Motorentechnik CVVD
Wie funktioniert eine variable Ventilsteuerung?

Zur modernsten Motorentechnik gehört auch eine unabhängige Steuerung der Ventile. Hyundai bringt die Technik (CVVD) in den Serieneinsatz. Doch wie funktioniert sie?

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Foto: Hyundai, BMW, Schaeffler

Zunächst eine Grundlage der Motor- und Ventiltechnik: Den Zylindern des Verbrennungsmotors muss in präzise festgelegten Steuerzeiten Frischluft zugeführt werden, damit die Verbrennung wie gewünscht stattfinden kann. Danach werden die verbrannten Gase abgeführt. Die Zu- und Abfuhr der Gase erfolgt beim Viertaktmotor über Ventile, beim Zweitakter über Schlitze und Kanäle im Zylinder. Geöffnet werden die Ventile durch Nockenwellen, geschlossen in der Regel durch Ventilfedern.

Unsere Highlights

Je nach Bauart des Motors werden Ventiltriebe nach ihrer Anzahl pro Zylinder oder der Zahl ihrer Nockenwellen unterschieden. Ältere Motortypen haben zwei Ventile pro Zylinder – je ein Einlass- und ein Auslassventil –, gesteuert über eine Nockenwelle. Moderne Motoren nutzen in der Regel vier Ventile pro Zylinder für den Gaswechsel, betätigt werden die von zumeist zwei Nockenwellen. Im Laufe der Entwicklung gab es auch Dreiventil- und sogar Fünfventil-Zylinderköpfe, die sich allerdings nicht durchgesetzt haben. Bei solchen Motoren strömen die Frischgase über zwei bzw. drei Einlassventile pro Zylinder in den Brennraum. Da die Auslassgeschwindigkeit der verbrannten Gase wesentlich höher als die Einlassgeschwindigkeit der Frischgase ist, genügt ein Ventil für das Ausströmen der Gase.

Verständlich ist, dass der Ventiltrieb bei steigenden Motordrehzahlen hohen Beschleunigungen und Verzögerungen ausgesetzt ist. Angepasst an die extremen Temperaturen – speziell der Auslassventile –, müssen Ventile über eine hohe Festigkeit verfügen, reibungsarm funktionieren und die anfallende Wärme effektiv abführen.

Aufgrund der stark zunehmenden Elektrifizierung der Fahrzeugantriebe wird der Verbrennungsmotor zunehmend in mildhybridischen und hybridischen Antriebslösungen eingesetzt. Angestrebt ist eine möglichst hohe Effizienz dieser Systeme durch geschickte Gestaltung der Lufteinlass- und -auslasssysteme des Verbrenners. Und genau hier kommt die Ventilsteuerung und ihre Flexibilisierung, sprich variable Steuerung ins Spiel.

Systeme des Ventiltriebs

Von den Herstellern der Verbrennungsmotoren werden unterschiedliche Ventiltrieb- Systeme angeboten. Für die Anpassung der Ventilöffnungszeit wird die Nockenwelle verstellt, für die Anpassung an den Leistungsbedarf des Motors gibt es Systeme, die den Hub der Ventile verstellen. Bedeutende Hersteller dieser Systeme sind Schaeffler, BMW und Kolbenschmidt, die

► mechanische

► elektro-hydraulische und

► elektro-mechanische als vollvariable Verstellsysteme

anbieten.

Eine wesentliche Begründung für den Einbau eines vollvariablen Ventiltriebs ist neben einer besseren Leistungs- und Drehmomentcharakteristik das Minimieren des Kraftstoffverbrauchs und der daraus folgenden Emissionen, wichtig auch im Hinblick auf die bevorstehende Euro-7-Gesetzgebung. Mit einer zylinderindividuellen Hubsteuerung ist eine schnelle Drehmomentänderung über die Luftzuführung zu den einzelnen Zylindern möglich.

Mechanischer und vollvariabler Ventiltrieb

Beim CVVL, dem Continuously Variable Valve Lift, wird die Öffnungshöhe der Ventile variiert. UniAir ist ein solches mechanisches, vollvariables Ventiltriebsystem mit einer stufenlosen Öffnung der Ventile von null bis zum Maximum.

