Marketing-Professor Heil im Interview
"Gute Kleinserien, schlechte Kleinserien“

Feine Luxussportwagenhersteller verschenken jedes Jahr Millionen von Euro, wenn sie limitierte Modelle zu stark begrenzen. Oder sie beschädigen ihr Markenimage, wenn sie solche Kleinserien zu groß gestalten. Das ist nur eine Erkenntnis von Oliver Heil, Marketing-Professor der Universität Mainz, der diese jetzt zusammen mit Daniel Langer in einem Buch zusammengefasst hat.

Oliver Heil
Foto: Oliver Heil

Herr Heil, was läuft falsch bei Autoherstellern, die limitierte Sonderserien anbieten?
Heil: Limited Editions können, wenn sie richtig gemanagt sind, die Marken-Profilierung erhöhen und auch einen zusätzlichen Gewinn erzeugen.  Die erhöhte Brandposition ist als Investition für zukünftige Verkäufe anzusehen. Falsch gemanagt, zerstören sie schnell Brandvalue und Profit. Beispielsweise hat Ferrari seit Jahren eine hervorragende Limitierungs-Strategie gefahren. Das erkennt man auch an den Restwerten: Der Enzo ist gebraucht oft mehr wert als neu. 

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Welche Negativ-Beispiele sind Ihnen aufgefallen?
Heil: Porsche hat wohl einige GTs zu viel gebaut, was sich schon in den Schwierigkeiten zeigte, die gesamte Auflage zum gewünschten Preis abzusetzen.  Mercedes versäumte es komplett den SLR zu limitieren. Das beschädigte, wie jeder sehen kann, schon den Verkaufs- aber auch den Wiederkaufswert. Aber es gibt auch den entgegen gesetzten Fall.
 
Nämlich?
Heil: Auch eine zu starke Limitierung ist gefährlich. Lamborghini etwa zauberte mit dem Reventon ein faszinierendes Automobil mit einer Limitation von 20 Exemplaren. Stolz wurde von einem Ausverkauf der Edition in nur wenigen Tagen berichtet. Der zusätzliche Profit kann mit rund 20 Millionen Euro geschätzt werden  Die Ausverkaufsgeschwindigkeit des Reventon läßt stark vermuten, dass hier die Limitation nicht perfekt gemanagt war- es hätten mit großer Wahrscheinlichkeit mehr Einheiten abgesetzt werden können, was den Profit leicht um 100 Prozent erhöht hätte. Und das bei einer Verbesserung der Marken-Position.
 
Lernen die Hersteller aus solchen Erfahrungen nicht?
Heil: Doch. Derzeit ist zu sehen, dass Porsche offenbar gelernt hat:  Die Limitierung des neuen Speedster auf 356 Exemplare ist geschickt - man hätte ja auch andere Zahlen wählen können, wie beispielsweise 911. Aber das ist nur ein positives Beispiel.
 
Wer verschenkt in Ihren Augen nach wie vor Potenzial?
Heil: Bugatti und Maserati nutzen diese Chance zu wenig. Gerade bei Bugatti kann hier die Gefahr vermieden werden, dass ein Model nicht ausverkauft wird. Die Marktgröße für diese exotischen Automobile kann relativ präzise geschätzt und die Produktion angepasst werden, was den häufig auch exotischen Käufern gewiss sehr lieb wäre und einen Wiederkauf, gegebenenfalls des Viertürers, gewiss nicht abträglich wäre. Maserati hat bislang den Limitierungs-Hebel viel zu wenig genutzt. Gleiches gilt für Rolls Royce und Bentley. Für Maybach ist wohl auch dies zu spät.
 
Inwiefern?
Heil: Maybach hat die Marke unglücklich geführt hatte aber auch eine sehr enge Grundlage.  Genauer:  Das Auto war etwas zu nahe an der S-Klasse, das Design wahrscheinlich auch.  Es fehlte das Besondere und Einzigartige - wie bei Rolls Royce. Da konnten beim Maybach auch keine ständig in Bereitschaft stehenden Assistenten helfen - so etwas hat das Klientel dieser Luxuskategorie ohnehin schon.

