Ferrari F40 im Fahrbericht
Den Teufel im Leib

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Vor 25 Jahren beschenkte Ferrari die Sportwagenwelt mit dem F40 – ein straßentauglicher Rennwagen, der mit seiner kompromisslosen und brachialen Art und einer teuflischen Beschleunigung so manchen seiner Fahrer das Fürchten lehrte.

Ferrari F40, Heck, Heckspoiler
Foto: Hardy Mutschler

Radio? Nein. Servolenkung? Nein. Bremskraftverstärker? Nein. Geräuschdämmung? Nein. Auch in den 80er Jahren besaßen so erschütternd karg ausgestattete Autos alle Anlagen zu einem Ladenhüter, besonders, wenn sie die gigantische Summe von 444.000 Mark kosteten. Doch stattdessen prügelten sich zahlreiche Interessenten um sie und boten sogar das Mehrfache des Neupreises.

Denn es handelte sich um eine ganz besondere Art von Auto, um Nitroglycerin auf Rädern, um „die Quintessenz der Erfahrungen, die Ferrari in den vergangenen Jahren auf den Straßen und  den Rennstrecken gesammelt hat“, wie es Ferrari- Präsident Piero Fusaro damals formulierte.

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Ursprünglich hätte Ferraris neuer Supersportwagen die traditionsreiche Bezeichnung Le Mans bekommen sollen. Doch nur wenige Wochen vor der Präsentation am 21. Juli 1987 in Maranello regte der italienische Journalist Dottore Gino Rancati in Anlehnung an das 40-jährige Bestehen der Firma Ferrari die Typenbezeichnung F40 an.

Kenner wissen, dass der F40 der letzte Ferrari war, dessen Präsentation und komplette Entwicklung Enzo Ferrari miterlebte. Als er ein Jahr später starb, war die Produktion erst zaghaft angelaufen. Doch den F40, der sofort nach seinem Erscheinen den Thron des stärksten und schnellsten Seriensportwagens beanspruchte, umgab bereits ein Mythos.

Der F40 entstand in Handarbeit

Hermann Layher konnte sich damals einen dieser kompromisslosen Mittelmotorsportwagen sichern. Für Motor Klassik gönnte der Chef des Auto & Technik Museums Sinsheim seinem Exemplar mal wieder etwas Auslauf. Nach einigen Streicheleinheiten im Autohaus Gohm in Sindelfingen kauert das rote Biest nun auf der Start- und Landebahn des Flugplatzes Speyer, wo die Fotoaufnahmen stattfinden sollen.

Beim Betrachten schält sich ein Bild des GTO Evoluzione aus der Erinnerung, den das Team von Michelotto in Padua auf Basis des 288 GTO entwickelt hatte, und der schließlich zum Versuchsträger und zum verkappten F40-Prototyp avancierte. Auch wenn gewisse Ähnlichkeiten nicht von der Hand zu weisen sind, wirkt die von Pininfarina innerhalb nur eines Jahres geschaffene Gestalt des F40 weitaus harmonischer. Aber keinesfalls brav. Wie bei reinen Motorsportfahrzeugen beeinflussten Abtrieb und Bodenhaftung die Karosserieform, weshalb der F40 schon allein optisch zu Recht in die Nachbarschaft reinrassiger Rennwagen rückt.
Die Karosserie weist an allen Ecken und Enden Belüftungs- oder Entlüftungsöffnungen auf, sei es für die Bremsen, die Kühlung, den Motor, die Turbolader oder die Ladeluftkühler. „Keine davon ist Attrappe, alle haben eine Funktion“, erklärt Layher. Für Spielereien war an dem strikt funktionell gestalteten F40 kein Platz.

