Historische BMW-Rennwagen
Formel 1, F1 und M1 Procar in den Alpen

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Was machen ein Brabham BT52, ein McLaren F1 Le Mans Rennwagen und ein M1 Procar auf einem Alpenpaß? Spaß und Krach – sie feiern eine Geburtstagsparty. Wir waren eingeladen. Sehr gut.

BMW-Legenden am Timmelsjoch, BMW-Klassiker, 07/2016
Foto: Hardy Mutschler

Stell dir vor, du bist Rennfahrer, dein Vater ist Formel 1-Weltmeister, deine Freundin hübsch und Du hast Geburtstag. Klingt nicht schlecht – geht aber noch besser: Deine Freundin organisiert offenbar eine Überraschungsaktion für Dich – und es ist kein Kaffeekränzchen mit der Schwiegermama, sondern sie sagt, du sollst Helm und Rennanzug einpacken.

Klingt verheißungsvoll, oder? Zwei Wochen später stehst Du am Timmelsjoch in 2.500 Meter Höhe, nicht der schlechteste Ort für Leute, die anspruchsvolle Straßen schätzen, und mit Dir stehen da ein paar verräterisch bedruckte Renntransporter von BMWs historischer Motorsportabteilung und ein paar grinsende BMW-Jungs.

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So eine Freundin wünscht man sich

Nelson Piquet junior war der Glücklich, der sich das alles nicht vorzustellen brauchte, weil er es erleben durfte. Er hatte keine Ahnung was genau ihn erwartete. Alle hatten dicht gehalten, seine Freundin Virgilia, sein Umfeld und BMW. Dafür war in wenigen Tagen das Klassiker-Arsenal mächtig durchforstet worden. Die Klassik-Abteilung von BMW trug in kürzester Zeit alles an BMW-Rennwagen zusammen, was sein Vater Nelson Piquet pilotiert hatte und fahrbereit war. Und weil der kleine Nelson nebenbei der erste Formel E-Weltmeister ist, gab’s das i8 Safety-Car noch dazu. Soviel Aufwand für einen 31. Geburtstag?

Wenn die BMW-Truppe ganz ehrlich war, dann war der Geburtstag des kleinen Piquets nur ein willkommener Anlass, endlich mal was ganz Verrücktes mit den Renn-Oldies anzustellen. Es passte alles: BMW Group Classic hat eine Kooperation mit dem Mountain Crosspoint, Europas höchstem Motorrad-Museum oben am Timmelsjoch. Das wunderschön gestaltete Museum mit seinen exklusiven Exponaten ist nicht nur für Motorrad-Fans eine packende Zeitreise durch die zweirädrige Mobilität.

Wie die Passstraße gehört es den Scheiber-Brüdern, die wiederum enge Freunde von Nelson Piquet senior sind und schon als Kinder auf seiner Yacht in Monaco herumtoben durften.

Genug des Drumherum, das sind die Autos, bei denen jedem der nur einen winzigen Tropfen Benzin im Blut hat das Herz aufgeht:

635 CSI von 1983, 653 CSI im Original-Ersatzteile-Look von 1984, M1 von 1980, M1 Procar von 1980, McLaren F1 GTR Le Mans von 1997 mit BMW-V12-Motor und als Krönung: Brabham BT52 mit BMW-Turbomotor von 1983.

Aber Nelson junior durfte sie nicht gleich alle sehen. Das ganze Geburtstagsevent folgte einer strengen Dramaturgie. Zuerst kriegte Nelsinho nur die zwei 635 CSI sowie M1 zu sehen und blieb überraschend skeptisch: „Ist das wirklich der Original-M1 mit dem mein Vater 1980 die Procar-Meisterschaft gewonnen hat?“ Fast. Das Auto wurde restauriert und mit zwei Sitzen für Taxifahrten versehen, aber wesentliches wie der 6-Zylinder-Motor sind absolut original.

BMW 635 CSI – ein Reihensechszylinder-Traum

Aber beginnen wir von vorne. Zur Eingewöhnung an die Strecke und die alten Autos gab’s erst einmal eine Runde in einem silbernen 635 CSI von 1983. Der trompetete mit feinem, aber zurückhaltendem Reihen-Sechszylinder-Ton in den Windungen des Timmelsjoch-Pass davon. Es war gegen 17 Uhr, der Pass war noch frei für den normalen Publikumsverkehr. Als Nelson zehn Minuten später den Wagen wieder abstellte, war er noch ganz Pokerface: „Toller Wagen, aber es ist schon der Wahnsinn was sich in den letzten Jahrzehnten bei den Autos getan hat.“ Was übersetzt heißt: Sieht klasse aus, fährt sich aber gewöhnungsbedürftig. Was leider für so viele wunderbare Klassiker gilt.

