50 Jahre Ford Mustang
Amerikanisch durch Deutschland

Wir fahren los, den Ford Mustang und seinen 50. Geburtstag zu feiern. Immer auf den Routen eines amerikanischen Reiseführers von Deutschland aus dem Jahr 1964 – zu alten Schlössern, Legenden und neuen Freunden.

Ford Mustang, Trachten, Schild
Foto: Hardy Mutschler

Zufall lässt sich per Definition nicht planen. Ohne den gerissenen Lüfterriemen am Ford Mustang wären wir drei Stunden eher hier gewesen, hätten Fiona verpasst, die Mittvierziger-Mofa-Gang und das Abendrot vor dem Sturm über der A 8. Wir sind unterwegs, um den 50. des Mustang mit einer Reise zu feiern, folgen dazu Routen eines Reiseführers aus seinem Geburtsjahr 1964. Der schickt Amerikaner vom Flugzeug erst ins Hofbräuhaus, dann nach Neuschwanstein. Zu Bier und Kitsch, würden viele lästern.

Ford Mustang mit 4,7-Liter-V8-Motor

Aber erinnern wir hier an Mark Twain, der meinte, nichts sei gefährlicher für Vorurteile als das Reisen. Also bollern wir die A 7 südwärts mit 60 Meilen, da fegt der Wind sacht durchs "Pony-Interieur" mit aufgeprägten Pferden auf den Polstern. Doch, so ein Ford Mustang passt fein nach Deutschland, wo er 1964 bis 1979 verkauft wird – und wieder ab 2015. Einst als T5, weil Ford zu knickrig war, die Namensrechte für 10.000 Dollar von Krupp und Kreidler zu kaufen – nur eine kleine Episode im halben Jahrhundert dieses Autos, des ersten Pony-Cars. Seine Entstehung folgt einem operettenhaften Drehbuch, in dem die Stars der US-Autobranche sich auf den Füßen herumtreten. Lee Iacocca sagt sich nach, die Idee gehabt zu haben, sechs Designer halten sich für den wahren Mustang-Stylisten, und wäre man einer weiteren Fehleinschätzung Henry Fords II gefolgt, hieße der Wagen T-Bird II.

Nach 18 Monaten ist der Ford Mustang auf Basis des Falcon fertig, feiert am 17. April 1964 Premiere. Am ersten Verkaufstag bestellen 22.000 Kunden Cabrios und Coupés. Das erfolgreichste Jahr ist 1966 mit 607.568 Exemplaren – eines davon ist unserer. Alle Mustang lassen sich mit unzähligen Optionen individualisieren. Hier dechiffrieren sich die Codes Body 76A, Color 8, Trimm 26, Axle 6 und Trans 6 zu unserem roten Cabrio mit 4,7-Liter-V8 und Automatik.

Die Automatik im Ford Mustang wandlert gemächlich durch ihre drei Stufen auf dem Weg zum Schloss Neuschwanstein. 1,3 Millionen Besucher pro Jahr lassen sich in 35 Minuten durchs Schloss scheuchen, erfahren, was für ein Moderner der Ludwig war, mit elektrischem Klingelsystem für die Bediensteten und Telefon – falls mal der Gerichtsvollzieher, die Sissi oder der vom Kini verehrte Richard Wagner durchläuten.

Schloss Neuschwanstein hat jährlich 1,3 Millionen Besucher

Hier aber war Wagner nie, und als der traurige, bankrotte König am 13. Juni 1886 in den Starnberger See geht, ist Neuschwanstein nicht fertig. Nur 172 Tage hat er hier gewohnt, für ewig soll es für die Öffentlichkeit verschlossen bleiben. Die Ewigkeit endet sechs Wochen nach seinem Tod, da latschen die ersten Besucher durchs Schloss. Schon 1899 sind die Schulden für den Bau durch Eintrittsgelder abbezahlt. Heute kaufen 1,3 Millionen Besucher pro Jahr für 12 Euro ein Ticket ins Märchenschloss, warten mitunter Tage auf Einlass.

Wie Fiona aus Hongkong, die hier auf Hochzeitsreise ist. Morgen wird sie das Schloss besuchen, samt frischem Ehemann, mitgereister Zofe und eigenem Fotografen. Der knipst die junge Braut vor allem, was die bayerische Kulisse hergibt: Schlösser, Fahrräder (als hätten sie die daheim nicht), Trecker, Ford Mustang. Wir kurven nach Oberammergau. Dort, weiß der Reiseführer, trägt jeder Mann einen Bart, um als Statist an den Passionsfestspielen teilnehmen zu können. Ansonsten sei der Oberammergauer als solcher Kunstschnitzer. Heute ist er eher Gastwirt oder Souvenirverkäufer. Das touristische Epizentrum stellt der "Käthe Wohlfahrt Christkindlmarkt" dar – er feiert 2014 ebenfalls seinen 50.

Mit dem Ford Mustang auf der Autobahn

Seit 1964 hat sich auch die Begeisterung für den Ford Mustang kaum gelegt – na gut, die Generationen drei bis fünf (1979 bis 2004) blenden wir gnädig aus. Jedenfalls wurden wir noch nie so oft handyfotografiert und daumenhochgereckt gegrüßt. Die Ovationen enden auch auf der Autobahn nach Westen nicht. Sie passt dem Mustang besser, all diese Kurverei macht ihn flau in der Lenkung und schummrig im Fahrwerk. Auf "the legendary Autobahn" darf er einfach rollen, findet selbst die Linie. Und als es später den Wischern nicht mehr gelingt, den Regen von der Frontscheibe zu schubsen, und dem Verdeck nicht mehr, ihn draußen zu halten, stoppen wir an einem Diner – für das im Reiseführer erklärte Weißwurstritual ist es eh zu spät. Auch an die empfohlenen 300 Meilen am Tag halten wir uns nicht. Morgen geht’s weiter.

Da schunkelt das Cabrio, das nie ein Sportwagen war, über die B 37 am Neckar entlang, rumpelt durch die Mittelaltergassen der Stauferresidenz Bad Wimpfen, tourt weiter nach Heidelberg. Schon 1878 lobte Mark Twain das seit 1693 kaputte Schloss: "Um gut zu wirken, muss eine Ruine den richtigen Standort haben. Diese hätte nicht günstiger gelegen sein können." Womit bis heute eigentlich alles über Heidelberg gesagt ist – außer dass hier 1963 der Kinderteller erfunden wurde. Noch heute lieben Amerikaner die Stadt, eine Million Touristen kommen pro Jahr. Wir stellen das Cabrio auf die begehrteste Fotoposition: Schloss im Frühnebel, Alte Brücke, Ford Mustang.
Kitsch? Pah, das hier ist der Mustang, seit 50 Jahren Gefährt des amerikanischen Traums. Also Zündung. Der Windsor-V8 brodelt los, Wählhebel auf D. Gas. Kitsch me if you can.