Mit dem Lexus RC F an das Ende der alten Welt
Sonne, Berge, V8-Sauger!

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Mit seinem Fünfliter-V8 ist der Lexus RC F so etwas wie das letzte Aufbäumen des Saugmotors. Eine Reisereportage zwischen Hoffnungsschimmern und aufgehender Wonne entlang der Costa del Sol.

Lexus RC F, Frontansicht, Burnout
Foto: Rossen Gargolov

Reisereportage – da denkt man sofort an Exotik, Abenteuer und Strapazen. Ohne Sie enttäuschen zu wollen: Von all dem ist zunächst herzlich wenig zu spüren an jenem südspanischen Winterdienstag, als wir vor einem der unzähligen Golf-Ressorts in die Klimakomfortsessel des Lexus RC F sacken und uns von der Navi-Dame nicht mal 60 Kilometer bis Gibraltar durchplanen lassen. Ein Lexus-Mitarbeiter schleppt hastig noch ein paar Lunchpakete heran, ein anderer erkundigt sich mit mahnender Stimme nach den Wasservorräten an Bord. Die Fahrzeit soll 49 Minuten betragen.

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Lexus RC F mit bassigem Motorsound

Und da man ja wirklich nie wissen kann, was einem auf einer Expedition mitten durch die Zivilisation so alles widerfährt, schickt man dem Lexus RC F sicherheitshalber noch ein Begleitfahrzeug hinterher – einen Toyota Auris Hybrid, der die Aussicht auf Abenteuer nun auch nicht unbedingt erhöht. Dass es am Ende doch kein dröges Tempomat-Gebummel von Mautstation zu Mautstation geworden ist, verdanken wir der Maurenstadt Ronda, der man einst eine gut 40 Kilometer lange Passstraße vor die Tore zwirbelte. Eine der besten in Europa, sagen die einen; eine der besten weltweit, sagen andere.

Vorher noch schnell einen Sonnenaufgangs-Burn-out in die Villenkolonie rings um das Hotel gelegt, dann schleunigst los im Lexus RC F. Erst ein Stückchen Richtung Küste, dann hoch bis auf über 700 Meter – angefangen bei Normalnull. Noch brodelt der Lexus RC F verhalten durch die Ausläufer Malagas, dämmert im defensiven Eco-Modus und zeigt sich von der klassischen Lexus-Seite, jener Komfortfinesse, die die Toyota-Tochter immer ganz besonders betont. Zu Recht? Nun ja, bequem ist der Lexus RC F in der Tat, gar so wattebauschig, wie man tut, aber nicht. Und das meinen wir ausdrücklich als Kompliment.

Überhaupt hat man ein bisschen den Eindruck, als ob er seine Rolle noch nicht so recht gefunden hat. Einerseits macht er auf Next Generation, illustriert sein Drehzahlmesser-Display in vier verschiedenen Themes und lässt das Infotainment mit einer Art Maus bedienen. Andererseits hängt er den Trends ein bisschen hinterher: mit seinem antiquierten Navigationssystem etwa, und vor allem mit seinem frei durchschnaufenden V8, der je nach Vorliebe entweder als K.-o.-Kriterium oder Must-have-Impuls fungiert.

Zwischen V8-M3 und RS5

Traditionalisten feiern den Fünfliter im Lexus RC F als Hoffnungsschimmer, als Beweis dafür, dass es so vorbei, wie alle immer sagen, mit den Saugern noch gar nicht sein kann. Zeitgeistigen hingegen fehlt etwas der Kick – emotional ebenso wie faktisch. Nüchtern betrachtet liegt er genau zwischen dem vergangenen V8-M3 und dem RS5 – allerdings ohne die beiden zu übertreffen. Untenrum drückt er nicht ganz so elastisch wie der Audi, oben fehlt ihm die Athletik, wie sie einst der BMW zelebrierte.

Noch spielt all das jedoch keine Rolle: Wir gurren durch die schmucklose Dritte-Reihe-Bebauung der Costa del Sol. Kreisverkehr dritte Ausfahrt, Kreisverkehr geradeaus, Kreisverkehr zweite Ausfahrt. Alles ist mit Werbetafeln irgendwelcher Touristenfallen vollgestellt, links und rechts der Route erholen sich Ferienanlagen mit heruntergelassenen Rollos von der Hektik der Hauptsaison, während Händler am Straßenrand Früchte der Saison anbieten – frisch geklaubte Golfbälle.

