24h-Rennen Nürburgring 2014
Die große Vorschau auf den Klassiker

Inhalt von

Audi, BMW und Mercedes – so heißen die Favoriten im Kampf um die 24h-Krone am Nürburgring 2014. Die GT3-Einstufungen sind 2014 eher nicht der Knackpunkt – wohl aber die Reifen-Performance.

Start  - VLN Nürburgring - 4. Lauf - 17. Mai 2014
Foto: Stefan Baldauf / Robert Kah

Am Nürburgring gelten in Streitfragen andere Gesetze. Wie in jedem Jahr vor dem 24h-Rennen auf der legendären Nürburgring-Nordschleife werden aus gestandenen Männern in verantwortungsvollen Positionen kleine Jungs, die gegenseitig versuchen, sich im GT3-Sandkasten eins überzubraten.

GT3-Tross kämpft um den Gesamtsieg beim 24h-Rennen

Die GT3-Klasse wird auch in diesem Jahr der Tross sein, der um den Gesamtsieg beim 24h-Rennen auf dem Nürburgring kämpft – jedoch unter geänderten Vorzeichen. Was gleich geblieben ist: das kindliche Gebaren, sich gegenseitig mit Sand bewerfen zu wollen, große Burgen zum Selbstschutz zu bauen und einen möglichst bemitleidenswerten Eindruck zu machen. Im Klartext: die anderen Hersteller als besonders potent herauszustellen, selbst zu bluffen und mit Dackelblicken für die eigene Glaubwürdigkeit zu werben.

Unsere Highlights

Willkommen zur Psychologielektion mit dem Thema Balance of Performance, einem über die Jahre ausgeklügelten System, die verschiedenen Fahrzeugkonzepte in der GT3-Klasse unter einen Hut zu bekommen und mit Chancengleichheit auszustatten. Manch einer wird nun sagen, dass es das doch alles in den vergangenen Jahren auch schon gab. Nicht ganz, dieses Jahr wird das Thema ad absurdum geführt, getreu dem Motto: Viel Lärm um nichts.

Warum? Weil die mystischen Zahlencodes der Balance of Performance aus Gewicht und Air-Restriktoren rein theoretisch genau dieselben wie im Vorjahr sein müssten. Denn die Weiterentwicklungen an den GT3- Bombern wurden eingestellt, weil die technischen Spezifikationen eingefroren wurden. Nur Veränderungen am Auto, die der Zuverlässigkeit dienen, sind erlaubt – Performance darf damit keine gewonnen werden.

BMW zeigt vor 24h-Rennen auf dem Nürburgring Schauspieltalent

Demnach hätte es also gar kein Verwirrspiel um Rundenzeiten oder Motorleistungen in der Vorbereitungsphase zum 24h-Rennen geben sollen. Ohne Veränderungen an den Autos gibt es auch keine Notwendigkeit, die Balance of Performance anzupassen. Getreu dieser Philosophie handelt der Technikausschuss des ADAC Nordrhein rund um Norbert Kreyer. Die Herren beobachteten das Tarnen und Täuschen in den vorausgegangenen VLN-Rennen und konnten sich dabei ein Schmunzeln nicht verkneifen.

Vor allem die BMW-Armada sorgte bei den Zuschauern an der Strecke und im Fahrerlager für Diskussionen: Die Bayern überspannten den Bogen mit ihrem schauspielerischen Talent auf der Strecke hier und da. Das Zauberwort heißt Target Laptimes. Die Rundenzeitenvorgaben, die entweder mithilfe spezieller Motormappings oder durch einen unentschlossenen Gasfuß des Piloten eingehalten werden, sind nicht ungewöhnlich und gehören auch bei anderen Herstellern wie Audi zum guten Ton.

Nur fragt man sich: Für wen wird dieses Kasperltheater eigentlich aufgeführt? Für den Fan ja wohl kaum, der würde lieber Rennwagen am Limit sehen. Auch Kreyer versteht die Aufregung nicht: „Das sah manchmal nach einer Gleichwertigkeitsprüfung aus. So lange sie dabei neutral bleiben und nicht nach Änderungen bei der BOP schreien, können sie das ruhig machen“, sagt der ehemalige Formel- 1-Ingenieur und grinst. „Wir wissen ja genau, was die Autos können. Und das liegt bei Rundenzeiten um die acht Minuten.“

Audi-Pilot Frank Stippler müsste eigentlich einen Heiligenschein tragen: „Die Fans haben bis zum 24h-Rennen guten Sport verdient. Manchmal werden die Autos ja auf wundersame Weise langsamer“, sagt er und weist darauf hin, dass die Marke mit den vier Ringen immer voll fahre. Dass Audi im Gegensatz zu allen anderen Vollgas fährt, mochte jedoch niemand so recht glauben. Die Vermutung liegt nahe, dass nicht der Technikausschuss in die Irre geführt werden soll – sondern vor allem die Gegner.

