Muscle Cars im Datenvergleich
Wie schneidet der neue Shelby GT500 ab?

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Chevrolet Camaro ZL1 und Dodge Challenger SRT Hellcat sind die natürlichen Gegner des neuen Ford Mustang Shelby GT500. Wir haben das ebenso leistungs- wie charakterstarke Trio auf dem Papier verglichen.

Coke oder Pepsi. Android oder iPhone. Ärzte oder Hosen. Irgendwann im Leben muss man sich entscheiden, zu welchem Lager man gehört. Sportwagen-Fans geht es auch so. Schlägt man sich eher auf die Seite der Feingeister, der akkuraten Kurvenkünstler aus Europa und Asien? Oder verliert man sein Herz an die eher grobschlächtigen V8-Brecher aus den USA?

Die extremsten Darstellungsformen der Muscle-Car-Fraktion

Wer zum „America first“-Lager gehört, merkt natürlich, worauf das hier hinausläuft. Es tritt mal wieder das traditionsreiche Muscle Car-Trio gegeneinander an, das im Alltag, auf der Viertelmeile und auf den Rundkursen schon so viele Kämpfe ausgefochten hat: Ford Mustang, Chevrolet Camaro und Dodge Challenger, und zwar in ihren extremsten Darstellungsformen: Shelby GT500, ZL1 und SRT Hellcat. Okay, nicht im echten Leben, schließlich wurde der Shelby gerade erst auf der Detroit Motor Show präsentiert und kommt nicht vor Herbst 2019 auf den Markt. Aber auf dem Papier und mit dem, was wir über den Camaro und den Challenger wissen, lassen sich einige Aussagen treffen.

Unsere Highlights

Fangen wir damit an, was bei solchen automobilen US-Outlaws am wichtigsten ist: den Motoren. Camaro ZL1 und Challenger SRT Hellcat sind sich in Sachen Hardware einig: 6,2 Liter Hubraum teilen sich auf acht in V-Form angeordnete Zylinder auf, ein Kompressor facht das darin entstehende Feuer zusätzlich an. Beim ZL1 führt das Paket zu einem Output von 659 PS und maximal 868 Newtonmetern. Das sind keine schlechten Werte, wahrlich nicht, und dennoch lässt sie die Hellcat mit einem Schlag völlig unspektakulär erscheinen. Der Chally liefert 727 PS und 889 Newtonmeter – in der Basisversion. Greift man zur Redeye-Variante, sind es kranke 808 PS und 959 Newtonmeter. Und dann gibt es ja noch die limitierte und inzwischen ausverkaufte Demon-Variante mit wahnsinnigen 852 PS und 1.044 Newtonmetern.

Der Camaro ist der „schwächste“ des Trios

Chevrolet Camaro ZL1 1LE
GM
Mit 1LE-Paket noch schärfer: Chevrolet Camro ZL1.

Der Shelby ordnet sich irgendwo zwischen dem ZL1 und der Hellcat ein. Wo genau, steht noch nicht fest; Ford gibt derzeit einen Wert von „mehr als 700 PS“ an. Das ist mehr als beim Halbmillionen-Euro-Supercar Ford GT mit seinen 656 PS. Das maximale Drehmoment ist noch komplett geheim; wir vermuten es irgendwo im Bereich von 850 Newtonmetern. Klar ist, dass der GT500 auf einen handgefertigten 5,2-Liter-V8 vertraut, der mit einem Eaton-Kompressor kooperiert. Sechs Wärmetauscher, eine im Vergleich zu anderen Performance-Mustangs verbesserte Öl- und Wasserkühlung und ein flüssigkeitsgekühlter Ladeluftkühler kümmern sich um thermische Belange. Der Camaro ZL1 hat übrigens elf Wärmetauscher. Und die Hellcat Redeye hat Extra-Kühler, die bei voller Leistungsabfrage und danach beim Kaltfahren für einen gesunden Temperaturhaushalt verantwortlich sind.

