Corvette C3 mit Jet-Turbine
Einzelstück mit Flugzeugmotor und fast 900 PS

Das Besondere an dieser Corvette C3 ist nicht ihre Lackierung und auch nicht das Räderwerk. Es ist der Antrieb: Eine Jet-Turbine mit ganz eigenem Klang und horrenden Leistungswerten.

03/2020, Chevrolet Corvette C3 mit Jet-Gasturbine
Foto: Barrett-Jackson

Andy Granatelli muss ein verwegener Zeitgenosse gewesen sein. Unter der Verantwortung des Amerikaners rollte 1967 ein besonderes Auto an den Start des 500-Meilen-Rennens in Indianapolis: Ein Einsitzer in den Farben der US-Motoröl-Marke STP, in dessen Lotus-Chassis ein Flugzeugmotor saß. Die Pratt & Whitney ST6B-Turbine schob den Renner mit der Startnummer 40 im Qualifying auf den sechsten Platz und im Rennen in Führung.

Erst im Rennwagen, dann in der Corvette

Der Sieg blieb dem Rennwagen jedoch verwehrt: 7,5 Meilen vor dem Ziel rollte er wegen eines Getriebeproblems aus. Ein Jahr später versuchte es Granatelli erneut mit diesem Konzept, aber ein Crash im Training verhinderte den Renneinsatz. Es war das Ende für das Projekt "Indy-Renner mit Flugzeugmotor". Auch deshalb, weil ein neues technisches Reglement deratige Rennwagen beim Indy 500 verbot.

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Ein Jahrzehnt später machte Andys Sohn Vince daraus das Projekt "straßenzugelassenen Sportwagen mit Flugzeugmotor". Das Vorhaben gelang: 1978 rollte eine Corvette auf die Straße, die ebenfalls von einer Pratt & Whitney ST6B-Turbine angetrieben wurde. Das Auto existiert – und fährt – auch heute noch. Es steht neben seinem Rennwagen-Vorbild im Rock 'n Roll Car Museum in Austin, Texas, und wird von den Betreibern immer wieder auf eine Spazierfahrt entführt.

Passt, wackelt und hat Luft

Vince Granatellis Wahl auf die Corvette – damals übrigens ein brandneues Exemplar – fiel nicht zufällig. Das Coupé mit dem langen Vorbau war das einzige Auto, das den Flugzeugmotor im Motorraum aufnehmen konnte. Und das auch gerade so: Das laut offiziellen Angaben 892 PS starke Triebwerk erstreckt sich millimetergenau vom vordersten Punkt bis zur Spritzwand. Trotzdem waren umfangreiche Änderungen nötig, um das Paket zum Laufen zu bringen.

Die größten Herausforderungen hielt die Turbine selbst bereit. Oder besser: ihre enorme Kraft und Drehzahl. Granatelli wurde der Power mit verstärkten Antriebswellen und einem Reduktionsgetriebe Herr, das die Drehzahl von 37.500 auf 6.230 Umdrehungen pro Minute reduzierte. Dahinter setzte der Konstrukteur ein weiteres Getriebe, damit die Kraft auch dosierbar bei den Hinterrädern ankommt.

03/2020, Chevrolet Corvette C3 mit Jet-Gasturbine
Barrett-Jackson
Der C3-Motorraum dürfte keinen Millimeter kürzer sein.

Und es ging weiter mit den Modifikationen. Granatelli konstruierte einen neuen vorderen Hilfsrahmen, der anstelle des originalen trat. Hinzu kam eine NASCAR-Bremsanlage, die hinter den markanten geschlossenen XL-Rädern wohnt. Damit nicht genug. Der Amerikaner passte auch die Verkabelung an, fügte weitere Instrumente und Schalter ins Armaturenbrett ein und verlegte neue Kraftstoffleitungen. Die enormen Temperaturen, die das Flugzeugtriebwerk erzeugt (bis weit über 500 Grad Celsius), bedingten ein völlig neues Abgassystem. Auch die Klimatisierung musste von Grund auf umgebaut werden.

105 km/h – im Standgas

Es muss ein ganz besonderes Erlebnis sein, dieses Auto zu fahren. Laut Vince Granatelli beschleunigt es in 2,5 Sekunden von null auf 60 mph (96,6 km/h). Realistischer muten jedoch die vom Fachmagazin "Motor Trend" genannten 3,2 Sekunden an. Als Höchstgeschwindigkeit werden 289 km/h genannt. Bereits im Standgas beschleunigt das Auto auf 105 Sachen. Diese Eigenschaft macht die Jet-Corvette ähnlich einzigartig wie ihr Sound. Keine Spur von typisch amerikanischem V8-Bollern: Der Sportwagen-Oldie hört sich an wie ein Flugzeug, das zur Startbahn rollt.

Und was ist so eine automobile Kuriosität heute wert? Schwer zu sagen. Bereits 1982 kaufte der Texaner Milton Verrett die Corvette mit Flugzeugmotor für 500.000 Dollar. Eine Summe, die damals weit mehr wert war als die heutigen etwa 467.000 Euro. 2005 wurde die Corvette erneut verkauft, diesmal für 550.000 Dollar (heute 514.000 Euro). Zum Jahresbeginn 2015 brachte das Auktionshaus Barrett-Jackson das Einzelstück zur Versteigerung; allerdings traf es damals nicht den heute unbekannten Mindestpreis. Die Jungs vom Rock 'n Roll Car Museum nennen heute einen Wert von bis zu 800.000 Dollar (knapp 750.000 Euro).

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Fazit

"V8 kann doch jeder", dachte sich Vince Granatelli 1978 und stellte diese absurde Corvette mit Flugzeugtriebwerk auf die Räder. Konstruktiv soll das Einzelstück absolut vorbildhaft umgesetzt worden sein, auch die Qualität der Umbauten soll hervorragend sein. Leicht zu fahren ist das Auto aber sicher nicht. Aufgrund der Eigenheiten der gezähmten Jet-Turbine wird jede Runde um den Block zur ultimativen Herausforderung.