BMW 635 CSI „Original Ersatzteile“ – das Klangwunder

Dann zwängte er sich zusammen mit seiner Freundin Virgilia in den Renn-635 CSI von 1984: „Damit ist mein Vater auch Rennen gefahren?“ Nicht ganz. Quester, Ravaglia, Winkelhock, Stuck und Berger hatten ihn bei der europäischen Tourenwagen Meisterschaft im Renneinsatz. Dein Vater fuhr ihn nur zu Marketingzwecken. Was aber letztlich wieder egal ist, weil er so unglaublich gut aussieht, rattenscharf klingt und die BMW-Truppe das gute Stück eben zeigen wollte.

Wobei, was heißt hier zeigen? Das ganze Timmelsjoch erbebte unter seinem Verbrennungskonzert. Metallisches Röhren prallte gegen die Felswände und direkt aufs Trommelfell. Das Vieh auf den Weiden erhob zum ersten Mal verwundert sein Gehörn. Selten zuvor und danach wurden 286 PS so imposant orchestriert. Nelson schmunzelte als er zurückkam und seine Freundin lachte: „Das Eis ist gebrochen.“ Nun gut, wem bei diesem Sound nicht warm wird, der badet nackt in flüssigem Stickstoff.

BMW-Legenden am Timmelsjoch, BMW-Klassiker, 07/2016
Hardy Mutschler
Geburtstagskind: Nelson Piquet jr. durfte dank seiner Freundin einmal alle BMW-Rennwagen fahren, die sein Vater einmal bewegt hatte.

BMW M1 Procar – mindestens der bestklingende Sechszylinder aller Zeiten

Dann wartet das M1 Procar. Der Held aus einem kompromisslosen Markenpokal in dem in der Saison 1979/80 die fünf besten Formel 1-Fahrer gegen andere Rennfahrer antraten. Das alles im Rahmenprogramm der Formel 1. Spektakulär, aber in den heutigen Gähn-Formel 1-Zeiten unvorstellbar. Nelson Piquet senior gewann 1980 die zweite und letzte Procar-Meisterschaft. 36 Jahre später schlüpft sein Sohn hinter das karge Lenkrad. Jetzt war das Timmelsjoch für den Publikumsverkehr geschlossen und es fielen die ersten Regentropfen. Gegen 19 Uhr hatte der Autor dieses Artikels auf seinem Instagram-Kanal noch ein Foto mit dem M1 Procar und den Worten „One of the best sounding cars ever.“ gepostet. Gegen 20 Uhr stand da schon: „Sorry, it’s the best sounding car ever“.

Mamma mia, was aus dem 470-PS-Monster herausflutet, ist nichts anderes als sex-, Pardon reihensechsuelle Belästigung für jeden Autofan. Beim Durchbeschleunigen schreit das metallische Röhren des 3,5-Liters mit inbrünstiger Heiserkeit in den Himmel. Als wäre der Teufel hinter ihm her brüllt das Procar mit Basssalven die Felsen in Stücke. Beim Gangwechsel knallen Kanonaden viel zu spät verbrannten Kraftstoffs aus den Endrohren bevor ein dreckiges Gurgeln, Röcheln und Sprotzeln die Gaswegnahme vor der Kurve begleitet. Dazu zieht ein Gischtschweif hinter dem M1 her, als würde der Halleysche Komet sich gleich in die Erdkruste bohren – so hörte es sich ehrlich gesagt auch an. Mit einem Pfeifen im rechten Ohr und emotional tief getroffen von diesem Heavy-Metal-Konzert musste sich der Autor erstmal auf einen nassen Felsen setzen. Uff. Eine Kuh blickte mitleidig zu ihm rüber. Dabei warteten noch zwei Rennhelden und insgesamt 16 Zylinder.

McLaren F1 GTR Le Mans von 1997 – das Biest mit dem BMW V12-Motor

Nelsons Pokerface war jetzt einem konstanten Grinsen gewichen. Wahrscheinlich musste er sich das später operativ wieder entfernen lassen. Denn als er auf dem Parkplatz wieder eintraf, wartete schon der Mclaren F1 GTR Le Mans mit dem sein Vater 1997 zusammen mit Soper und Lehto die 24h von Le Mans bestritten hatte. Wobei ganz 24 Stunden wurden es nicht, da ein Defekt und Verlassen der Strecke die Ambitionen auf ein weiteres erfolgreiches Jahr zerstört hatten. Dieser Wagen besitzt keinen Beifahrer-Sitz. Also musste Virgilia zum ersten Mal zuschauen. Was sie in Anbetracht des immer kräftigeren Regens aber fast mit Erleichterung hinnahm. Bei Nelson zeigte sich dagegen steigende Anspannung. Der Rennmechaniker erklärte ihm besondere Details des nur 950 Kilogramm und 604 PS starken Boliden: „Pass auf, Hochschalten des sequenziellen Getriebes geht mit Druck nach vorne und nicht wie heute üblich mit einem Zug nach hinten. Bei Kehre 6 und 7 wird es zudem sehr eng für den begrenzten Lenkeinschlag des Longtail. Da musst du eben tricksen.“