Zu welchen Fahrleistungen das führt? Ford geht von einem 0-auf-60-mph-Sprintwert (96,6 km/h) im mittleren Drei-Sekunden-Bereich aus. Das würde Augenhöhe bedeuten, der ZL1 schafft die Übung in 3,5 und die Hellcat Redeye in 3,4 Sekunden. Ähnliches gilt für die angestrebte Viertelmeilen-Zeit. GT500: unter elf Sekunden. Camaro ZL1: 11,4 Sekunden. Challenger Hellcat Redeye: 10,9 Sekunden. Nur beim Topspeed hechelt der Mustang hinterher: 290 statt 319 (ZL1) beziehungsweise 327 km/h (Redeye).

Chevy und Dodge bieten zwei Getriebe-Optionen

Schneller will Ford beim Schalten sein. Der Shelby erhält ein Sieben-Gang-Doppelkupplungsgetriebe mit Schaltwippen, das die Gänge in weniger als 100 Millisekunden wechseln können soll. Ein manuelles Getriebe wird es nicht geben, anders als bei den Kontrahenten. Im Camaro ist entweder eine Sechs-Gang-Schaltung mit Drehzahlanpassung oder eine Zehn-Gang-Automatik installiert. Auch die Hellcat lässt die Wahl: Entweder der Fahrer sortiert sechs Gänge selbst, oder ZF liefert eine Acht-Gang-Automatik, die bei der Redeye-Version serienmäßig ist.

Im Getriebe-Kapitel deutet sich schon an, was beim Fahrwerk offensichtlich wird: Die Crew von Ford Performance war sich nicht zu schade, tief ins Detail einzusteigen, um die enorme Power auch fahrbar zu machen. Die Aufhängungs-Geometrie wurde angepasst, dem Shelby wurden leichtere Federn spendiert, die Servolenkung zeigt sich neu kalibriert, sogar am Chassis wurde Hand angelegt. Schließlich zog auch noch die neueste Version des Magne-Ride-Fahrwerks ein, dessen Dämpfer sich blitzschnell an die Fahrsituation anpassen. Nicht weniger als fünf Fahrmodi sind im Programmcode hinterlegt: Normal, Nässe, Sport, Track und Drag. Launch-, Traction- und Stability-Control gibt es natürlich auch, ebenso wie auf Wunsch Antriebswellen aus Carbon. Und die Line-Lock-Funktion: Mit der lassen sich die Vorderräder blockieren, während die Hinterräder nach Lust und Laune durchdrehen können. Das auszuprobieren dürfte eine beliebte Beschäftigung auf dem Drag Strip werden.

Low-Tech-Muscle Cars? Früher vielleicht

Die Hellcat hat sowas übrigens auch. Und nicht nur eine Launch Control, sondern auch einen Launch Assist, der das typische Rubbeln der Reifen über den Asphalt des Drag Strips unterdrücken soll. Es gibt außerdem adaptive Dämpfer und vier Fahrmodi, Lenkung und Getriebe passen sich an die Gegebenheiten an. Beim Redeye lassen sich außerdem zwei finale Hinterachs-Übersetzungen wählen. Low-Tech ist dieses Auto also nicht gerade. Ein paar Abstimmungs-Features bietet auch der ZL1. Bei ihm kann der Radsturz angepasst werden, lassen sich das Fahrwerk vorne in der Höhe und der Stabilisator hinten dreifach verstellen. Zumindest dann, wenn das 1LE-Ausstattungspaket geordert wird. Das Magnetic-Ride-Fahrwerk haben alle Camaro ZL1, genau wie das elektronische Sperrdifferenzial.