Funktioniert eine solche Limitierung nur bei Luxus-Automobilen?
Heil: Nein. Limitierung ist auch bei sogenannten Massenmodellen möglich, denken Sie nur an Klassiker wie Golf Rolling Stones oder Opel Corsa Steffi Graf erwähnt sein. Allerdings ist hier die Marktgröße ökonometrisch schwerer zu schätzen. Auch darf das Instrument der Limitierung nicht missbraucht werden, um schwerer verkäufliche Modelle mit Extras aufgefrischt zu verramschen.  Dies schadet insbesondere der Marke.
 
Sie haben in Ihrem aktuellen Buch einen sogenannten "Luxury Index aufgelegt". Was verbirgt sich dahinter?
Heil: Der "Luxury Index" identifiziert die Bandbreite einer Produktkategorie hinsichtlich dem geringstem und höchstem geforderten Preis.  So kostet die preiswerteste Uhr etwa fünf Euro und die teuerste Uhr in Serienproduktion, eine Patek Phillipe, rund 1,6 Millionen Euro - der Index lautet hier 320.000 und diese Höhe signalisiert, dass es den Uhrmachern gelang eine enorme weitreichende Preispalette zu produzieren und Konsumenten näherzubringen. Für Automobile erreicht der Index einen eher mageren Wert von 221 - weniger als ein Prozent des Uhren-Indexes. Dies signalisiert, dass Automobile weitgehend zu preiswert angeboten werden.  Denn der Luxury Index für Automobile liegt im unteren Mittelfeld - es ist den Autoherstellern also nicht gelungen, ein ähnlich hohes "multiple" wie beispielsweise die Uhrenhersteller im Markt durchzusetzen.  Hier liegt enormes Potenzial schlichtweg brach. Hebel wie limitierte Ausgaben, maßgefertigte Produkte, sowie einzigartig aufgewertete Produkte werden einfach zu selten eingesetzt. 
 
Sie beschäftigen sich auch mit dem "Top-Down Brand-Management" – was verbirgt sich dahinter?
Heil: Im Allgemeinen bedeutet dies, dass die Dachmarke nach "unten" ausgesaugt wird anstatt sie nach "oben" zu stärken.  Nehmen Sie Porsche der letzten Jahre als Beispiel.  Der 911er, Ikone und fast alleinige Basis der Marke wird duch Cayman und Boxster ausgesaugt.  Hier darf angemerkt werden, dass all dies für eine gewisse Zeit funktionieren mag. Ist die Brand allerdings einmal ausgesaugt, wird es leicht Jahrzehnte dauern, um die originäre Brandposition wiederherzustellen. Auch Mercedes und BMW haben mit ihren Massenmodellen gesündigt.
 
Warum?
Heil: Weil sie der Versuchung, immer schneller zu wachsen, nicht widerstehen konnten.  Auch andere Verbreiterungen des Angebots, wie durch Cayenne, M, X5 oder Crossovers, können übrigens eine Marke schädigen, nicht nur kleinere Modelle.
 
Aber gerade Cayenne und X5 sind doch Absatzschlager von Porsche und BMW, die eher neue Zielgruppen erschlossen haben, als die Marke zu beschädigen?
Heil: Es sind eben diese neuen Zielgruppen die nicht so recht zum Kern der Marke passen. Ein Cayenne kann halt kein "echter" Porsche sein, wenn man den Markenkern anschaut.  Hier bedürfte es besonderer und überragender Eigenschaften gegenüber den Konkurrenten - wie sie der 911er relative zu anderen Sportwagen besitzt. In unseren Augen ist es Audi als einzigem deutschen Hersteller gelungen, sich erfolgreich in praktische allen Richtungen auszudehnen. Besonders erwähnenswert sind hier die Erweiterung "nach oben"  in Form der muskulösen S8 Modelle und der rasanten R8-Renner. Stellen sie sich doch einmal vor, dass Rolex eine Uhr für 300 Euro anbietet - gewiss ein Erfolg aber eben, wie Aldi gerne sagt "nur für kurz Zeit."