Facebook, Google & Co.
IAA - Mehr Mega-Konferenz als Auto-Messe

Die Internationale Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt gilt als Stimmungsbarometer der Autoindustrie. Sie war einst die größte Automesse der Welt, bevor ihr zuerst die chinesischen Automessen den ersten Rang abliefen und nun die angekündigten Aktionen durch die Klimaaktivisten dem Thema Automobil den Schwarzen Peter anheftet.

IAA, Mega-Konferenz als Auto-Messe
Foto: VDA

Die Autoindustrie steckt weltweit in der Krise. Die Probleme reichen vom drohenden Brexit, über die Handelskonflikte der USA mit China und Europa bis zum Lieferengpass durch die notwendige WLTP-Zulassung. Jetzt steht die größte und wichtigste Auto-Schau in Deutschland an, die ohnehin nur alle zwei Jahre stattfindet, und es drohen weitere Negativ-Meldungen.

Das zeigt der Hallenplan der IAA: Viele Automarken wie Toyota, Nissan, Peugeot, Citroën, Kia, Fiat Chrysler oder Volvo fehlen auf der IAA komplett. Viele Zulieferer ebenfalls. Die Hallen 6 und 10 bleiben leer. Und die Halle 4 wendet sich nicht mehr an die Fans von PS-starken Neufahrzeugen, sondern wird eine Art Event-Halle für Oldtimer-Freunde. Fazit: Nur in vier Hallen werden auf der diesjährigen IAA neue Autos präsentiert.

IAA 2023

Wo sind die großen Auto-Köpfe?

Zum zentralen Element wird Halle 5: Dort findet die New Mobility World statt, was bedeutet, dass sich dort vom Startup bis zum innovativen Tochter-Unternehmen großer Konzerne Aussteller tummeln. Lebendig wird die Halle durch verschieden große Bühnen, auf denen zum Teil zeitgleich verschiedene Vorträge stattfinden. Die Vorträge sind Teil der „IAA-Konferenz“, die mit ziemlich attraktiven Namen wirbt: Virginia Rometty (CEO von IBM), Mark D‘Arcy (Chief Creative Officer von Facebook), Scott Guthrie (CEO Microsoft Cloud), Magnus Hall (CEO bei Vattenfall), Alejandro Agag (CEO Formula E), Henning Kagermann (Vorstand Plattform Zukunft der Mobilität). Zum diesjährigen Superstar dürfte John Krafcik (CEO der Google-Tochter Waymo) werden. Er eröffnet an der Seite der Bundeskanzlerin Angela Merkel die Messe und gibt auch eine Keynote im Anschluss. Krafcik begleiten zwei weitere, hochrangige Google-Kollegen: Dominik Wee, Managing Director Global Manufacturing and Transport at Google Cloud, und Patrick Brady, VP Engineering Android at Google.

Fällt Ihnen etwas auf? Da fehlen die Namen der Auto-Bosse. Unter den Vorzeige-Köpfen ist nur ein einziger „Car Guy“: Ola Källenius, der seit Mai amtierende Vorstandsvorsitzende des Daimler-Konzerns. In zweiter Reihe und als sonst einziger Automann ist noch der Auto-Designer und CEO von Volvos Tochtermarke Polestar, Thomas Ingenlath, auf der Sprecherliste.

Was bedeutet das? Es ist der Beleg dafür, dass die großen Tech-und Software-Konzerne längst Teil der globalen Automotive Community sind. Alle wollen über den Einsatz von Künstlicher Intelligenz, die Vernetzung von Fahrzeugen, über Sharing-Economy oder umfassende Mobility-Dienstleistungen informieren und diskutieren. Vorträge über die neuesten Fahrzeugantriebe: Fehlanzeige.

Es sieht so aus, als würde die IAA dieses Jahr zum Workshop für IT-und Software-Unternehmen, für die Energie-Industrie, für Stadtentwicklungsexperten und Mobilitätsdienstleister aller Art. Übrigens: Nach der IAA endet die gemeinsame Partnerschaft zwischen dem VDA (Verband der Automobilindustrie) und der Messe.

Facebook kommt zur IAA – mit einer Art Studio

Sogar Facebook baut sein Engagement währen der IAA-Tage aus und ist erstmalig während der Messetage mit einem Facebook Hub vor Ort. „Wir freuen uns, dass wir unsere Partnerschaft mit der IAA fortsetzen und in diesem Jahr Hauptsponsor der IAA Konferenz sind. Die Digitalisierung bewegt die gesamte Automobilbranche – ganz egal ob OEM, Händler oder Zulieferer. Neue Mobilität und Elektromobilität stehen in digitalen Kanälen weit oben auf der Agenda. Wir verstehen uns als Partner der Automobilbranche und unterstützen sie dabei, diese Digitalisierung bestmöglich umzusetzen“, so Henner Blömer, Director DACH Automotive bei Facebook. Auch Blömer kommt mit einem Kollegen zur IAA nach Frankfurt: „Unser Vice President Global Business Marketing und Chief Creative Officer bei Facebook, Mark D’Arcy, wird seine Vision der modernen Kommunikation in diesem Mobility Ökosystem teilen. Zudem werden in diesem Jahr erstmals während der IAA verschiedene Facebook-Aktivitäten stattfinden und wir werden mit einem Facebook Hub vor Ort präsent sein.“