Wie sich beim Fahren zeigt, wirkt sich das positiv auf das Handling des dicken Chevys aus. Das zeigt sich überraschend präzise, das Auto benimmt sich willig und flink. Kein Wunder, schließlich wurde es zu großen Teilen auf der Nordschleife abgestimmt und ist in Verbindung mit dem 1LE-Paket auch mit Semi-Slicks (Goodyear Eagle F1 Supercar 3R) ausgerüstet. Dodge bietet diese Option bei der Hellcat nicht, liefert das Auto ausschließlich mit Sportreifen (Pirelli P Zero) aus. Und das spürt man. Der Challenger lenkt im Vergleich unpräzise, fährt unwillig in Kurven und hat arge Traktionsprobleme, und zwar auch geradeaus. Er ist eben locker 200 Kilogramm schwerer als der Camaro, größer zudem und sein Schwerpunkt liegt höher. Und er verfolgt einen anderen Ansatz: Mit dem Über-Chally soll mit maximaler Kraft beschleunigt und geradeaus gefahren werden; auch driften ist erlaubt. Zeitenjagd auf der Rundstrecke? Nö, lass‘ ma‘ lieber.

In Europa nur über freie Importeure erhältlich

Dodge Challenger SRT Hellcat Redeye Widebody, 2019
Dodge
Ein Viech auf dem Drag Strip: Hellcat Redeye 808 PS und 959 Newtonmetern.

Das wird der GT500 ganz anders sehen – vor allem dann, wenn er mit dem „Carbon Fiber Track Package“ ausgeliefert wird. Dann gibt es einen zackiger gestalteten Front- und einen mächtigen verstellbaren Heckflügel und um einen halben Zoll breitere Hinterräder, wobei all das aus feinem Kohlefaser-Verbundwerkstoff gefertigt ist. Außerdem weichen die serienmäßigen Michelin Pilot Sport 4S-Pneus mit dieser Ausstattung Semi-Slicks des Typs Pilot Sport Cup 2, zusätzlich fliegen die Rücksitze raus. Die Brembo-Bremse scheint dank 420-Millimeter-Scheiben vorne ebenfalls für alle Anforderungen gerüstet zu sein. Auch die Konkurrenz vertraut auf Stopper der italienischen Spezialisten, installiert aber nur 390 Millimeter große Scheiben.

Der Shelby verspricht also, der radikalste Rundstrecken-Räuber in diesem Umfeld zu werden. Vielleicht kann er sogar mit der europäischen Elite mithalten. Offiziell nach Europa kommt er allerdings nicht, das hat er mit dem Camaro ZL1 und dem Challenger SRT Hellcat gemeinsam. Da sind also die freien US-Car-Importeure gefragt, die die Standardversionen zu Preisen zwischen knapp 80.000 und 90.000 Euro anbieten. Wer den 1LE oder den Redeye möchte, muss ein sechsstelliges Budget bereithalten. Der GT500 dürfte sich da passend einreihen, sobald er das Trio ab Herbst 2019 ergänzt – wobei das „Carbon Fiber Track Package“ einen empfindlichen Aufpreis kosten wird.

Fazit

Natürlich lässt sich der Ford Mustang Shelby GT500 noch nicht bis ins letzte Detail einschätzen. Dennoch scheinen die Rollen innerhalb dieser drei Muscle Cars klar verteilt zu sein. Er dürfte jene des Rundstrecken-Seziermessers einnehmen, das den Europäern und Japanern fahrdynamisch vielleicht sogar das Wasser reichen kann. Der Dodge Challenger SRT Hellcat besetzt das andere Ende des Spektrums, erst recht in seiner Redeye-Ausprägung: Er ist eindeutig auf der Viertelmeile am besten aufgehoben. Der ZL1 ist der Kompromiss: Umgänglich im Alltag, für gelegentliche Rennstreckenausflüge zu gebrauchen und auch auf dem Drag Strip respektabel unterwegs. An welchen man sein Herz verlieren sollte? Auch in diesem Fall hängt das vor allem davon ab, welchem Lager man angehört.