Besonders imponiert, wie viel Handarbeit in dieser roten Rakete steckt. Vaccari in Modena hat den komplizierten Rohrrahmen geschweißt, Scaglietti ergänzte weitere Verstärkungen, fügte zwischen 10 und 20 Millimeter starke, tragende kohlefaserverstärkte Kunststoffelemente hinzu und setzte die Karosserie auf den Rahmen. Die Karosserieteile bestehen ebenfalls aus Kunststoff, wobei Glasfaser, Kohlefaser und Kevlar in das Kunstharz eingelagert wurden. Der hauchdünne Lack lässt an manchen Stellen die Struktur des Kunststoffs durchscheinen, und die in manchen Nischen der Karosserie ungeniert in die Höhe ragenden Glasfaserfäden sorgen bei Perfektionisten für einen Schwächeanfall. Aber was soll‘s, denn bei der Entwicklung stand laut Layher „nur ein Wort im Lastenheft: Veloce“.

Der F40 ist für das Schnellfahren gebaut

Doch bevor wir den F40 von der Leine lassen, zuckelt er brav mit seinem Herrchen mit deutlich hörbaren Abrollgeräuschen der Reifen auf der Landebahn auf und ab. Während dieser Fotoaufnahmen absolviert der F40 das ständige Rangieren ohne Temperaturprobleme, ohne Aussetzer.

Einige Tage später ist die Zeit für Herzklopfen gekommen: eine Probefahrt in freier Wildbahn. Nach dem Öffnen der federleichten Tür steht eine Hürde aus Kunststoff im Weg, unter der sich eine Strebe des Rohrrahmens verbirgt. Sie beim Ein- und Aussteigen zu überwinden, ist wegen der geringen Fahrzeughöhe von 1,13 Meter und des breiten Schwellers nicht ganz einfach. Mangelt es dabei an Eleganz, gerät die F40-Besatzung nur allzu leicht in den Verdacht, etliche Promille im Blut zu haben.

Der Schalensitz im Innern geizt mit Polsterung, passt aber optimal. In der kargen Passagierzelle dominiert der Kunststoff, lediglich das Instrumentenbrett trägt einen Filzüberzug. In den Ausbuchtungen der Türen verlaufen primitive Seilzugöffner. Im Sinne eines optimalen Leistungsgewichts hat Ferrari wirklich nur das vorgesehen, was zum Schnellfahren wichtig ist.

Dass dazu eine Klimaanlage gehört, mag auf den ersten Blick verwundern, aber wenn sich bei starker Sonneneinstrahlung und glühendem Motor der Innenraum zum Brutkasten entwickelt, soll der Fahrer nicht schlapp machen. Wie heiß es im hinteren Abteil zugeht, belegt der Ferrari-Schriftzug am Heck dieses Exemplars, der sich leicht gekrümmt hat.

Layhers F40 besitzt Kurbel- statt Schiebefenster und Vierpunktgurte. Zu seinen Individualisierungen zählen ein Lenkrad mit rotem Wildlederüberzug, eine Alu-Kugel als Schaltknauf und ein Klebestreifenfetzen auf der Warnblinkleuchte, „weil die nachts immer so blendet“.

Einzelne Details wie die bis 360 reichende Tachoskala oder der selbst beim Blick in die Außenspiegel imposant wirkende Heckflügel sorgen für erhöhten Pulsschlag. Doch so richtig in Fahrt kommt der Kreislauf beim Druck auf einen kleinen Gummiknopf. Sofort erwacht der V-Achtzylinder-Leichtmetallmotor, der sich nur getrennt durch eine Schottwand wie eine Hauskatze an den Rücken des Fahrers schmiegt. In diesem Fall ist es allerdings ein Tiger.