Mercedes mit offenem Visier?

Mercedes schert sich noch am wenigsten um die Political Correctness. Im Zeittraining zum 24h-Qualirennen haute Maxi Götz auf Pirelli- Vignettenreifen eine Bestzeit von 8.20,835 Minuten raus. Im Top-40-Qualifying zum 24h-Rennen 2013 war der schnellste Mercedes ebenfalls mit einer Rundenzeit von 8.20 Minuten unterwegs. „Es bringt doch nichts, hier fünf Sekunden langsamer zu fahren“, meint Götz. „Die BOP ändert sich ohnehin nicht großartig. Ich verstehe die Aufregung nicht.“

Nebenbei bemerkt scheinen die Mercedes am wenigsten werksseitig beeinflusst zu werden. Die einzige bedeutende Änderung, die es in der Balance of Performance gegeben hat, ist das Zugeständnis von fünf Litern zusätzlichem Tankvolumen für Audi, Mercedes, BMW, Ferrari, Aston Martin und Porsche. Damit will man sicherstellen, dass alle Hersteller eine Reichweite von neun Runden schaffen.

In der Vergangenheit war es vor allem BMW, die mit ihrem Spritverbrauch nicht hinkamen. Was man dabei nicht bedacht hat: Nicht in jeden Tank passen eben mal fünf Liter mehr rein. Bei Audi gibt es Überlegungen, einen größeren Tank zu bauen, um den Vorteil nutzen zu können. Ein technisch nicht ganz leichtes Unterfangen, schließlich muss der Tank so gebaut werden, dass er bei den engen Platzverhältnissen mit mehr Volumen ins Auto passt.

Dazu stellt ein neues Bauteil auch immer einen Risikofaktor dar. Und die Kosten für die Aufrüstung tragen am Ende die Teams. Wieso also nicht alle Teams nur acht Runden fahren lassen? „Das wäre im Hinblick auf die Kostenkontrolle keine Lösung“, so Kreyer. „Dann werden nämlich alle acht Runden die Reifen gewechselt, das geht auch ins Geld.“ Wenn die BOP beim 24h-Rennen auf dem Nürburgring 2014 nicht das Zünglein an der Waage sein wird und die Tankstopps für alle Top-Autos nach neun Runden anstehen, was wird dann den Ausschlag geben? Die Verbindung zwischen Auto und Straße – zum einen der Fahrer, zum anderen die Reifen.

Die Reifen als Knackpunkt beim 24h-Rennen auf dem Nürburgring

Für den wohl größten Wirbel sorgte Dunlop mit der Bekanntgabe vor dem ersten VLN-Lauf, keine Entwicklungsreifen für die GT3- Klasse zur Verfügung stellen zu können. Weil das Werk in Birmingham, das die Rennreifen produzierte, dichtgemacht wurde, hat man einen Produktionsengpass. Die Teams, die noch auf Dunlop-Reifen rollen, wie zum Beispiel Walkenhorst, müssen sich nun mit Regalreifen zufriedengeben.

Des einen Leid, des anderen Freud: Weil man ohne Entwicklungsreifen keine Siegchance hat, liefen Dunlop-Kunden zu Michelin über. So vertrauen die meisten Top-Teams also auf die Pneus aus Clermont-Ferrand. „Manche Strategiespielchen fallen damit weg“, sagt Schubert-BMW-Teammanager Stefan Wendl. „Und der Wettbewerb wird noch enger.“

Unter diesen Umständen wird Michelin nicht müde zu betonen, dass alle Kunden dieselbe Anzahl Reifen erhalten und gleich behandelt werden. Auch die, die nun von Dunlop kamen und wie Rowe oder Black Falcon noch keinen so großen Erfahrungsschatz mit Michelin haben. Die Franzosen müssen das Kunststück bewältigen, Reifen zur Verfügung zu stellen, die für Front-, Mittel- und Heckmotorkonzepte funktionieren. Zur Auswahl stehen die Slick-Mischungen Soft und Medium, ein Regenreifen und ein neu entwickelter Intermediate-Reifen, der in ähnlicher Form schon im LMP1-Sport zum Einsatz kam.