Nach ein paar Kilometern durch die Rushhour reißt die Bebauung ebenso auf wie der Verkehr. Die Höhenmeter steigen – und mit ihnen Kurvenfrequenz und Drehzahlniveau. Vereinzelt schaukeln mitgenommene Geländewagen die Sierra hinauf, ansonsten bremst den Gipfelsturm nur das Gewissen. Der Begleit-Auris? Welcher Auris?

Und der Lexus RC F passt wunderbar hierher. Nicht nur wegen seiner bizarren Formensprache, die mit ihren Furchen und windgeschliffenen Rundungen fast so aussieht, als habe man sie aus den Felsstrukturen am Streckenrand gehauen. Sondern vor allem, weil ihm die schnellen Schwünge in den spanischen Bergen wohl besser liegen als strenges Ideallinieren im kantigen Hockenheim.

Lexus RC F zu pomadig beim Schaltvorgang

Mit anderen Worten: Auch wenn der Lexus RC F im Sport-Plus-Modus alle Schnittstellen spürbar intensiviert, für seine Torsensperre auf der Hinterachse sogar eine extraspitze Slalom-Einstellung aufbietet, wäre es nichts anderes als eine Riesensensation gewesen, wenn er den BMW M4, den er insgeheim ja anvisiert, im Test ins Wanken gebracht hätte (Hier geht's zum Vergleichstest). Zumal er im Getriebe seltsam pomadig wirkt. Der Achtstufer nennt sich zwar recht vielversprechend Direct-Shift, braucht jedoch schlicht zu lang, um Paddelbefehle umzusetzen. Außerdem wälzt er beim Runterschalten jedes Mal das volle Schleppmoment des Motors vor sich her – so wie die 63er von AMG, wovon die Sache aber auch nicht dynamischer wird.

Immer wilder twistet das Asphaltband nun durchs Gebirge, schlägt Haken, taucht zwischendurch in dichte Nebelschwaden, klatscht am Gipfelkreuz ab, um sich wenig später aufzuspalten. Der eine Weg führt den Lexus RC F als geradliniger Hochplateau-Sprint auf Ronda zu, der andere über Sträßchen in Fahrzeugbreite und das schrullige Schlumpfdorf Júzcar unterhaltsamer ans gleiche Ziel. Ronda selbst nimmt gerade eine ausgiebige Regendusche, sodass wir nach einer obligatorischen Runde über die Kopfsteine im casco histórico schnell talwärts fliehen. Vorn pocht der V8 knapp mit Ruhepuls dahin, hinten keucht der Auris, während sich die Strecke in Bögen gen Costa schlängelt.

Kurz hinter Estepona tröpfeln wir mit den wenigen Bergtourlern auf eine völlig verwaiste A 7 – jetzt oder nie: Einmal laden wir heimlich bis Zwonochwas durch, lassen uns das per Resonator verstärkte Ansauggeräusch entgegenhämmern und fräsen hinauf bis zur Maximaldrehzahl bei 7.300/min. Ob konkurrenzfähig oder nicht – gäbe es eine Petition für den Erhalt des Saugmotors, der Lexus RC F wäre Grund genug für eine sofortige Unterschrift.

Fertig machen für's finale Foto

Als sich die alte Welt dann nach und nach ihrem Ende zuneigt, taucht er auf, der Fels von Gibraltar, jener neuralgische Punkt, der sich seit dem Mittelalter als uneinnehmbar erwiesen hat und deshalb noch immer Großbritannien gehört. Die einzige Zufahrt zur Enklave führt über das Rollfeld des Flughafens, um danach in engen Straßen und noch engeren Gässchen zu zerfasern. Knapp 29.000 Kontinentalbriten leben hier, zusammen mit einigen Dutzend Berberaffen und Heerscharen von Touristen, die tagtäglich aufs Neue einfallen. Entsprechend langatmig ist es, sich zwischen Pubs, Hotelkomplexen, Banken, Briefkastenfirmen und alten Militäranlagen bis zur wichtigsten Straße Gibraltars vorzudrängen – zu jener, die Europa von Afrika trennt.

Noch ein, zwei Mal knurrt der Lexus RC F durch seine übereinander gestapelten Endrohre, dann steht er goldrichtig für das finale Bild – nach über zehn Stunden übrigens.