Pro & Contra Cabrio
Ja zum offenen Vergnügen?

Ja, was denn nun – ein träges, schwergewichtiges Mode-Accessoire oder doch die schönste Form des Autofahrens? Zwei Meinungen zum Thema Cabrio.

Jens Dralle, Marcus Peters, Audi TT Cabrio
Foto: Dino Eisele

Jens Dralle fliegt gerne mal das Blech weg

Unsere europäischen Nachbarn wundern sich gerne mal über uns Deutsche, weil es uns schon bei wenigen Grad Celsius über null nach draußen zieht. Dann wollen wir nicht im, sondern vor dem Café sitzen und am Espresso nippen und uns nicht im Wirtshaus, sondern im Biergarten mit der Feierabend-Halben zuprosten. Aber beim Thema Auto geben wir uns sehr zugeknöpft. Warum nur? Fahren denn da draußen nur Menschen herum, die immer darauf vorbereitet sein wollen, auf einer Rennstrecke um das letzte Hundertstel zu kämpfen, und deshalb ein Coupé dem Cabrio vorziehen? Mal abgesehen davon, dass die offenen Varianten bei der Fahrdynamik den geschlossenen kaum unterlegen sind, wäre das ein sehr alberner Grund. Wann waren Sie das letzte Mal auf der Rennstrecke? Eben.

Unsere Highlights

Mit einem Cabrio, Roadster, Speedster oder was auch immer lässt sich das Autoleben ungefiltert inhalieren – und hören. Jetzt gerade liegt der Duft von frisch gemähten Wiesen über dem Land, gewürzt mit ein bisschen Grillfleisch-Aroma, denn irgendwo ist ja immer gerade Schützen- oder Feuerwehrfest. Und dann noch der heisere Klang eines aufgeladenen Reihensechsers, das Schnorcheln eines Boxer-Saugers, das Zischeln und Ploppen eines Vierzylinder-Turbos – die Emotion der Mechanik, einfach großartig.

Selbst der Winter bekommt einen neuen starken Reiz, weit abseits der Skipiste. Ordentlich eingepackt (die dünnen, modernen Funktionsklamotten stören noch nicht einmal bei forscher Arbeit am Lenkrad) mit geöffnetem Dach die klirrend kalte Luft zu zerteilen, sich dabei von der Wintersonne aufladen zu lassen – ein herrliches Gefühl, das dem Coupé-Fahrer ewig verwehrt bleibt. Armer Kerl. Oder armes Mädel. Aber dann nehmt doch bitte auch im Café drinnen Platz. Ich trinke derweil meinen Espresso draußen und fahre offen.

Marcus Peters mag es lieber oben mit

Nur um eines gleich vorwegzuschicken: Ich plädiere nicht GEGEN Cabrios, sondern FÜR Coupés. Unserem Haushalt gehören schließlich drei offene Zweisitzer an. Allerdings sind das ausnahmslos Modelle, die als Cabrio konzipiert wurden – keine aufgeschnittenen Coupés.
Und da erreichen wir bereits den kritischen Punkt: das Dach. Lassen Sie uns kurz seinen perfekten Schwung definieren: Er muss sitzen, als habe ihn der Designer mit einem einzigen Strich aus dem Handgelenk gezeichnet. Das Dach kann einem Auto eine Silhouette für die Ewigkeit verleihen – oder eben alles konterkarieren. Es muss ansatzlos ins Heck übergehen. Ohne Stoßkante oder Knick. Überflüssig zu erwähnen, dass jegliche Trennfuge die ästhetische Toleranz stark fordert (das betrifft zahlreiche Blechdach-Cabrios).

Der Luftdurchsatz ist übrigens bei einem klassischen Coupé weit weniger limitiert, als viele glauben – denn es hat keine B-Säule. Man kann die Seitenscheiben also komplett versenken; schon das vermittelt einen herrlichen, Cinemascope-artigen Rundumblick. Der warme Sommerwind streicht ebenso herein wie der Duft der Felder und Wälder. Man kann sogar durch die Mittagshitze fahren, ohne sich einen Sonnenstich zu holen. Und man begegnet vielen geschlossenen Cabrios.

Manche Autos fahre ich wirklich gerne, ich fühle mich in ihnen wohl, mag sie aber nicht von außen betrachten. Die möchte ich folglich nicht in meiner eigenen Garage stehen haben. Warum? Weil sie mein ästhetisches Empfinden brüskieren. Seit Jahren besitze ich übrigens ein Coupé, das ich deutlich häufiger bestaune, als es zu bewegen. Sie haben sicherlich bereits erraten, warum: Weil es das perfekt geschwungene Dach hat – für mich schlicht ein gestalterisches Meisterwerk.