Porsche 911 Turbo Erprobungsfahrt
Extrem-Sportler im Grenzbetrieb

Wenn der neue Porsche 911 Turbo ab September in die Ausstellungsräume rollt, hat er den härtesten Teil seines Lebens bereits hinter sich. Wir haben den Biturbo-Elfer exklusiv auf Erprobungsfahrt in Südafrika begleitet.

Porsche 911 Turbo, Heckansicht
Foto: Hersteller

Vor uns stehen zwei harte Kerle. Gestatten, LB-XM 636 und LB-XK 9735. Hinter den Kfz-Kennzeichen aus Ludwigsburg verstecken sich zwei Porsche 911 Turbo der besonderen Art. Tarnfolie und Kunststoffverkleidungen gehören zu ihrer Karosserie wie Flecktarn-Uniformen zur Bundeswehr. Bevor die neue Porsche 911 Turbo-Generation ab September die Fans begeistern soll, müssen die leicht verfremdeten Erprobungsprototypen unzählige Härtetests absolvieren.

Wir treffen das Porsche 911 Turbo-Duo auf einem Schotterparkplatz hinter dem Kruger Mpumalanga International Airport. Klingt groß, ist aber ein Terminalhäuschen mit Bambusdach und einem Laufband. Willkommen in der südafrikanischen Provinz, eine Flugstunde von Johannesburg entfernt.

"Südafrika ist für Erprobungsfahrten wegen der Kombination aus Hitze und Höhe ideal", erklärt Porsche-Erprobungsleiter Alex Ernst. Bis zu 3.000 Meter über Normal-Null, saunaartige Temperaturen, dazu buckelige Landstraßen und staubige Sandpisten – fertig ist eine Etappe Ironman made by Porsche, die nicht nur die aktuelle Porsche 911 Turbo-Baureihe durchstehen muss.

Kombination aus Hitze und Höhe

"Grenzbetriebsbedingungen" lautet das Lebensmotto jedes Porsche-Erprobungsfahrzeugs. Insgesamt werden vor Markteinführung eines neuen Modells zwischen zwei und drei Millionen Testkilometer absolviert. Neben Südafrika liegen weitere Marterpfade im amerikanischen Hitze-Epizentrum Death Valley und in Schwedens Kältekammer Arjeplog. Nicht zu vergessen die endlosen Dauerläufe auf der Porsche-Teststrecke in Weissach, auf der Nordschleife und dem Hochgeschwindigkeits-Oval im süditalienischen Nardo.

Dass der neue Porsche 911 Turbo S mit 560 PS in 7.27 Minuten über den Ring gefaucht ist, gerät auf den südafrikanischen Buckelpisten zur Randnotiz. "Achtung, Schlagloch voraus", tönt es aus dem Bordfunkgerät, das neben der Messelektronik zur Grundausstattung eines jeden Erprobungsfahrzeugs gehört.

Uli Morbitzer, Projektleiter Fahrwerk Baureihe 911, schlägt mit dem Porsche 911 Turbo S routiniert Haken um die teils knietiefen Krater. Heckschleuder Turbo-Elfer war in den Siebzigern einmal. Dank Allradlenkung bleibt der Neue auch bei abrupten Spurwechseln äußerst stabil. "Hinten rechts im Radkasten knarzt etwas, wahrscheinlich nur eine Kleinigkeit am Dämpfer oder der Verschlauchung", diagnostiziert Morbitzer, der schon für die Fahrwerksentwicklung der 993 RS-Modelle Mitte der neunziger Jahre zuständig war. "Früher haben wir die Motoren zur Dauerbelastung den ganzen Tag durchlaufen lassen. Heute treten schwerwiegendere Fehler meistens dann auf, wenn Steuergeräte nach dem Motorenstopp nicht mehr hochfahren", erläutert Erprobungsleiter Ernst. Insgesamt liegt die Fehlerquote während der Erprobung der 991-Baureihe jedoch deutlich unter der des Vorgängers.

Porsche 911 Turbo-Prototyp für eine Million Euro

Seit 2010 rollen die Vorserien-Prototypen der neuen Porsche 911 Turbo-Generation. Rund 85 Prototypen werden in verschiedenen Baustufen bis zur Markteinführung genutzt. Die ersten 27 Exemplare zählen zu den kostbarsten, da diese fernab von maschinellen Prozessen komplett in Handarbeit entstehen. "Rund eine Million Euro kostet eines dieser ersten Baustufenfahrzeuge", verrät Alex Ernst. "Alleine eine Prototypenlenkung kostet zwischen 30.000 und 40.000 Euro", ergänzt Fahrdynamikleiter Manfred Harrer.

Fahrzeugwechsel von Porsche 911 Turbo S zu Turbo. Dass hier 40 Pferde weniger aufgaloppieren, ist vom Beifahrersitz angesichts des kräftigen 660-Nm-Punches kaum spürbar. "Wir wechseln die Fahrzeuge bei der Erprobung im Stunden-Rhythmus durch, um eine gute Vergleichbarkeit zu bekommen", sagt Fahrdynamik-Ingenieur Harrer.
Rund um die Uhr Porsche 911 Turbo fahren klingt wie ein Sechser im Lotto. Fällt das Stichwort "Traumjob", weiß Alex Ernst, wie er Enthusiasten bremsen kann. "Zur Erprobung der Alltagstauglichkeit fahren wir in Johannesburg regelmäßig zwölf Stunden am Stück im Stadtverkehr. Da stehst du teilweise bei sengender Hitze 20 Minuten auf einer Stelle, oder wir tingeln im Schritttempo durch Parkhäuser", sagt der Erprobungsleiter. Anders als bei seiner Premiere im Jahr 1974 darf einPorsche  911 Turbo eben heute nicht mehr ausschließlich ein harter Kerl sein.

Technik im Porsche Turbo

Ab September kommt zunächst der 911 Turbo S auf den Markt, dessen 3,8-Liter-Biturbo 560 PS leistet. Zu den technischen Innovationen der Turbo-Baureihe zählen unter anderem ein neuer Allradantrieb, eine Hinterachslenkung sowie eine aktive Aerodynamik. Neben dem Heckflügel kann der pneumatisch betätigte Frontspoiler in zwei Positionen ausfahren.