Weil man im Duell mit Dunlop im vergangenen Jahr bei Mischbedingungen und kalten Temperaturen ziemlich alt aussah, musste man etwas unternehmen. Kurios: Der Intermediate sieht aus wie ein Slick. Einige Piloten reagierten ziemlich skeptisch, wurden aber eines Besseren belehrt. Die spezielle Mischung soll das Wasser wie ein Schwamm aufsaugen. Die aktuellen Slick-Spezifikationen für das 24h- Rennen, die über neue Mischungen und Konstruktionen verfügen, bekamen die Teams aber erst beim vierten VLN-Lauf ausgehändigt. Umso mehr Bedeutung erhielt der finale Nordschleifen-Test am 27. Mai.

Zwei Audi R8 LMS Ultra starten auf Hankook-Reifen

„Natürlich hätten wir uns die Reifen etwas früher gewünscht, aber jetzt ist das halt so“, sagte Dirk Spohr, Leiter Audi-Kundensportmanagement. Zweifelsohne gelten die Michelin-bereiften Autos als Favoriten. Die Konkurrenz schläft aber nicht. Hankook stattet exklusiv zwei Audi R8 LMS Ultra des Teams Prosperia Abt aus und rechnet sich damit Erfolgschancen aus. Die Koreaner haben bereits Erfahrung auf der Nordschleife: 2010 holte man mit dem Team Farnbacher auf einem Ferrari den zweiten Gesamtplatz. „Bei Michelin bin ich nur eine Nummer“, begründet Teamchef Christian Abt die Entscheidung, den Audi R8 auf Hankook-Reifen rollen zu lassen. „Außerdem mache ich nie, was die anderen machen.“

HTP Motorsport geht mit Pirelli-Sohlen auf dem Mercedes SLS AMG ebenfalls einen  anderen Weg. Die Entwicklungsreifen sollen sich dabei völlig von denen aus den vergangenen Jahren unterscheiden. Deshalb stattet Pirelli aus Kapazitätsgründen nur zwei Teams aus: HTP und Dörr mit dem McLaren, der über die Winterpause große Fortschritte in Sachen Set-up gemacht hat. Zur Auswahl stehen zwei Regenreifen, ein Intermediate und drei verschiedene Slick-Mischungen. Die Gerüchte, wonach der spätere Termin im Juni und die damit verbundenen höheren Außentemperaturen dem Pirelli-Pneu nicht schmecken könnten, weist man im Lager der Italiener zurück: „Je wärmer, desto besser“, heißt es dort. Die andere Frage lautet, ob sie neun Runden halten.

Manche vermuten, dass bereits nach acht Runden Feierabend sein könnte. Neben Michelin, Hankook und Pirelli darf man den Falken-Porsche nicht außer Acht lassen. Die Japaner haben schon unzählige Kilometer auf der Nordschleife abgespult und wollen sich bei einem so prominent gebrandeten Auto keine Blöße geben.

Favoritenduell Audi gegen BMW

Wer hat nach der ausgiebigen Vorbereitung bestehend aus vier VLN-Rennen, dem 24h- Qualirennen und einem Nordschleifen-Testtag nun das beste Paket für das 24h-Rennen geschnürt? Im Fahrerlager stehen bei den Experten zwei Marken ganz oben auf der Rechnung. Sie prophezeien, dass BMW und Audi den Sieg unter sich ausmachen. Auch wenn beide in der Vorbereitungsphase ihre Karten noch nicht aufgedeckt haben, sprechen einige Argumente für die beiden bayerischen Marken.

Zum Beispiel die Anzahl der Autos, die ins Rennen geschickt werden. Bei Audi hat man die beiden Phoenix-Autos in starker Besetzung mit den Nordschleifen-Assen Marc Basseng und Frank Stippler sowie Allrounder René Rast im Köcher, bei Prosperia greifen unter anderem Christopher Mies, Christer Jöns, Marco Seefried und Dominik Schwager an. BMW tritt ebenfalls mit vier werksunterstützten Z4 an. Bei Manthey warb man Lucas Luhr ab, der sich das Auto mit Dirk Müller, Dirk Werner und Alexander Sims bei Schubert teilt. Daneben hat Marc VDS mit Uwe Alzen, Jörg Müller, Maxime Martin und Marco Wittmann ein sehr gut besetztes Auto.

Verbot des Renn-ESP für BMW Z4 GT3

Das Verbot des Renn-ESP im BMW Z4 GT3 dürfte die Herren Profis nur minimal schwächen, lediglich bei nassen Bedingungen war es eine Lebensversicherung, mit der man sich noch weiter aus dem Fenster lehnen konnte. In Sachen Zuverlässigkeit haben beide Autos schon mehrfach bewiesen, dass sie eine Bank sein können. Bei BMW sollten die Probleme mit den Antriebswellen endgültig gelöst sein, bei Audi ist seit jeher das Getriebe besonders sanft zu behandeln.

