Prestige-Autos zum Discountpreis
Früher teuer, heute billig!

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Schon die nächste Großstadt-Ausfallstraße kann Ihr Tor zum Youngtimer-Glück sein. Denn noch nie waren hochkarätige Autos der 80er- und 90er-Jahre so preiswert. Alf Cremers präsentiert 14 Beispiele.

Alf Cremers
Foto: Frank Herzog

Der verarmte Auto-Adel treibt sich heute auf Kiesplätzen und in den Industriegebieten der Großstadt-Vororte herum. Die nun abgelegten Mercedes S-Klassen, BMW 5er und 7er, Jaguar XJ 40 und Range Rover Mk II sind ständig in Gefahr, nach Russland, in den Libanon oder nach Afrika verschleppt zu werden, wenn sich kein Liebhaber findet.

Unscheinbare französische Sänfte und Italo-V6-Limousine

Vor 20 Jahren standen die einst mindestens 40.000 Mark teuren Oberklasse-Limousinen und Boulevard-Coupés auf Marmorböden im Spotlight. Heutzutage haben Youngtimer- Fans die Chance, sie für kleines Geld zu kaufen. Manche dieser Gestrandeten brauchen Zuwendung. So wie der diamantblaue Mercedes 300 SE, noch mit prolligen Melber- Sieben-Zoll-Rädern, Neupreis mit 15 Extras knapp 74.000 Mark. Oder der distinguierte Lancia Thema 3.0 LS mit herrlichem Zweiventil-Alfa-Romeo-V6. Ein längerer Aufenthalt im Freien lässt die einst 51.000 Mark teure, fein möblierte Tipo-4-Königin matt und abgestanden aussehen.

Unsere Highlights

Ein vergilbter Aufkleber im Heckfenster kündet symbolisch aus großer Zeit: „Lancia – World Rally Champion 87, 88, 89, 90, 91, 92“. Der noble Wagen wirkt nicht verloren, die Substanz scheint gut, schleunigst muss ein Retter her.

Anders als beim Lancia trifft auf den Renault Safrane V6i RT zwei Reihen weiter das gerne gewünschte Motto "Einsteigen und Losfahren" zu. Selbst die bald fällige Hauptuntersuchung könnte der sehr gepflegte mit aufwendiger Doppelquerlenker-Hinterachse ausgerüstete Fronttriebler packen. Die stilistisch unscheinbare französische Sänfte mit dem zuletzt wegen geänderten Hubzapfenversatzes geradezu geschmeidigen Europa-V6 ist allemal einen Spontankauf wert. Wer noch ein schlagendes Kaufargument sucht, um seine Frau vom intellektuell geprägten Safrane zu überzeugen, sollte ihn als multifunktionale ikeafreundliche Großraumlimousine anpreisen. Um Längen cooler als jeder neue Van!

Die Youngtimer-Szene mit ihrer ausgeprägt promiskuitiven Spontankauf-Neigung lebt von solch skurrilen Individualisten. Sie sind das kostbare Gewürz im gut gesättigten Teig deutscher Nobelmarken. Dieser silberne Safrane kostete einst 45.700 Mark. Für Zwölfhundert ist er deiner, nimm ihn mit, hab Spaß damit. Auch wenn er nur eine TÜV-Periode bei dir bleibt, so lange, bis du Lust auf etwas anderes hast.

Zwei Japan-Youngtimer-Geheimtipps

Als bevorzugtes Auto für bindungsunfähige Lebensabschnitt-Fahrer empfiehlt sich der Mitsubishi Sigma 3.0 V6 in Gunmetal-Grey für knapp 2.000 Euro. Auch er verkannt, unterschätzt - aber mit der Autorität eines 177 PS starken Dreiliters gesegnet.
Wer will, kann noch eins draufsatteln und sich nach der 24V-Variante mit 205 PS mit zwei obenliegenden Nockenwellen pro Zylinderbank und gefährlich langem Zahnriemen umsehen.

Doch gerade die drehmomentstarke (248 Nm bei 3.000/ min) mildere Version harmoniert so unaufgeregt selbstverständlich mit der Viergang- Automatik. Stilistisch ist der große Mitsubishi mit seiner Boxernase das Gesicht in der Menge. Er möchte gern, will ein böses US-Car sein, aber mit Quermotor und Frontantrieb gelingt ihm das nur bei sehr phantasievollen Fahrern.

Unterwegs helfen sie ihrer Illusion ein wenig nach. Schieben bei schönem Wetter und heruntergelassenen Scheiben Ventura Highway von America ins Cassettenfach.

Da hat es der Nissan 300 ZX Twin Turbo leichter. Das opulente, hinterradgetriebene Boulevard-Coupé mit der brachialen Leistung eines Sportwagens braucht keine Vexierbilder. Der DOHC-24V-Biturbo- V6, 283 PS stark, schöpft stets aus dem Vollen – man kann ihn lässig an der untertourigen Leine laufen lassen.

Erst zurückgeschaltet stürmt er gnadenlos davon, presst den Fahrer in den eng anliegenden Pilot-Integralsitz, macht klar, dass er brave Hausfrau, aber auch feurige Geliebte sein kann. Doch der langhaubige ZX sucht auch wegen der Kapitalbindung - knapp 10.000 Euro sind eben kein Kiesplatz-Spielgeld – den Überzeugungstäter. Er wendet sich an die wahren Kenner, die 1a-Zustand und sophistische Technik zu würdigen wissen.


Großer Hubraum, unterschiedlich interpretiert

Genau das trifft auch auf den Jaguar XJ 6 Sovereign zu. Das Vier-Liter-Topmodell mit imposantem DOHC-Reihen-Sechszylinder zeigt sich für nur 6.000 Euro im besten Jahreswagenzustand. Das prall gefüllte Bordbuch trägt alle Servicestempel. Rost? Fehlanzeige, Lack tadellos, Ledergeruch apart. Ein Auto, das rundum glücklich macht, beim Anschauen und beim Gleiten. Samtweich und tief entspannt - mit dem XJ 40 fährt man nicht einfach ans Ziel, man fährt vor. Leise, aber wichtig.

Solches Understatement gelingt dem BMW 535 i nicht ganz. Obwohl in Zustand und Leistung vergleichbar, gibt er ganz und gar die kompakte Sport-Limousine in bester BMW-Manier. Ein Maßanzug mit vier Türen, ein bisschen eng, ein bisschen hart. Der stets heftige Leistungsüberschuss und das sicher kontrollierbare Übersteuern machen große Freude. Ein Fahrerauto par excellence, eine echte Porsche- Alternative zu einem Drittel des Elfer-Kurses.