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Hyundai, BMW, Schaeffler

​UniAir-System von Schaeffler

Bei diesem System wird die Kontur des Nockens auf einen Gabelhebel übertragen. Die "Füße" des Gabelhebels haben eine genau definierte Arbeitskurve, mit der die Ventile geöffnet werden. Die Stellung des Gabelhebels zu den Ventilen wird durch eine Exzenterwelle verändert. Dabei vollführt der Gabelhebel eine Schwenkbewegung zum Öffnen der Ventile. Das System ist vergleichbar mit der von BMW seit vielen Jahren gebauten Valvetronic.

BMW Valvetronic

BMW baute eine variable Ventilsteuerung erstmals 2001 für seine Vierventiler-Ottomotoren. Die Einlassventile werden über Rollenschlepphebel mit Zwischenhebel von der obenliegenden Nockenwelle geöffnet.

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Hyundai, BMW, Schaeffler

​BMW-Zylinderkopf Valvetronic

Die Verstellung der Zwischenhebel um den Drehpunkt erfolgt durch die Exzenterwelle.

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Hyundai, BMW, Schaeffler

Bauteile der Valvetronic

Beim CVVT, dem Continuously Variable Valve Timing, werden die Öffnungs- und Schließzeiten bei Einlass- und auch Auslassventilen verschoben. Beim Audi V6 verstellt der Flügelzellenversteller mithilfe des Steuerventils je nach Leistungsanforderungen die Nockenwellen der Ein- und Auslassventile.

Atkinson- und Miller-Zyklus

Beim Atkinson-Zyklus werden die Einlassventile erst nach dem unteren Totpunkt geschlossen. Dadurch wird die angesaugte Luftmenge während der schon begonnenen Verdichtung über die noch geöffneten Ventile in den Ansaugtrakt geschoben. Konsequenz: Der Kolben arbeitet mit einer reduzierten Verdichtung. Die aufgewendete Arbeit ist geringer.

Beim Miller-Zyklus hingegen werden die Einlassventile schon geschlossen, bevor der ansaugende Kolben den unteren Totpunkt erreicht hat. Das Gemisch dehnt sich aus und kühlt sich ab, während der Kolben noch in Richtung UT unterwegs ist. Das führt zu einer geringeren Verdichtungsendtemperatur, eine klopfende Verbrennung ist deshalb ausgeschlossen.

Da während des Verdichtungstakts eine deutlich geringere Frischgasmenge komprimiert wird, ist die aufzuwendende Verdichtungsarbeit ebenfalls geringer. So arbeiten Miller-Motoren mit einem Verdichtungsverhältnis im Bereich von 12,5 : 1. Beide Verfahren regeln die Zylinderfüllung durch eine variable Öffnungszeit der Ventile.

Prinzipiell könnte auf eine leistungshemmende Drosselklappe verzichtet werden. Der Unterschied zwischen den beiden Verfahren: Atkinson schiebt die zur Leistungsentfaltung nötige Gasmenge nach dem Ansaugen wieder aus, Miller saugt die nicht benötigte Frischgasmenge durch frühzeitiges Schließen der Einlassventile erst gar nicht an. Beide Systeme verschieben den Zeitpunkt für das Öffnen und Schließen der Ventile entsprechend den Leistungsanforderungen des Motors. Die Öffnungsdauer der Ventile bleibt konstant.

Beim neuen CVVD-System (Continuously Variable Valve Duration) von Hyundai hingegen ist die Öffnungsdauer der Ventile variabel.

Das CVVD-System von Hyundai

CVVD bedeutet "Continuously Variable Valve Duration" ("permanent variable Ventilöffnungsdauer"). Bei einer geringen Leistungsanforderung lässt Hyundai die Einlassventile zeitlich bis zur Mitte des Verdichtungstakts geöffnet. Mit der Folge, dass das angesaugte Frischgas über einen beträchtlichen Zeitraum über die geöffneten Einlassventile zurück in den Ansaugtrakt geschoben wird. Dadurch wird die Verdichtungsarbeit der Kolben – frei nach Atkinson – verringert.

Erst bei steigender Motorlast wird das Einlassventil früher geschlossen, sodass die Brennraumfüllung steigt. Hyundai verspricht eine Leistungssteigerung gegenüber dem konventionellen Verfahren von vier Prozent bei einer Verbrauchsminderung von fünf Prozent und einer Emissionsreduzierung von zwölf Prozent. Im Gegensatz zu den anderen Systemen kann Hyundai allerdings den Öffnungszeitpunkt der Einlassventile beibehalten, sodass die gesamte Öffnungszeit über den Kurbelwinkel variabel ist.