Die neu geteerten Streckenabschnitte könnten den Audianern in diesem Fall entgegenkommen: Weil der Bodenbelag beispielsweise in der Bremszone vor der Hohenrain-Schikane jetzt weniger wellig ist, gibt die ABS-Regelung dem Getriebe nicht mehr ganz so viel Zunder. Die Haltbarkeit war bei Mercedes noch nie ein Problem. Kaum ein Auto dreht so zuverlässig seine Kreise wie der SLS. Verwunderlich, dass die Vorjahressieger nicht ganz oben auf der Liste der Favoriten stehen. Ob es daran liegt, dass Audi und BMW einfach mehr Geheimniskrämerei betreiben und so den Eindruck erwecken, da gehe noch viel mehr?

In der vorläufigen Starterliste finden sich gleich drei SLS von Rowe, zwei von Black Falcon sowie ein Stern-Krieger von HTP. Als Geheimfavorit wird der Aston Martin von Stefan Mücke, Darren Turner und Pedro Lamy gehandelt. Mit nur einem Eisen im Feuer reduzieren sich natürlich die Chancen, doch die Engländer sollen dank eines ausgedehnten Testprogramms bei der Zuverlässigkeit nachgelegt haben. Hinter dem Thema Spritverbrauch steht bei Aston Martin allerdings noch ein größeres Fragezeichen.

Nissan und McLaren die Überraschungskandidaten beim 24h-Rennen

Zu den Überraschungskandidaten zählen Nissan und McLaren. Bei Nissan macht man mit Nick Heidfeld und Michael Krumm jede Menge Werbung für das Programm mit dem GT-R, hat aber auf keinem der beiden Autos eine so starke Gesamtbesetzung, dass man den Japanern einen Sieg zutrauen würde. Der Nissan GT-R gilt als großer Schluckspecht – und der Durst könnte beim 24h-Rennen auf dem Nürburgring zum Problem werden.

Ein Auto im Feld werden die Fans ganz besonders vermissen: Der gelb-grüne Manthey- Porsche war in den vergangenen Jahren immer ein heißer Sieganwärter. In dieser Saison bleibt die Werksunterstützung aufgrund der anderen Baustellen wie der LMP1-Rückkehr nach Le Mans und dem GTE-Einsatz von Manthey Racing in der WEC aus. „Wir wollten den Technikausschuss in diesem Jahr ein bisschen entlasten“, witzelt Olaf Manthey. „Die Entscheidung fiel erst im Februar. Wir haben versucht, mit dem gelbgrünen GT3 weiterzumachen, aber es gab durch das WEC-Projekt auch interne Umstrukturierungen.“

Manthey setzt stattdessen drei Kundenautos ein. Daneben vertreten Frikadelli, Falken und Haribo das Porsche-Lager. Zum Zünglein an der Waage könnten dieses Jahr die Gelbphasen werden. Verläuft das 24h-Rennen auf dem Nürburgring auch nur annähernd so chaotisch wie die vergangenen VLN-Rennen, bleiben Verstöße gegen den Code 60 wohl nicht aus. Es wäre schade, wenn ausgerechnet das den Unterschied ausmachen sollte.

„Dieses Mal geht es um absolute Perfektion“, so Schubert-Teammanager Stefan Wendl, „die Boxenstopps werden eine Rolle spielen und eben auch, sich bei Code 60 keine Strafen einzuhandeln.“ Die Teams sollten schon alleine den Fans zuliebe mit Beginn der Veranstaltung ihr Kasperltheater beenden und sich darauf konzentrieren, keine Fehler zu begehen. Denn derjenige mit den wenigsten Fehlern wird gewinnen – und nicht derjenige, der die größte Show abzieht. So war das schon immer.

Service 24h-Rennen auf dem Nürburgring 2014

Eintrittspreise: Die Eintrittspreise blieben für 2014 stabil: Das Event-Ticket kommt auf 64 Euro (Do bis So), das Wochenendticket (Fr bis So) kostet 57 Euro.

DSK, Partyzelt und Shuttle-Service: Der Deutsche Sportfahrer Kreis (DSK) führt sein Engagement beim 24h-Rennen weiter fort: Wie schon in den vergangenen Jahren bildet das DSK-Zelt in der Müllenbach-Schleife die Anlaufstation für alle Mitglieder. Eines der Glanzlichter wird heuer wieder die Falken-Drift-Show in der Müllenbach-Schleife, die am Freitagabend (20. Juni) ab 19.45 Uhr startet. Darüber hinaus stellt der DSK in Zusammenarbeit mit sport auto die Mobilität der Fans rund um die Nordschleife mit einem speziellen Shuttle-Bus-Service sicher.