Der neue Wundersprit
Günstiges Bio-Benzin aus Stroh

Grünes Licht für Biokraftstoff der zweiten Generation zu konkurrenzfähigen Preisen: Herstellungskosten von nur einem Euro pro Liter sind keine Utopie mehr.

Herstellung Bioliq-Kraftstoff
Foto: Dino Eisele

Zugegeben, es hat ziemlich lange gedauert. Es hat auch einiges gekostet, den Weg zu finden, das schwarze Gold durch Rohstoffe zu ersetzen, die ständig nachwachsen. Statt fossiler Überreste urzeitlicher Vegetation ist jetzt Stroh der Stoff, aus dem Benzin entsteht: Die Forscher vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) haben den Biosprit neu erfunden. Der Herstellungsprozess ist ebenso innovativ wie belastbar, der Kraftstoff hat Spitzenqualität, und das Ganze ist auch mit marktfähigen Produktionskosten zu realisieren.

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Bioliq heißt das Verfahren, das die Wissenschaftler am Institut für Katalyseforschung und Technologie ausgetüftelt, erforscht und entwickelt haben. Und das funktioniert so: Stroh oder andere land- und forstwirtschaftlichen Reststoffe werden per Schnellpyrolyse bei 500 Grad zu Öl und Koks zersetzt und dann zu einer Art Bio-Rohöl namens Slurry aufbereitet. Es enthält etwa 90 Prozent der in der Biomasse gespeicherten Energie. Mit dem Slurry wird ein Synthesegas hergestellt, aus dem zunächst Methanol, im nächsten Schritt Dimethylether (DME) und dann Benzin erzeugt wird.

Biosprit soll in Kleinserie gehen

"Hört sich einfach an, ist es aber nicht. "Komplexe Technologie entwickelt sich nicht so schnell", sagt Bioliq-Projektleiter Nicolaus Dahmen. Bereits 2005 fiel der Startschuss für das Forschungsprojekt, das ein Gesamtvolumen von 64 Millionen Euro hat – mit finanzieller Unterstützung der Fachagentur für nachwachsende Rohstoffe, hinter der das Bundeslandwirtschaftsministerium steht und das den größten Förderanteil beisteuert, sowie dem Land Baden-Württemberg, das dafür Mittel aus dem Europäischen Fond für regionale Entwicklung (EFRE) bereitstellt. Mit von der Partie sind zudem die Anlagenbauer Lurgi, MUT Advanced Heating, MAT Mischanlagentechnik und Chemieanlagenbau Chemnitz – die Partner aus der Industrie schultern etwa 20 Prozent der Investitionskosten.

"Sämtliche vier Ausbaustufen sind realisiert, und die einzelnen Komponenten laufen im Probebetrieb", berichtet Dahmen. Dabei sei die Sythesegaserzeugung der anspruchsvollste Teil der Prozesskette, die jetzt vom Strohballen bis zur Zapfsäule im Forschungszentrum zu betrachten ist. BTL (Biomass-to-Liquids), dieser Ökosprit der zweiten Generation made in Karlsruhe, ist hochwertig, motorenverträglich und vielseitig. Ab Mitte nächsten Jahres soll als erste Kraftstoff-Sorte eine Tonne Benzin pro Tag im Bioliq-Verfahren produziert werden.

Dessen besonderer Charme liegt in der Vielseitigkeit: Es kann nicht nur Ottokraftstoff sowie mittelfristig Diesel und Kerosin sprudeln lassen, sondern auch gefragte Stoffe für die Chemie- und Kunststoffindustrie. Darüber hinaus werden aus dem Synthesegas auch Wasserstoff und Methan gewonnen – Kraftstoff für Autos mit Brennstoffzellen- oder Gasantrieb. "BTL ist ein Entwicklungsthema, das weiter läuft und noch lange nicht abgeschlossen ist", sagt der Bioliq-Projektleiter.

Autobauer zeigen großes Interesse

Und die Autoindustrie hat ein Riesen-Interesse daran. Einerseits sind Biokraftstoffe der Schlüssel dazu, den CO2-Ausstoß auch von Bestandsfahrzeugen unmittelbar zu reduzieren. Andererseits ist die Aggregateentwicklung samt Hochdruckeinspritzanlagen noch lange nicht ausgereizt. Künftige Motorengenerationen benötigen hochklopffeste, rückstandsfrei verbrennende Spitzenkraftstoffe. "Wir stehen in engem Kontakt mit den Motorenentwicklern", so Chemiker Dahmen. Derzeit formiert sich ein Industrie-Konsortium, das ab Mitte nächsten Jahres das BTL-Benzin abnehmen und testen will.

Audi, Daimler und VW sind auf alle Fälle im Boot, wahrscheinlich werden auch BMW und Ford dabei sein. "Es geht dabei auch darum, neue Testmethoden für Kraftstoffe zu entwickeln und überalterte Prüfverfahren anzupassen", berichtet er.

Kostenrisiko Anlagenbau

Der neue Wundersprit könnte etwa in fünf Jahren im großen Stil zu haben sein. Dahmen kalkuliert mit Produktionsanlagen, die jeweils eine Million Tonnen Kraftstoff pro Jahr liefern. "Das ist eine sinnvolle Größenordnung, sonst rechnet es sich nicht für die Kommerzialisierung." Als Herstellungskosten seien ein Euro pro Liter denkbar. Es seien aber auch 1,80 Euro pro Liter möglich. Warum? "Die Investionskosten für entsprechende Anlagen schwanken um den Faktor drei", so Dahmen. Dies hätten Erfahrungen mit Großprojekten zur GTL-Produktion (Gas-to-Liquids) in Khatar, Nigeria und Malaysia gezeigt.

Der Biorohstoff ist dagegen vergleichsweise günstig: Eine Tonne Stroh kostet rund 80 Euro, für Restholz aus der Landschaftspflege oder aus der Forstwirtschaft werden 40 Euro pro Tonne fällig. Beides ist die kostengünstigste und am häufigsten vorkommende ungenutzte Biomasse in Deutschland. Sieben Kilogramm davon sind erforderlich, um 5,5 kg Rohöl Marke Slurry zu bekommen. Diese Menge wird wiederum benötigt, um ein Kilo Sprit zu erzeugen. Es ist das erste Mal seit Rumpelstilzchen, dass man Stroh zu Gold spinnen kann.