Funktion

Bestandteile der CVVD-Einheit sind der Stellmotor mit einer rotierenden Verstellwelle und einer Schnecke mit Schneckengetriebe als variable Steuermechanik für die Einlass-Nockenwelle. Aktiviert wird der Stellmotor durch das Motor-Steuergerät.

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Hyundai, BMW, Schaeffler

Hyundai-Zylinderkopf mit Verstellmechanik der CVVD

Je nach Anforderung sind bis zu 1400 Einstellungen innerhalb von 0,5 Sekunden möglich.

Ein besonderes Merkmal dieser Einlasssteuerung ist, dass die Einlassnocken auf der Nockenwelle relativ zur Welle verschiebbar angeordnet sind. Nockenwelle und Einlassnocken sind somit nicht direkt miteinander verbunden. Befindet sich der Mittelpunkt des Einlassnockens mit dem Mittelpunkt der Welle in einer Ebene, sind Nockengeschwindigkeit und Rotationsgeschwindigkeit der Nockenwelle gleich.

Wird aber die Position des Nockens durch den Stellmotor relativ zur Welle verändert, verkürzt oder verlängert sich die Öffnungszeit der Ventile in dem Augenblick, wo der Nocken den Schwinghebel des Einlassventils berührt. Nockenwellendrehzahl und Nockendrehzahl sind in diesem Augenblick unterschiedlich. Ist die Nockendrehzahl geringer als die Drehzahl der Welle, bleibt das Ventil länger geöffnet. Ist die Nockendrehzahl größer als die Drehzahl der Welle, ist die Öffnungszeit der Ventile kürzer. Nach einer 360-Grad-Drehung sind Nockendrehzahl und Nockenwellendrehzahl wieder gleich.

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Hyundai, BMW, Schaeffler

​Modell der Nockenverstellung mit Handrad. Links: geringe Öffnungsdauer, rechts: verlängerte Öffnungsdauer

Die Darstellung im vorangegangenen Bild zeigt, dass der Nocken der Welle geringfügig nachläuft und das Ventil nur leicht geöffnet ist. Rechts daneben im gleichen Bild sind beide Drehzahlen fast gleich und das Einlassventil ist deutlich weiter geöffnet. Gegenüber dem linken Bild ist die Öffnungsdauer des Ventils länger.

Um die relative Verschiebung zu ermöglichen, sitzen auf der Nockenwelle zwei Hülsen mit Schiebern.

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Hyundai, BMW, Schaeffler

Hülse mit Schieber für Nockenaufnahme

Das Bild zeigt eine Hülse mit zwei Schiebern.

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Hyundai, BMW, Schaeffler

​Hülse mit zwei Schiebern

Dieses Bild zeigt die zweite Hülse mit Schieber, auf den die beiden Nocken mit ihrer Nut geschoben werden. Die Hülsen sind auf dem Schieber radial beweglich.

Mit dem CVVD-System kann der Motor wahlweise nach dem Atkinson- oder dem Miller-Zyklus betrieben werden. Durch das späte Schließen der Einlassventile – Atkinson-Zyklus – bei geringer Leistungsanforderung sinkt das Verdichtungsverhältnis des 1,6-Liter-T-GDI-Smartstream-Motors auf 4,0 : 1 und steigt beim Arbeiten der Ventile nach dem Miller-Zyklus auf immer noch niedrige 10,5 : 1. Der Vierzylinder-Turbomotor hat eine Leistung von 132 kW mit einem maximalen Drehmoment von 265 Nm. Der maximale Kraftstoffdruck für den Benzin-Direkteinspritzer beträgt 350 bar.

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Fazit

Hyundai hat mit dem CVVD eine entscheidende Neuerung für die Steuerung der Ventile entwickelt. Mit den bisher bekannten Systemen können lediglich der Öffnungszeitpunkt und der Hub der Ventile den Leistungsanforderungen des Motors angepasst werden. Das neue CVVD-System erhöht die Flexibilität, indem die Öffnungsdauer der Ventile variabel gesteuert werden kann, und das zugunsten einer höheren Motorleistung bei geringerem Verbrauch und geringerem Schadstoffausstoß.