Dank eines Spezialauspuffs, zu sehen an drei gleich großen Endrohren (das mittlere ist für das Abgas des Bypass-Ventils) klingt dieser F40 etwas ungezogener als die Serienversion. Die 12,5 Liter Motoröl sind bereits auf 80 Grad temperiert, trotzdem ist auf der Landstraße Zurückhaltung angebracht, weil dort jeder beherzte Gasstoß für einen Podiumsplatz in der Verkehrssünderkartei reicht. Doch gleich darf sich der F40 von seiner bestialischen Seite zeigen.
Schon beim Anfahren ist ein gefühlvoller Umgang mit der Kupplung und vor allem mit dem Gaspedal gefordert. Kaum baut sich Ladedruck auf, setzt der Dreiliter-Biturbo erschreckend spontan brachiale Kräfte frei. Die 335er-Gummiwalzen an der Hinterachse suchen verzweifelt Haftung auf dem Asphalt, das nur leicht absackende Heck beginnt leicht zu schwänzeln – der F40 schießt davon.
Leichter Geruch verbrannten Gummis weht in den Innenraum. Ohrenbetäubendes Gebrüll. Ein aggressives Zischen des Wastegate-Ventils beim Gaswegnehmen zum Schalten. Schauerlich. Animalisch. Überwältigend. Im zweiten Gang geht es genau so spektakulär voran, und beim Schalten in den dritten kann man immer noch ein schwarzes Autogramm auf der Straße hinterlassen, wenn man es darauf anlegt.

Unglaubliche Beschleunigung

Gibt man bei niedrigen Drehzahlen Gas, ist zwar eine gewisse Beschleunigung spürbar, aber sobald die Nadel die 3000er-Markierung passiert, bricht das Inferno los. Dabei katapultieren schlagartig offenbar alle der mit zwei Turbos und Ladeluftkühlern aus dem V8 gekitzelten 478 PS die 1200 Kilo des F40 nach vorn. Doch dieser spontane Kraftakt ist nicht ganz exakt kalkulierbar, was schon mal für Adrenalinschübe sorgt, speziell bei feuchter Straße.

Die mäßige Traktion im ersten Gang verhindert Paradewerte beim Spurt auf 100 km/h, weshalb das pure Renngerät F40 dem damaligen Konkurrenten und Hightech-Wunder Porsche 959 zunächst um eine Sekunde den Vortritt lassen muss. Doch zwischen 100 und 200 km/h nimmt er dem 959 glatte 3,2 Sekunden ab, und das ist eine Menge.

Cruisen im großen Gang können übrigens die hubraumstärkeren, zwölfzylindrigen Brüder des F40 besser. Aber dafür bietet der leicht und exakt dirigierbare F40 ungefiltertes Rennfeeling. Er ermöglicht Kurvengeschwindigkeiten, die sich im öffentlichen Straßenverkehr kaum einer zu fahren traut und stürmt brüllend in atemberaubender Weise über die Autobahn – notfalls mit weit über 300 km/h. Doch wir haben heute vergessen, den Luftdruck der Reifen auf drei bar zu erhöhen.

F40-Fahren macht süchtig, Vorsicht ist aber beim Bremsen geboten. Die Verzögerung war nur für die damalige Zeit gut, und sie stellt sich erst ein, wenn man auf das gelochte Pedal steigt, als wollte man einen Elefanten quälen.
Nach dieser Begegnung wird klar, warum damals alle darauf brannten, einen F40 zu bekommen. Man muss nur die richtigen Fragen stellen. Faszination? Ja. Nervenkitzel? Jaa. Temperament? Jaaa. Fahrspaß? Jaaaaaaaaa.

Hermann Layhers F40

Der fotografierte F40 steht normalerweise im Auto & Technik Museum Sinsheim. „Es war mein erster Neuwagen, den ich gekauft habe“, sagt Museumschef Hermann Layher. Er gehörte zu den Auserwählten, die damals einen F40 bekamen. Layher widerstand der Versuchung, durch den Weiterverkauf schnelles Geld zu machen und ist damit heute einer der wenigen F40-Erstbesitzer.
Bevor Layher den F40 bekam, schaute er sich immer wieder begeistert einen F40-Film auf einer VHS-Kassette an, fuhr in Gedanken mit und hielt dabei ein rotes Momo-Lenkrad in der Hand. Dieses ließ er später in seinen F40 montieren. Er findet: „Wenn man dem Wagen seinen Willen lässt, wird es lebensgefährlich.“ Denn nur allzu leicht stachelt ein F40 zur Höllenfahrt an.

