Kommentar über Zukunftsstrategien der Autobauer
Das Auto als fahrendes Handy?

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sport auto-Chefredakteur Marcus Schurig über den Fokus der Autohersteller, die auf Vernetzung und Elektrifizierung setzen, während die Endkunden diese angeblichen Megatrends ablehnen – und dafür wie wild sportliche Fahrzeuge kaufen.

CES 2017, BMW i Inside Future
Foto: Gregor Hebermehl

Folgt man dem Duktus der Werbung, dann wird heute gerade das Auto neu erfunden: Die Elektromobilität ist der Vorbote für die automobile Zukunft, und die digitale Vernetzung soll letztlich sogar das gängige Profitschema ersetzen, wie BMW-Chef Harald Krüger jüngst postulierte: „Die Wertschöpfung verschiebt sich von der Hardware in Richtung Software.“ Die Autoindustrie steckt Milliarden in diese angeblich zweifelsfrei identifizierten Megatrends der Zukunft.

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Autofahrer kennen das digitale Angebot ihres Autos nicht

Jetzt könnte man endlos darüber streiten, wer zukünftige Produkte eigentlich wirklich treibt – der Endkunde, also der Markt, oder doch der Hersteller als Anbieter? Wahrscheinlich ist es eine Kombination aus den beiden Elementen. Doch wenn ich der CEO eines Autoherstellers wäre, würde ich die Lage vielleicht sorgfältiger einschätzen – und auch die Fakten in meiner Strategie berücksichtigen. Beim Thema der Vernetzung bin ich etwas zwiegespalten: Ich erkenne an, dass ein Smartphone auf der digitalen Seite nicht mehr können sollte als ein Auto, insofern besteht hier ein Nachholbedarf. Doch am Ende werde ich nicht mit einem Smartphone Auto fahren. Will sagen: Man sollte die Kirche im Dorf lassen.

Wer jeden Tag mit einem anderen Auto unterwegs ist, kann über den digitalen Overkill schon heute nur lachen: Da ist so viel Blödsinn an Bord, den niemand jemals braucht, um von A nach B zu fahren. Jüngst hat eine Umfrage ergeben, dass die Endkunden im besten Fall 20 Prozent des digitalen Angebots ihrer Autos nutzen. Noch schlimmer: Die meisten konnten gar nicht sagen, welche digitalen Angebote in ihrem Fahrzeug vorhanden sind! Ist dieses Faktum den Einsatz milliardenschwerer Investitionen wirklich wert?

Bei der Elektromobilität komme ich mir wie ein einsamer Rufer in der Wüste vor. Natürlich wird es für Elektroautos eine Zukunft geben, wie beim Einsatz in großen Städten. Es wäre doof, das bestreiten zu wollen. Doch es wäre genauso doof zu behaupten, dass das Automobil nur als elektrisch autonom fahrendes Smartphone überlebt. Der Endkunde sieht das auch skeptisch – und das in Deutschland, einer hochentwickelten Industrienation. Denn es gibt ja auch ein paar Fakten, die mit schönen Werbesprüchen nicht von der Tischplatte zu fegen sind: Im abgelaufenen Jahr ging der Anteil der Elektrofahrzeuge in der deutschen Zulassungsstatistik zurück (!), von 12.363 auf 11.410. Und jeder Mitarbeiter bei BMW gibt ohne Mikro vor der Nase zu, dass zum Beispiel die i-Brand viele Milliarden verschlungen hat, aber nicht mal ein paar lausige Milliönchen einspielt. Das sind Fakten!

Sportliche Autos sind gefragt – fragen Sie mal bei AMG und BMW M nach

Jetzt kann man argumentieren, der Kunde hat's halt nicht kapiert, doch leider werden Autos für Kunden gebaut. Und was kauft der Kunde? In der Mehrzahl ganz normale Autos, um von A nach B zu kommen, denn dafür ist das Auto da. Eine wachsende (!) Minderheit kauft ganz besonders gerne ganz besonders sportliche Autos. Fragen Sie mal Leute wie den AMG-Chef Tobias Moers oder den M-GmbH-Chef Franciscus van Meel: Die wissen nämlich gar nicht mehr, wie sie die ganzen werksgepimpten A4 und BMW 3er überhaupt noch produzieren sollen.

Ihre Sparten rennen von Erfolg zu Erfolg (Artikel), gerade auch über die Ausweitung des Produktportfolios nach unten: Denn besonders beliebt sind neben den Hardcore-Varianten aktuell jene Autos, die die Insignien der höher motorisierten Modelle zur Schau tragen, es aber dabei belassen. Sportlichkeit ist also durchaus in Mode – nur reden darf man darüber nicht.

Die Konzerne stecken die Kohle, die sie an dieser Front verdienen, gerne in ihre Taschen – um sie für Vernetzung und Elektrifizierung wieder zu verballern. Hmmm. Und meine Moral von der Geschicht'? Halbe Eier rollen nicht. Denn wer den Kunden vergisst, wird am Ende famos scheitern.