Wie das genau aussieht, verrät der Facebook-Manager noch nicht. Aber bei der IAA 2017 hatte Facebook wichtige Blogger und Influencer eingeladen, um ihre Eindrücke vom Thema Automobil, IAA oder dem Wandel in der Automobilindustrie mit ihren Followern zu teilen. Laut Blömer wird die Digitalisierung in der Autobranche inzwischen stark vorangetrieben. Im Fokus der Unternehmen stünden die Digitalisierung des Autos, aber auch die Frage, wie ich es digital mit dem Kunden verbinde. „Wir sind Partner der Branche und möchten diese Verbindung gemeinsam vorantreiben“, sagt Blömer.

Neben Mark D’Arcy wird auch Matt Jacobson, Head of Market & Culture Development bei Facebook, zusammen mit Chase Carey, dem CEO der Formula One Group, eine Rede über die Leistung der Formel 1 als Entwickler von nachhaltigen Technologien halten („How Formula 1 spearheads technological innovation that drives real world and sustainable solutions“).

Und noch eine Konferenz: Mercedes me Convention

Wem das noch nicht genügend Input bietet, der kann noch in Halle 1 – direkt vor der traditionell vom Daimler Konzern belegten Festhalle – zur nächsten Konferenz wandern. Die Mercedes me Convention ist die von Mercedes-Benz und South by Southwest (SXSW) gemeinsam veranstalteter „Dialog-Event“ für Creative, Visionäre und interessierte Unternehmen. Zum Eintrittspreis von etwa 350 Euro (Preisstaffelung) darf der Zuhörer dann einen Blick auf verschiedene Szenarien einer besseren Welt von Morgen werfen. Der Event ist als eine Art Zukunftslabor angelegt: die neuen Ideen und Impulse werden von renommierten Experten und Vordenkern vorgetragen und sollen die Teilnehmer inspirieren.

Grüne Themen werden die IAA beherrschen

Ums Thema Nachhaltigkeit und Umweltschutz werden die Aussteller, also die Automobilunternehmen, und die IAA sicherlich nicht herumkommen. Schlimmer noch: Greenpeace und BUND Naturschutz wollen in einem Klima-Dialog mit der versammelten Autoindustrie diskutieren. Ob das klappt, ist unklar. Angeblich wollen die einen dies nur hinter verschlossenen Türen tun und die anderen lieber ganz öffentlich. Sicher ist dagegen, dass eine Sternfahrt von Umwelt- und Fahrradverbänden als Großdemo angelegt und angekündigt ist. Daneben setzen die scheinbar übermotivierten Klimaaktivisten der Attac-Abteilung „Sand im Getriebe” auf Krawall und planen gar den Zugang zur Auto-Schau zu blockieren. Mit der Aktion des “zivilen Ungehorsams„ fordern sie die sofortige Wende in Richtung klimafreundlichem Verkehr ein – und gleichzeitig die absolute Abkehr von Autos, egal mit welchem Antrieb.

Fazit

Der „Branchen-Workshop IAA“ hält genügend Diskussionsstoff bereit. Die Themen entfernen sich aber immer weiter von der Fahrzeugentwicklung, verschiedenen Antriebsarten oder den Dingen, die die Kunden von ihren zukünftigen Fahrzeugen erwarten. Es wird wohl eher alles um Umweltvisionen, Stadtentwicklung und hochautomatisiertes Fahren drehen, denn um die Notwendigkeit vieler Menschen, ein Auto zu besitzen, um in die Arbeit zu fahren. Eigentlich lauter schlechte Vorzeichen, wo wir doch gerade jeden Tag von Gewinneinbrüchen und Kündigungswellen rund um die deutsche Autoindustrie lesen. Sicher ist nur, dass in den knapp zwei Wochen (10.-22. September) nicht nur die Ansicht über den Stellenwert des Autos auseinanderdriften werden, sondern auch die Visionen, wie (autofrei) eine Stadt der Zukunft sein sollte. Ach ja – für Ihre Planungen: Ein IAA-Ticket inklusive Konferenz-Teilnahme kostet 519 Euro. Wer dann noch zur me Convention will, zahlt nochmals 350 Euro. Dann vielleicht doch lieber nur Blech schauen für 15 Euro Tagesticket am Wochenende.

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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

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