Ferrari F40 von Bburago

Wie beim Original spielten auch beim 1:18-Modell des F40 von Bburago die Preise kurzfristig verrückt. Hermann Ries, damals Redakteur bei Motor Klassik, berichtete darüber in seiner eigenen Rubrik namens Gerüchteküche.
Die erste Ladung der gelungenen Bburago-Miniatur war schnell vergriffen, und nachdem sich das Gerücht verbreitete, die Modellbau-Formen seien kaputtgegangen, wurden 1989 auf der Techno Classica in Essen für den kleinen F40 200 statt 34,50 Mark gezahlt – danach wurden in Inseraten bis zu 1.000 Mark gefordert. Doch die Formen waren nicht kaputt, die Preisblase platzte.
Im Herbst 1990 zogen die Preise erneut leicht an: Diesmal lautete das Gerücht, Ferrari hätte eine weitere Produkion untersagt. Auch das war eine Ente.

lations-Objekt F40

Die Hochpreisphase der Jahre 1988/89 erfasste auch den Ferrari F40, der damals nicht verkauft, sondern zugeteilt wurde. Daher waren jene ohne einen Kaufvertrag in der Tasche zur Zahlung absurder Aufpreise bereit. Das knappe Angebot des zu dieser Zeit noch in Produktion befindlichen Modells rief zudem viele Spekulanten auf den Plan.

So erlagen etliche F40-Erstbesitzer der Chance auf schnellen Gewinn. Doch wie teuer waren die F40? Im Internet kursiert ein Auktionsergebnis von 2,7 Millionen Mark, doch die erwähnte Auktion gab es nicht. Der teuerste F40 war wohl jener, der 1989 von John Collins von Talacrest für 3,2 Millionen Mark verkauft wurde. Schon 1990 bröckelten die Preise. Am 21. Mai fiel bei Sotheby‘s in Monaco für einen F40 der Hammer bei nur noch 1,8 Millionen.

Kurz-Historie Ferrari F40

Genau genommen beginnt die Geschichte des Ferrari F40 mit dem 288 GTO von 1984 (siehe Motor Klassik 7/2007), der als Homologationsmodell gedacht war. Angepeilt waren Renneinsätze in der Gruppe B, die sich dann aber als Irrweg erwies. Doch der GTO Evoluzione, von dem ursprünglich 20 Exemplare gebaut werden sollten, wurde nicht in Rente geschickt, sondern zu einer Art Versuchsträger umgepolt, in dem Komponenten für einen künftigen Supersportwagen getestet wurden.

Die Firma Michelotto in Padua hatte für Ferrari den GTO Evoluzione realisiert, der schließlich in fünffacher Ausführung auf die breiten Räder gestellt werden sollte. Eine davon war eine RallyeVersion, die anderen vier wurden als Rennwagen ausgelegt, deren 2,8LiterBiturboMotor bei einem Ladedruck von 1,4 bar etwa 650 PS leistete. Das Superauto, für den die im Heckbereich mit zahllosen Lüftungsöffnungen versehenen Evo-Monster als Testlabor dienten, hieß F40. Dieser wurde am 21. Juli 1987 in Maranello präsentiert.

Für Rennzwecke wurde der F40 LM kreiert. Von diesem wurden zwei Exemplare vom französischen Ferrari-Importeur Charles Pozzi bei den IMSA-Läufen 1989 und 1990 in den USA eingesetzt. Zwar gab es keinen Sieg, aber drei zweite Plätze. 16 weitere F40 LM wurden an Privatiers verkauft. Weniger Konkurrenz als in den USA hatte der F40 bei den italienischen GT-Meisterschaften 1992 und 1993, die er dominierte. Ab 1994 startete der F40 als GTE in der BPR Serie. Vom GTE gab es sieben Exemplare, dabei handelte es sich um weiterentwickelte LM. Viele F40 wurden auch in Eigeninitiative für Rennen modifiziert.

Technische Daten
Ferrari F 40 3.0 V8
Außenmaße4358 x 1970 x 1124 mm
Hubraum / Motor2936 cm³ / 8-Zylinder
Höchstgeschwindigkeit321 km/h