Kleinserien-Hersteller Mitsuoka
Zu Besuch bei Mitsuoka in Japan

Schräger Auftritt, bodenständige Inhalte: So beginnen Karrieren im Showgeschäft. Unter den exzentrischen Blechkleidern der verschiedenen Mitsuoka-Modelle stecken japanische Großserienautos. Dabei fuhren  die Kuriositäten des zehnten Autoherstellers des Landes zu Produktionsbeginn im Jahr 1979 nicht schneller als 30 km/h.

Mitsuoka Himiko
Foto: Mitsuoka

Um die Tradition Japans zu begreifen, reicht der Besuch im Sushi-Restaurant um die Ecke bei weitem nicht aus. Daher an dieser Stelle nur ein Aspekt: Individualität fand lange keinen Platz in der Kultur der Landes – was auch für die Mobilität galt. Wer nun glaubt, dass alle fahrberechtigten Japaner einen Toyota Prius bewegen, irrt jedoch. Um aus dem heimischen Auto-Einerlei auszubrechen, kommen oft nur teure Import-Fahrzeuge in Frage – oder ein Automobil von Mitsuoka, beispielsweise der Viewt.

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Mitsuoka bietet eigenständige Optik auf bewährter Basis

Auf Basis des Nissan Micra entsteht bei Mitsuoka in Handarbeit eine Art Bonsai-Jaguar Mk. II, der mit einem Preis von 2,3 Millionen Yen (rund 20.000 Euro) kaum teurer als ein gut ausgestatteter Toyota Corolla kommt. Nach einem ähnlichen Muster strickt der im rund 330 Kilometer nordöstlich von Tokio gelegenen Toyama angesiedelte Mitsuoka-Familienbetrieb den Infiniti M35 oder den Honda Accord um. Nach der OP heißen sie Galue und Nouera und ähneln den schweren Wagen von Bentley. Dabei werden die Front und der Heckbereich abgeschnitten und durch neue Teile ersetzt, die aus FRP-Material (Fibre-Reinforced Plastic) bestehen. Um den Kofferraum des Mitsuoka Viewt praxisgerecht nutzen zu können, wird eine Eisenplatte an die ursprüngliche C-Säule angeschweißt, was die Zuladung erhöht. In bester Marketing-Lyrik heißt es: "Jede Fachkraft widmet sich still und stolz ihrer Arbeit" – was für Europäer typisch japanisch klingt.

Vom Kleinstwagen zur Mitsuoka Replica

Von derartigen Eingriffen war Firmengründer Susumu Mitsuoka weit entfernt, als er 1968 begann, mit Autos zu handeln. Den Wunsch, selbst Autos zu fertigen, hegte er jedoch damals schon. Dafür benötigt man in Japan eine formale Genehmigung, die nur schwer zu bekommen ist – Mitsuoka gelang es. Der Trick: Zunächst beschränkte sich das Mitsuoka-Angebot auf Kleinstautos, die nicht schneller als 30 km/h fuhren und daher ohne Führerschein zu bewegen waren. Auf einer Europareise fuhr dem Firmengründer ein Mikroauto vor die Kameralinse, das als Vorbild für den 1982 vorgestellten Bubu diente – und dem Unternehmen zum Durchbruch verhalf.

Von einem 50-Kubikzentimeter-Motor angetrieben, machte der Zweisitzer vor allem in ländlichen Regionen mit mangelhafter Nahverkehrs-Infrastruktur die Rentner mobil. Nachdem 1985 aber das Führerscheinsystem geändert wurde und man auch für das Lenken eines solchen Mikroautos einen Führerschein benötigte, brach der Verkauf des Mitsuoka Bubu ein. Also verlagerte sich der Japaner auf den Bau von Replica, unter anderem vom Porsche 356 und Mercedes SSK. Da bei diesem so genannten Konversionsgeschäft die Basisautos bereits einmal alle Formalitäten für den Verkauf erhalten haben, war es kein großes Hindernis, auch für die Umbauten die Zulassungsgenehmigung zu erhalten, so dass Mitsuoka regelmäßig solche Modelle verkaufen konnte.

Mit der Zeit wurde es auf der Insel jedoch recht mühsam, entsprechende Basisautos wie den VW Käfer zu finden. Die Konsequenz: der Le Seyde, ein Fahrzeug mit eigenem Design und der Technik des Nissan Silvia. Zwei Jahre später folgte der Mitsuoka Viewt, von dem inzwischen über 3.000 Exemplare verkauft wurden. Als zweites Standbein etablierte sich das Geschäft mit Leichenwagen, die inzwischen ein Drittel des Umsatzes ausmachen.

Erste Eigenentwicklung von Mitsuoka

Dieser Erfolg ermöglichte es Mitsuoka, ein eigenes Auto zu entwickeln – den Zero 1. Dabei war es ihm wichtig, ein einfaches Auto zu bauen. Mitsuoka entschied sich daher für eine simple Konstruktion, bei der die Räder wie bei einem Super Seven freistehend montiert sind. Für den Antrieb wurde erneut ein Spender – der Mazda MX-5 – bemüht. "Doch die restlichen Teile kamen allesamt von uns", betont Mitsuoka. Damit erhielt das Unternehmen vom japanischen Verkehrsministerium eine Lizenz für die Produktion und den Verkauf von Automobilen – als zehnter Fahrzeughersteller. "Damals dachte ich, Japan sei ein äußerst bürokratisches Land ohne jegliche Flexibilität. Doch so schlimm ist es gar nicht", stellt der Firmenchef rückblickend fest.

Leicht gemacht hat man es dem Unternehmen allerdings auch nicht. So durften erst 2003 die skurrilen Fahrzeuge auf der Tokio Motor Show ausgestellt werden, da sich zuvor die großen Autokonzerne dagegen gewehrt hatten. Zweifel, dass man zwischen den Etablierten der Branche untergehen könne, sollte ein Supersportwagen zerstreuen. Und so kroch der Mitsuoka Orochi – japanisch für Riesenschlange – auf den ersten Messestand des Kleinserienherstellers. Die Idee von Designer Taka-nori Aoki: ein Auto zu entwerfen, das "gleichzeitig sexy und unheimlich aussieht". Einen Plan, den Zweisitzer in Serie zu bauen, gab es nicht, zumal es sich bei dem Showcar nur um eine Hülle handelt, die sich über ein MX-5-Chassis wölbt.

E-Auto von Mitsuoka

Mittlerweile befinden sich 90 Exemplare in Kundenhand, angetrieben von einem Toyota-V6, der aus 3,3 Liter Hubraum 233 PS entwickelt. Aufgrund einiger Anfragen aus Europa und den USA ergänzt nun eine linksgelenkte Variante das Angebot. Ob die offene Variante der 4,56 Meter langen Mitsuoka-Flunder in Serie geht, ist noch unklar. Völlig klar dagegen: Susumu Mitsuokas Traum vom eigenen Auto ging in Erfüllung.

Seit 2001 führt Sohn Akio die Geschäfte und rüstet sich für die Zukunft. So soll in Kürze das Elektroauto Lite auf Basis des Mitsubishi i-MiEV zu den Händlern rollen, eine zweite Produktionsstätte in Thailand nimmt 2011 ihren Betrieb auf. Dennoch spricht der Firmengründer von einer "kleinen Firma vom Lande" – mit einer immerhin 42-jährigen Tradition.