Nelson hörte geduldig zu und startete den McLaren. Ein dumpfes, kehliges Brummen wie aus übersteuerten Lautsprechern ließ den Boden im Leerlauf erbeben. Nur ein kleiner Gasstoß und schon fauchte das anglogermanische Vieh. Der Pass war inzwischen völlig durchnässt als der bayerische V12 mit dem McLaren drumherum darüber sägte. Der typische giftige Ton eines Renn-Zwölfzylinders bohrte sich in die Gehörgänge. Wie versprochen wurde es an Kehre 6 trickreich. Mit einem beherzten Gasstoß stellte Nelson den McLaren an, um ihn dann quer durch die Kurve zu ziehen. Dazu stieß ein gieriges Fauchen aus den Endrohren das nahtlos in das Beschleuniungssägen überblendete. Manchmal bist du eben zur richtigen Zeit am richtigen Ort – egal ob es in Strömen regnet oder nicht.

BMW-Legenden am Timmelsjoch, BMW-Klassiker, 07/2016
Hardy Mutschler
Highlight: Piquet durfte auch ein BMW M1 Procar mit 470 PS durch die Alpen jagen. Was für ein Geburtstag!

Brabham BT52 – das Formel-1-Turbo-Tier

Als Nelson den McLaren abstellte, schaute ihn schon der Formel-1-Wagen seines Vaters an. Damit war sein Vater erster Turbo-Weltmeister geworden. Nelson Piquet junior war der erste Formel E-Weltmeister. Das Leben schreibt besondere Zufälle. Tief gerührt, aber auch frustriert näherte sich der Sohnemann der 4-Zylinder-Legende. Frustriert, weil es inzwischen in Strömen regnete und an eine Fahrt aus Sicherheitsgründen nicht mehr zu denken war. Sollte es das gewesen sein? Sollte er gerade die größte Überraschung nicht mehr fahren dürfen? Na ja, schlug einer der Scheiber-Brüder als Besitzer des Timmelsjochs vor, ihr könnt auch morgen vor Pass-Öffnung nochmal fahren. So gegen sechs Uhr in der Früh.

Und so standen dann alle morgens mit leichten Augenringen wieder vor dem Brabham und dem jetzt trockenen Timmelsjoch. Noch war der BT52 aber nicht gelaufen. So einen bis-zu-1400-PS-Boliden wirfst du nicht mal schnell an. Er startete, knatterte aber plötzlich wie ein i8 im Standgas. Klare Diagnose: Der Motor läuft nur auf drei Töpfen. Ein Zündkerzenwechsel des letzten Zylinders vor dem Heckflügel weckte auch Nummer vier und nun schrie der BMW-Motor endlich – ehrlich gesagt ein wenig wie eine völlig durchgeknallte Monster-Motorsäge. Die Klangfaszination eines solchen Motors entfaltet sich erst über die Drehzahl. Bei niedrigen Touren ist er, nun ja, eben doch ein Vierzylinder. Einen Rat vom Mechaniker gab es auch: „Pass auf mit dem Turboloch, die bis zu 1400 PS schlagen irgendwann zu wie ein Vorschlaghammer. Das ist hier auf dem Pass kaum zu dosieren.“

Nelson lauschte und glitt mit dem Brabham behutsam und ehrfürchtig um die Kehren des Timmelsjoch. Passierte selbst die engen Stellen problemlos, von denen eine BMW-Location-Check-Gruppe vorher gesagt hatte sie seien unpassierbar für einen F1-Wagen. Kurz war dabei das infernalische Hochdrehzahl-Sägen und die krachenden Gaswechsel-Sprotzler zu hören, als er an einer Gruppe fröhlich mit den Glocken läutender Kühe vorbeirauschte.

Stopp! Stellen wir uns dieses Bild einfach nochmal in Zeitlupe vor: Alpen im Morgengrauen, leerer Pass, weidende Kühe und dann ein 1983er Brabham-Formel 1. Einzigartiger kann ein Motormoment nicht sein. Das weiß auch Nelson Piquet junior. Und deshalb sollte er zum Dank seiner Freundin Virgilia einen Heiratsantrag machen. Sie hat es verdient.