehen wir ja in den nächsten fünf Jahren sicher keinen elektrifizierten M.

Das würde ich so nicht unterschreiben. Wir arbeiten derzeit an verschiedenen Formen der Elektrifizierung, beispielsweise an M spezifischen Hybrid-Lösungen. Mein grundsätzlicher Anspruch ist aber klar: ein elektrifiziertes Modell wird erst dann die Nachfolge eines konventionellen Modells antreten, wenn es auch ein entsprechendes Plus an Leistung und Fahrdynamik bietet.

Demnach muss das Ziel lauten, trotz E-Technik das Gewicht des Modells mit reinem Verbrenner zu erreichen, oder?

Nicht zwangsläufig. Wie gesagt, ausschlaggebend ist die Gesamtperformance des Modells. Hier muss ein Nachfolger den Vorgänger übertreffen, auch wenn das neue Modell gegebenenfalls etwas mehr wiegen sollte.

Wie ist denn der Austausch mit den Kollegen von BMW i?

Sehr gut. Ich sag’s mal so: Wir treffen uns eher dreimal pro Woche als einmal im Monat. Aber auch mit den Kollegen vom Motorsport stehen wir in engem Austausch, die sich im Rahmen der Formel E tiefgreifend mit diesen Themen auseinandersetzen.

Sie gehen also als jüngster M-Chef in die Geschichte ein, als der, der die Marke elektrifiziert und zudem noch als derjenige, der den Vierzylinder-Motor wieder zurückbringt, stimmt’s?

Gegen einen Vierzylindermotor ist per se nichts einzuwenden. Die DTM fährt jetzt auch mit Vierzylinder und auch in unserer Historie hatten wir im ersten M3 einen Vierzylinder. Heute bieten wir im neuen X2 M35i einen aufgeladenen Vierzylinder an, der hervorragend zu diesem Auto passt. Für M High Performance Modelle wie einen M2 oder M3 ist ein Vierzylinder aber aktuell nicht in Planung.

Aber der nächste 1er mit Vorderradantrieb naht ja schon…

…den wird es aber auch mit Allradantrieb geben.

Sicher, aber dann wohl kaum mit quer eingebautem Reihensechszylindermotor, oder?

Spekulationen dieser Art würde ich jetzt nicht nähren wollen.

Gut. Dann müssen wir eben doch wieder über das Gewicht reden. So viel Spaß der aktuelle M2 auch macht, ist er doch vergleichsweise schwer. Kommen da beim Modellwechsel vielleicht ein paar Kilogramm raus?

Das ist durchaus vorstellbar. Zum aktuellen M2 Competition möchte aber noch anmerken, dass der Antrieb ja Prinzip dem des M4 entspricht. Und dafür braucht es auch eine Karosserie, die das verkraftet. Daher rührt die geringe Gewichtsdifferenz zwischen den beiden Modellen.

Und beim nächsten M3 und M4?

Da kann ich heute noch keine Details verraten. Nur so viel: Der Motor ist sensationell. Wir haben ihn gerade im X3 M und X4 M vorgestellt. Ein komplett neues M Aggregat, das sich in mehr als 90 Prozent seiner Teile vom Sechszylinder der BMW AG unterscheidet – bis hin zum kürzeren Hub für noch mehr Drehfreude, und das bis 7.200 Umdrehungen.

Dieses Weiterentwickeln eines Basismodells, ist das die Rolle, die der M GmbH auch künftig zukommt? Oder möchten Sie diese Rolle neu definieren?

Die M GmbH ist die Anlaufstelle für Kunden, die ultimative Performance und Individualität suchen. Letzteres werden wir künftig stärker in den Vordergrund rücken. Und, wie angesprochen, mehr Sondermodelle bringen. Sportlichere Sondermodelle der X-Modelle halte ich übrigens auch für möglich. Darüber hinaus wollen wir uns mehr im Kunden-Motorsport engagieren.

Entstehen bei der M GmbH künftig also auch Motorsport-Fahrzeuge?

Die hohe Produktsubstanz unserer M Fahrzeuge bietet grundsätzlich das Potenzial, künftig zusammen mit unseren Kollegen vom Motorsport noch mehr Synergien zu heben. Das Ganze zum Nutzen der M Kunden.

Mit welchen Autos konkret?

Mit dem, was man heute schon kennt, also bei den GT3- und GT4-Fahrzeugen. Eine Einstiegsklasse wäre aber auch denkbar, vielleicht ein Auto auf Basis des M2. Da hätten wir einen Wettbewerbsvorteil.

Die Leidenschaft für besondere Automobile findet demnach verstärkt im geschützten Raum statt?

Zunächst mal nimmt diese Leidenschaft offensichtlich zu, denn wir haben in den letzten zehn Jahren unseren Absatz kontinuierlich erhöht – in einem sehr schwierigen Umfeld. Ein Trend zu Sport-Aktivitäten ist ebenfalls feststellbar, und da wollen wir interessierten Kunden natürlich ein Angebot bieten.

Wenn es also immer mehr potenzielle Kunden gibt, stehen Sie dann unter Zwang, das Angebot zu vergrößern?

Wir werden unser Angebot strategisch sinnvoll weiter ausbauen, aber nicht um jeden Preis. Ohnehin sind wir ja bereits mitten in unserer Produktoffensive: in diesem Jahr haben wir bei M so viele Produktanläufe wie noch nie. Alleine bei unseren High Performance Modellen bringen wir heuer den X3 M, X4 M und die M8-Familie in drei Karosserievarianten. Auch die Nachfolger von X5 M und X6 M biegen auf die Zielgeraden ein.

Wollen Sie noch mehr neue Segmente besetzen?

Es ist nicht auszuschließen, dass wir irgendwann auch in Segmente gehen, die es heute noch gar nicht gibt. Ebenso wenig ist es auszuschließen, Autos zu bauen, die es nur als M gibt.

Also endlich ein eigenständiger M Sportwagen?

Ob so ein eigenständiges M Modell zwangsläufig ein Sportwagen sein muss, ist nicht in Stein gemeißelt.

Wie bitte?

Wir prüfen derzeit in alle Richtungen und schauen uns auch andere, zum Teil völlig neue Fahrzeugkonzepte an. Es geht hier ja nicht um kurzfristige Entscheidungen.

Vita

Markus Flasch,geboren 1980 in Salzburg, Österreich. Von 1999 bis 2003 studiert er in Graz Automotive Engineering, schließt mit einem Master ab. Weiterer Abschluss: 2004, Diplom-Ingenieur. Danach ist Flasch bei Magna tätig, zuletzt als Vorstand Operations & Quality Europe. Am 1. Juni 2015 beginnt er bei BMW als Qualitätsverantwortlicher für die Oberklasse, verantwortet vor seinem Wechsel zur M GmbH am 1. Oktober 2018 die neue 8er-Reihe.

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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

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